„Big Country ist eine Band, die die Rockmusik um Klangbilder bereichert hat, die so weit und so groß sind wie ihr Name. Eine Idee und ein Konzept, die wieder einmal zeigen, daß man mit zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug immer noch erkennbar werden kann, obwohl es manchmal so aussieht, als ob jeder Ton in jeder Form schon gespielt wäre.“ So formulierte es der WDR im Vorfeld des inzwischen legendären Essener Konzertes der Band am 15. März 1986, das damals als glanzvoller Schlusspunkt der ersten Rockpalast-Serie aufgezeichnet wurde, und trifft es damit schon ziemlich gut. In der ersten Hälfte der Achtzigerjahre in einem Atemzug genannt mit U2 und den Simple Minds, verkauften Big Country ihre ersten Platten weltweit und in Millionenauflage und führten vor allem einen einzigartigen, bis heute unerreichten und schwer kopierbaren neuen zweistimmigen Gitarrenstil in die Rockmusik ein, der neben dem klassischen Rock ’n’ Roll unverkennbar in keltischen Musiktraditionen wurzelte.
Diskografie: The Crossing (Mercury Records, 1983) Steeltown (Mercury Records, 1984) The Seer (Mercury Records, 1986) Peace In Our Time (Mercury Records, 1988) Through A Big Country - Greatest Hits (Mercury Records, 1990) No Place Like Home (Vertigo, 1991) The Buffalo Skinners (Compulsion/Chrysalis, 1993) Without The Aid Of A Safety Net - Live (Compulsion/Chrysalis, 1994) |
Bereits 1981 hatten sich in der schottischen Arbeiterstadt Dunfermline William Stuart Adamson (zuvor Leadgitarrist bei der New-Wave-Band The Skids) und Bruce Watson zusammengetan, um ein neues musikalisches Projekt unter dem Namen „Big Country“ ins Leben zu rufen, mit dem sie musikalisch auszudrücken versuchten, was sie geprägt hatte. „Ein ganz wichtiges Element war, einfach zu sein. In seinen Texten verwendet [Adamson] Begriffe wie Aufrichtigkeit, Stolz, Schmerz, Liebe, Entbehrung und Hoffnung. Die dazu passende Musik entwickelten [sie] über einfache Gitarrenmelodien, die bewußt auf Kraftakkorde und Nur-Volumen verzichteten [und] zweistimmige Themen klar und durchsichtig ausdrückten“ (www.rockpalastarchiv.de). Nachdem das erste Line-up nicht den Ambitionen der Band standhielt, stießen 1982 Tony Butler am Bass und Mark Brzezicki am Schlagzeug hinzu. Die Chemie stimmte sofort, und was folgte, war unter anderem mit Hilfe des U2-Produzenten Steve Lillywhite der Beginn eines Rockmusikmärchens mit mehreren Top-Ten-Alben und -Singles, Auftritten bei Top of the Pops und allem, was zum Starrummel dazugehört. Und das überraschenderweise mit einem Sound, der deutlich den Beigeschmack ihrer schottischen (Wahl-)Heimat barg und bestimmt nicht ganz zufällig nach Dudelsack und Highlands klang (auch wenn dieser von den Medien früh gezogene Vergleich die Band reduzierte, ihr nicht wirklich gerecht wurde und sie in eine Schublade steckte, aus der sie für die breite Öffentlichkeit nie mehr wirklich herauskam).
„Wenn es funktioniert, super, dann machen wir weiter, wenn nicht, lassen wir’s einfach sein!“ |
Dem großen Erfolg mit zahllosen ausverkauften Konzerten rund um den Erdball folgte in den Neunzigern das unvermittelte Verschwinden in der Versenkung. Doch musikalisch befand sich die Gruppe weiter auf innovativer Reise mit einer Mischung aus feinsinnig-sozialkritischen Texten und harter Rockmusik, die nach wie vor ihre folkloristischen Wurzeln nicht leugnete. Dennoch zehrte die gesamte Situation offensichtlich an den Nerven. Im Jahr 2000 wurde es Stuart Adamson, dem Kopf, Sänger, Texter und stilbegründenden Leadgitarristen, zu viel – das Touren, die mangelnde Anerkennung ihrer Arbeit durch die Medien, Alkohol- und Beziehungsprobleme ...: Big Country lösten sich auf. Zunehmend auch von seinen privaten Problemen überwältigt, floh Adamson nach Nashville, wo er bereits seit einigen Jahren lebte und seiner heimlichen Liebe, dem Country, frönen konnte. Doch der innere und äußere Druck wuchs ins für Außenstehende wohl Unermessliche, und am 16.12.2001 fand man ihn tot in einem Hotel auf Hawaii, wo er Selbstmord begangen hatte. Am kommenden 11. April wäre Stuart Adamson fünfzig Jahre alt geworden.
Anlässlich 25 Jahren Big Country, der Wiedervereinigung der verbliebenen Mitglieder sowie des ersten Konzertes der Band in Deutschland nach über sieben Jahren am 15.12.2007 in Köln stand nun Tony Butler, Bassist und neuer „Frontmann“, just einen Tag vor Adamsons sechstem Todestag dem Folker! in der Lounge des Park Inn Hotels in Köln-Ehrenfeld Rede und Antwort.
Von Stefan Backes
Was hat die Band sieben Jahre nach der offiziellen Auflösung und fast sechs Jahre nach dem Freitod von Stuart Adamson dazu bewegt, wieder gemeinsam als Big Country auf die Bühne zu steigen?
Nun, vor sieben Jahren entschieden wir uns aufzuhören, weil wir an einen Punkt gelangt waren, an dem wir merkten, das ist jetzt nicht mehr ganz das Wahre. Insbesondere Stuart brauchte eine Auszeit. Ich selbst dachte, dass da nicht mehr die gleiche Energie dahintersteckte, denn das war es, was uns ausgezeichnet hatte – die Sachen, die wir schrieben, hatten uns immer sehr motiviert. Aber irgendwie hatten wir das Gefühl, dass unsere Zeit vorbei war. Ich stieg komplett aus, benötigte ebenfalls eine Pause, und dann passierte es leider, dass Stuart starb. Danach entschied ich für mich selbst, jetzt wirklich etwas ganz anderes zu machen. Ich hing den Bass an den Nagel und wurde Dozent für Musikproduktion und -technik, machte das ein paar Jahre lang.
„Das ist der Grundgedanke, der hinter allem steckt, was wir gerade tun: Es besteht kein Druck, absolut kein Druck.“ |
In dieser Zeit habe ich immer Wünschen von außen widerstanden, die Band wiederzubeleben. Ich beschränkte mich auf das ein oder andere Soloprojekt. Aber dann war da der Druck, der von den Leuten ausging, die während dieser ganzen Zeit unsere Website besuchten. Die begannen, nach einer Zusammenkunft zum 25-jährigen Jubiläum zu fragen. Etwa zu dem Zeitpunkt veranstaltete ich eine Party, zu der ich unter anderem auch Mark einlud, und an dem Abend spielten wir zum ersten Mal seit langem wieder zusammen. Und es machte unglaublichen Spaß – ich spürte wieder, wie es ist, ihn hinter mir zu haben, und das ist ein phänomenales Gefühl. Sowohl er als auch Bruce spielten zu der Zeit in verschiedenen Bands, aber ich glaube, für keinen von uns reichte all das an das heran, was wir zusammen gehabt hatten. Nur landeten wir aber immer an dem Punkt, an dem wir uns fragten: Wären wir dazu in der Lage, das Ganze wiederzubeleben? Als wir dann die Entscheidung fällten, zum Jubiläum irgendwas zu machen, schlug ich den anderen beiden vor, dass wir einfach in den Proberaum gehen und schauen, was dabei rauskommt. „Wenn es funktioniert, super, dann machen wir weiter, wenn nicht, lassen wir’s einfach sein!“
Wir trafen uns also in Dunfermline und spielten einfach drauf los. Bruce hatte ganz offensichtlich seine Hausaufgaben gemacht – irgendwie hat er es geschafft, die Gitarrenparts miteinander zu verschmelzen, wo er jetzt das spielt, was Stuart immer spielte. Und wir spielten die alten Songs, und es klang fantastisch. Und weil ich ja ohnehin immer Background gesungen hatte, versuchte ich mich am Leadgesang, und es klang gar nicht so schlecht. Wir probten dann noch einige Male, und als die Sachen sich gut anhörten, entschieden wir, ein paar davon auszuwählen, aber diesmal auch neue, eigene Stücke für uns als Trio zu schreiben. Sechs Monate später hatten wir ein Auftrittsprogramm zusammen, das auch neue Lieder enthielt. Einige davon nahmen wir dann auch gleich auf, und plötzlich hatten wir etwas, das ich im Nachhinein nur als die Evolution Big Countrys zum Trio bezeichnen kann.
Wie aber läuft es bei den Konzerten, die die Band jetzt gegeben hat seit der Reunion? Wie reagiert das Publikum? Was sagen die alten Big-Country-Fans?
Es läuft richtig gut, wir haben bereits einige fantastische Konzerte gespielt, und die Resonanz ist unglaublich positiv. Das allererste spielten wir in Glasgow vor siebenhundert Leuten, und es war die nervenaufreibendste Geschichte in meinem Leben ... Vermutlich findet man keine größere Ansammlung glühender Big-Country-Anhänger als an diesem Abend. Wenn es denen nicht gefallen hätte, hätten wir bestimmt gleich wieder aufgehört. Ich rechnete mit einer Akzeptanz von vielleicht 40 Prozent und eher zurückhaltenden Reaktionen, aber wir bekamen 99,9 Prozent! Es war großartig, einfach fantastisch! Ich war unglaublich erleichtert.
„... ich denke, die Musikindustrie brauchte eine Band wie uns und stellte sich deshalb komplett hinter uns.“ |
Und es war von Beginn an klar, dass da niemand Neues als Sänger oder Leadgitarrist ins Spiel gebracht würde? Gab es einen bestimmten Grund dafür? Andere Bands wie Marillion oder Runrig zum Beispiel suchten sich Ersatz, als ihre alten Frontleute gingen ...
Wir waren uns von Anfang an einig, dass wir Stuart nicht durch jemand Neuen ersetzen wollten. Das kam überhaupt nicht in Frage! Ich persönlich hätte eher auf die Reunion verzichtet. Ich wollte nicht, dass wir eine bloße Tribute- oder Karaokeband werden. Und für mich wird es immer etwas Besonderes sein, dass die Leute tatsächlich akzeptieren, dass ich jetzt die Lieder singe. Und was mir sehr wichtig ist: Ich versuche nicht so zu klingen wie Stuart! Es ging mir von Anfang an nicht darum, seinen Gesangsstil oder sein Bühnenauftreten zu imitieren. Ich singe die Lieder einfach auf meine Art und Weise. Ich denke, näher als so, wie wir uns jetzt präsentieren, kommen wir nicht an die originalen Big Country heran. Wir klingen immer noch genauso, dieselbe Gitarre, dasselbe Schlagzeug, derselbe Bass.
Soll es denn weitergehen mit Big Country Teil zwei und mit dem Touren oder ist das eine einmalige Sache zum 25-jährigen Jubiläum? Ich habe gelesen, die Band arbeitet an einer CD mit neuen Songs ...
Ich für meinen Teil würde gerne weitermachen. Es kommt darauf an, wie wir weiter an die Sache herangehen. Wir haben jetzt etwa ein halbes Album zusammen und weitere Lieder, die wir nur noch aufnehmen müssen – es hängt davon ab, ob und wie wir dazu kommen. Es besteht keinerlei Druck, wir denken nicht: „Bis dann und dann muss das Ding fertig sein.“ Und das ist der Grundgedanke, der hinter allem steckt, was wir gerade tun: Es besteht kein Druck, absolut kein Druck. Und gerade das behagt mir daran.
Ich würde gerne noch ein wenig auf Stuart Adamson zu sprechen kommen. Am 16.12. war sein sechster Todestag, am kommenden 11. April wäre er 50 Jahre alt geworden. Sind die aktuellen Konzerte der Band in irgendeiner Weise Tribute-Konzerte?
„Es gab einen Zeitpunkt, zu dem gab es drei Bands, die in gewisser Weise wegweisend waren, und zwar U2, die Simple Minds und Big Country.“ |
Ich denke, dass wir Stuarts auf unsere eigene, besondere Art und Weise gedenken. Wir organisieren deshalb nichts Eigenes oder machen irgendwas Spezielles. Es ist eines der großartigen Dinge daran, wie wir jetzt als Trio mit diesem Bandprojekt umgehen, dass wir so handeln, wie wir uns gerade fühlen und wie wir es wollen. Bei unserem Konzert in Hardenberg in den Niederlanden spielte ich ein Lied solo, dass ich im Gedenken an Stuart geschrieben habe, aber ich plane das nicht im Vorhinein. Es passiert einfach, es gibt keine Regeln, keinen Plan.
Diskografie: (Fortsetzung) Why The Long Face (Transatlantic, 1995) Eclectic - Live (Castle Music, 1996) Brighton Rock - Live (Snapper Music, 1997) Restless Natives And Rarities (Do-CD; Mercury Records, 1998) Driving To Damascus (Track Records, 1999) Come Up Screaming - Live (Do-CD; Track Records, 2000) Twenty Five Live (Track Records, 2007) DVDs: Final Fling (Do-DVD; SONY BMG, 2002) The Ultimate Collection (alle Musikvideos der Band; SONY BMG, 2002) www.bigcountry.co.uk www.myspace.com/ bigcountryscotland |
Okay, 25 Jahre Big Country – ein wenig Geschichte. 2007 wurde dafür als das Jubiläumsjahr ausgewählt, obwohl Stuart Adamson und Bruce Watson bereits 1981 eine erste Version der Band auf die Beine gestellt hatten. Könnte man sagen, dass das endgültige Line-up sich erst herauskristallisierte, als 1982 du und Mark dazustießen und es die ersten Aufnahmen und Veröffentlichungen gab?
Ich denke schon, dass man es daran festmacht. Stuart und Bruce begannen ihre Zusammenarbeit in Schottland, schrieben die ersten Lieder und bauten eine Gruppe um sich herum auf, die ein paar erste Konzerte spielte. Es meldete dann ein Majorlabel Interesse an der Band an unter der Voraussetzung, dass der Bassist und der Schlagzeuger ausgetauscht würden. Ich kannte Stuart eigentlich nur daher, dass ich ein paar Jahre vorher mit meiner damaligen Band Vorgruppe bei den Skids gewesen war. Und dann lernte ich eines Tages Stuarts Manager, Ian Grant, kennen, den ich bei einem Solokonzert Pete Townshends von The Who in London traf, bei dem ich mitspielte. Ian fragte mich, ob Mark und ich es uns vorstellen könnten, eine Session mit „diesen beiden Typen aus Schottland“, wie er sich ausdrückte, zu spielen, und wir sagten zu. Wir hatten dann tatsächlich mächtigen Spaß zusammen, und hinterher sagte ich zu Mark: „Ich denke, wir sollten uns mit denen zusammentun.“
Die Achtziger waren dann ja auch der Höhepunkt der Karriere Big Countrys. Wie kam das alles zustande und wie war das für die Band, dass gleich das Debütalbum 1983, The Crossing, ein derart durchschlagender Erfolg wurde?
Nach diesem anfänglichen Treffen zeigte es sich, dass wir uns ziemlich schnell als Band zusammenfanden. Wir probten sehr viel, schrieben und arrangierten Lieder und begannen dann tatsächlich, ein Album einzuspielen, und zwar mit einem Typen namens Chris Thomas, der bereits mit den Sex Pistols als Produzent gearbeitet hatte. Wir begannen also mit den Aufnahmen, und nach acht Stücken merkten wir, dass die ganze Sache nicht wirklich gut lief. Stuart und Bruce kamen nicht klar mit ihm. Ich sprach dann mit einem alten Kumpel bei Phonogram Records, und wir trafen die vermutlich weiseste Entscheidung, die man an einem solchen Punkt treffen kann, und hauten die kompletten Aufnahmen in die Tonne. Wir gingen zurück in den Proberaum, um ein paar neue Stücke zu schreiben, und dabei kamen Songs heraus wie „In A Big Country“ und „Chance“. Man brachte uns dann mit Steve Lillywhite zusammen, und dieser Moment war so was wie die Initialzündung für Stuart. Der Erfolg des Albums war wirklich außergewöhnlich. Wenn ich sagen würde, dass er uns überraschte, wäre das eine Untertreibung. Plötzlich waren wir auf Tournee, bei Top of the Pops und oben in den Charts. Es ging alles sehr schnell, explodierte regelrecht. Ich habe nie geglaubt, dass es einfach nur an der Qualität des Albums lag, ich denke, die Musikindustrie brauchte eine Band wie uns und stellte sich deshalb komplett hinter uns.
Es folgten drei Platten, die ebenfalls sehr erfolgreich waren. Doch gegen Ende der Achtziger ließ der Erfolg nach, No Place Like Home aus dem Jahr 1991 war musikalisch bereits anders und verkaufte sich auch bei weitem nicht so gut wie seine Vorgänger. Mit The Buffalo Skinners weitere zwei Jahre später hatte die Band dann einen lauteren, eher hardrocklastigen Sound entwickelt. Bestand die Notwendigkeit, sich neu zu erfinden?
„Streng genommen, war es kein Folk, was wir machten, es war vielleicht Folk in dem Sinne, dass die Lieder in einem gemeinschaftlichen Geist entstanden.“ |
Ich war schon immer vorsichtig mit solchen Urteilen. Ich denke, es hatte auch hier viel mehr mit Marketing zu tun als mit irgendetwas anderem. Die Band konnte sich so, wie sie war, nicht ewig halten. Bereits im Anschluss an The Seer, unser drittes Album, versuchte man uns in eine Richtung zu dirigieren, die uns nicht entsprach. Die Plattenfirma wollte an den Erfolg der Singles anknüpfen, und man versuchte uns einzureden, dass wir kommerzieller denken sollten. Und, um ehrlich zu sein: Wir wollten nichts weiter sein als eine Rockband und wollten eine Platte mit gutem, hartem, kantigem Gitarrenrock machen. Nichts gegen The Seer, ich mag das Album, keine Frage, aber die Art und Weise, wie man mit uns umging und wie die Plattenfirma und die Musikindustrie uns sahen zu der Zeit – das war nicht der Weg, den wir einschlagen wollten. Ich vermute, sie spürten den Widerstand, den wir innerlich dagegen aufbrachten, deshalb entschieden sie, dass es ihnen egal war. Und wenn du eine Plattenfirma hast, der du egal bist, dann nimmt deine Popularität ziemlich schnell ab. Erst als wir mit den Aufnahmen zu The Buffalo Skinners anfingen, arbeiteten wir wieder mit dem Mann zusammen, der uns damals an Phonogram vermittelt hatte. Da war jetzt wieder jemand, der uns die Chance gab, als Band wieder eine Einheit zu werden. Auf dem Album sind einige großartige Lieder, sowohl kommerzielle als auch großartige Rocksongs. Ich denke aber auch, dass zu dem Zeitpunkt die Würfel gefallen waren, was unsere Popularität betraf. Wir gingen nach wie vor auf Tour und spielten vor ausverkauften Häusern. Aber ich denke dieses gewisse Popelement begann in immer stärkerem Maße zu verschwinden.
Wir hatten jede Menge Arbeit mit all dem bis zu unserem letzten Album, Driving To Damascus, wo wir uns noch einmal richtig ins Zeug legten. Ich glaube auch, es hätte ein sehr erfolgreiches Album werden können – mit „Fragile Thing“ war ein Lied darauf, das ihm zu kommerziellem Erfolg hätte verhelfen können, das Lied wurde anfangs im Radio rauf und runter gespielt ... Aber dann kam plötzlich die komplette Katastrophe, als das Charts-System ein bestimmtes Format ausschloss, was zur Folge hatte, dass die Platte sich nicht so hoch platzierte wie eigentlich zu erwarten gewesen war. Im Anschluss daran spielten die Sender das Stück nicht mehr und die ganze Sache verlor sich im Nichts. Und ich bin mir absolut sicher, dass das es war, was Stuart den Wind aus den Segeln nahm, denn von dem Punkt an verbrachte er immer mehr Zeit in den Staaten, zeigte kein Interesse daran, rüberzukommen und zu spielen, und verhielt sich allem gegenüber mehr oder weniger gleichgültig. Spätestens hier hatte sich die Situation komplett festgefahren. Es ist schwierig, eine Band auf einer Welle des Erfolgs zu halten, wenn man nach außen hin keine Unterstützung erfährt ...
... und wenn man einfach seine Lieder spielen will, sich nicht dem anpassen will, was die Musikindustrie gerade von einem verlangt.
Es gab einen Zeitpunkt, zu dem gab es drei Bands, die in gewisser Weise wegweisend waren, und zwar U2, die Simple Minds und Big Country. Und jeder erwartete irgendwie, dass das, was mit U2 passierte, auch mit den Simple Minds und mit uns passieren würde, so als sei es nur eine Frage der Zeit. In den USA sah es so aus, als könnte man gar nicht genug von uns bekommen, die Amerikaner liebten Big Country ... Aber dann lief alles schief, weil die Plattenfirma uns nicht in dem Maße unterstützte , wie sie es hätte tun können. Wir hätten das Gleiche machen können wie U2 damals. Aber die Plattenfirma hatte keinen blassen Schimmer, um was es uns ging, wie wir sein wollten. Vor allem verstanden sie Stuart nicht. Er hat das Spiel nie gern gespielt, er war kein Star und er war nicht gut im Berühmtsein. Obwohl er es natürlich mochte, wenn man ihm Anerkennung für sein Gitarrespiel und sein Songwriting zollte. Wenn er aber von Plattenfirmen gebeten wurde, dies und das zu tun, war er nicht gerade Feuer und Flamme. Die dachten sich dann: „Okay, wenn er nicht will, warum sollen wir uns reinhängen.“ Aber keiner von denen wusste oder erkannte, dass wir eine Liveband sind, wir waren live immer sehr erfolgreich, wir spielten immer vor vollen Häusern, egal wo wir spielten. Tja, wir hatten also unseren fairen Anteil an Problemen mit der Musikindustrie ...
Der Sound, den Big Country der Welt schenkte, war zum damaligen Zeitpunkt völlig neu und bis heute klingt eigentlich keine andere Band so oder ähnlich. Dennoch mochte die Band nie so sehr den Vergleich, die Spielweise der E-Gitarren erinnere an Dudelsäcke. Gleichzeitig ist es nicht ganz von der Hand zu weisen, dass sie stellenweise tatsächlich so klingen bzw. dass die Musik eine erkennbar folkige Note aufweist. Wie ist in dem Zusammenhang die Beziehung Big Countrys zu traditioneller oder Folkmusik?
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(denkt nach) Einer der Gründe, weshalb die Band sich fand, war, weil wir ähnliche Hörgewohnheiten hatten. Wir alle hatten ein wenig Erfahrung mit Folk gehabt ..., hatten musikalisch sehr eklektische Hintergründe. Und die Art wie Stuart Songs schrieb, hatte eine sehr keltische Note, war sehr am Folk orientiert – aber in elektrifizierter Form. Thin Lizzy waren so ähnlich und Bands wie Horslips, die das Folkidiom als Basis für ihre Musik verwendeten. Diese Art von Musik übte eine Anziehungskraft auf uns aus, auf mich jedenfalls. Wir alle hatten diesen Hintergrund, und als wir uns zusammentaten, um unsere eigenen Sachen zu spielen, zog man diesen Vergleich, und es hatte einfach nur mit der Art und Weise zu tun, wie Bruce und Stuart ihre Gitarren spielten. Sie arbeiteten vor allem mit offenen Stimmungen und mit Borduntönen. Aber von dem Tag an, als irgendwer diese Dudelsackgitarren-Formulierung prägte, blieb die an uns hängen. Stuart regte sich immer darüber auf. Aber, ich denke, es hatte einfach nur damit zu tun, dass die Leute etwas brauchen, womit sie sich identifizieren können. Streng genommen, war es kein Folk, was wir machten, es war vielleicht Folk in dem Sinne, dass die Lieder in einem gemeinschaftlichen Geist entstanden. Es war kein Folk, aber es gefiel uns, dass man uns damit in Verbindung brachte. Und es ist ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber worauf Stuart eigentlich versessen war, war eher Country. Er verehrte Countrymusik ... Aber eigentlich wollen wir überhaupt nicht in eine bestimmte Schublade gesteckt werden. Es kam uns nur auf die Lieder an, und wenn die Lieder gut waren, hatten wir es immer selbst in der Hand, daraus etwas zu formen, das vor allem nach uns klang.
Keines der Bandmitglieder wurde in Schottland geboren, wenn ich das richtig sehe. Gleichzeitig gibt es kaum eine andere Rockband, die in vergleichbarer Weise als „schottisch“ wahrgenommen wird – abgesehen von Runrig vielleicht. Fans bringen schottische Flaggen mit zu den Konzerten, tragen Trikots der schottischen Fußballnationalmannschaft, auf der Final-Fling-Tour im Jahr 2000 hatte die komplette Band auf der Bühne selbst Kilts an ... Wie ist das Verhältnis Big Countrys zu Schottland?
Mein Großvater war Schotte. Stuarts Eltern waren Schotten, aber geboren wurde er in Manchester. Die Eltern von Bruce waren Schotten, aber er wurde in Timmins in Ontario geboren. Und Marks Vorfahren sind Polen, er hat also mit Schottland überhaupt nichts zu tun ... (lacht) Ich denke, die Leute identifizierten sich mit der „Scottishness“ der Band, offensichtlich wegen des Gitarrensounds und wegen Stuarts und Bruces Akzent. Damit hing das zusammen, dieser Bezug war nahe liegend. Besonders in Amerika war man fasziniert davon, wie die Gitarren klangen, und von der Art und Weise, wie sie gespielt wurden, denn man wusste dort nicht, wie man so etwas macht. Aus den Staaten kommen einige der besten Gitarristen der Welt, Ikonen der Gitarrenkunst, aber keiner von denen könnte jemals so spielen, wie Bruce und Stuart es taten. Deshalb war alles „schottisch, schottisch, schottisch“. Man fragte erst gar nicht danach, ob wir überhaupt aus Schottland kamen oder uns mit dem Land identifizierten. Wir hatten nicht wirklich ein Problem damit, aber ich denke wiederum auch hier, dass es damit zu tun hatte, dass die Leute einen Bezug brauchten, etwas, womit sie sich identifizieren konnten. Es machte mir nichts aus, es störte keinen von uns ...
Politik wiederum spielte schon immer eine Rolle bei Big Country, in den Liedern genauso wie in „Aktion“. Big Country waren die erste Band, die 1988 in einem Moskauer Stadion vor stehendem Publikum spielte, und auch die erste Band, die im selben Jahr eine Tour durch Russland absolvierte, die von einer Privatperson und nicht von staatlichen Organen organisiert wurde. Big Country spielten bei Live Aid, auf mehreren Friedensfestivals und unter anderem auch 1999 im verwüsteten Pristina im Kosovo. Die Band nahm sogar eine EP für Greenpeace auf, um gegen die Nutzung von Atomenergie zu protestieren ...
„Ich bringe nur eine Meinung zum Ausdruck und predige nicht irgendwas. Und deshalb würde ich sagen, dass die Art von Politik, mit der wir uns als Band beschäftigen, Politik mit einem kleinen ,p' ist.“ |
Diese Gesten machten wir gerne, denn die Politik, die uns interessiert, ist menschliche Politik. Alles, was in irgendeiner Weise den Weltfrieden fördert und dazu beiträgt, dass Menschen aufhören, sich gegenseitig umzubringen. Das sind Dinge, die wir voll und ganz unterstützen. Mit Parteipolitik wollen wir jedoch nichts zu tun haben. Jeder hat seine eigenen Gefühle und Gedanken, und es war uns schon immer klar, dass wir uns nicht auf die Kanzel stellen wollen, um den Leuten zu predigen. Ein Teil der Texte der neuen Lieder, die wir geschrieben haben, beschäftigt sich mit Dingen, die wir selbst augenblicklich erleben, Dinge, mit denen wir nicht unbedingt einverstanden sind, weil es Regierungen gibt, die uns Dinge aufzwingen wollen, für die wir sie nicht gewählt haben. Ich bringe nur eine Meinung zum Ausdruck und predige nicht irgendwas. Und deshalb würde ich sagen, dass die Art von Politik, mit der wir uns als Band beschäftigen, Politik mit einem kleinen „p“ ist.
Zum Abschluss noch einmal zurück zum Konzert heute Abend. Es ist das erste der Band in Deutschland seit siebeneinhalb Jahren. Wie, denkst du, werden die deutschen Fans reagieren?
Ich weiß nicht, ich denke, mit einiger Zurückhaltung ... Davon ist auszugehen. Die Leute haben eine so klare Vorstellung davon, wie Big Country waren. Wenn sie die Erfahrung machen, dass es jetzt irgendwie ganz anders ist, werden sie es schwierig finden, das zu akzeptieren. Und wir sind uns der Tatsache bewusst, dass wir den Leuten Zeit geben müssen, sich ihr eigenes Urteil zu bilden. Das ist auch einer der Gründe, warum wir das Konzert mit einem neuen Stück beginnen. Ich denke, es ist einfach gut, wenn sie die Band zum ersten Mal mit mir am Gesang hören, dass sie dies bei einem Lied tun, dass sie nicht kennen. Sie können sich dann erst mal auf meine Stimme einstellen. Man gönnte uns ja bereits den Luxus einiger Auftritte in Großbritannien, und die Berichte darüber verbreiteten sich überall im Internet, sodass die Leute, die jetzt zu den Konzerten kommen, nicht mehr das Gefühl haben, sie wissen nicht, worauf sie sich einlassen oder überrascht wären von irgendetwas Neuem. Dass wir jetzt auch auf dem europäischen Festland spielen, ist neu, und heute Abend ein Konzert in Deutschland zu geben, ist erst einmal nicht so einfach. Das Publikum will vermutlich sehen, zu was wir in der Lage sind und ob wir es immer noch schaffen, ihnen das Gleiche zu bieten wie vorher. Und ich würde sagen: Ja, bis zu einem gewissen Grad können wir das, aber man sollte auch darauf vorbereitet sein, dass es ein wenig anders sein wird ...
Ein Bericht zum Konzert Big Countrys in Köln findet sich in der Printausgabe 2/2008 des Folker!, Rubrik „Ortstermin“, S. 79.
Eine Liste der exklusiv auf der Folker!-Webseite erschienenen Artikel findet ihr im Archiv.
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