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Auswahldiskografie: |
Wüster Haarschopf, runde Nickelbrille, Latzhose - Klaus von Wrochem ist sich treu geblieben. Dabei sah zunächst alles nach einer bürgerlichen Existenz aus: Violinstudium in Köln, Jobs in diversen Sinfonieorchestern, Kompositionsstudium in den USA. Dort packten ihn Hippiekultur und die Proteste gegen den Vietnamkrieg. Zurück in Köln zog es den begabten Musiker nicht länger in die Konzertsäle, sondern raus auf die Straße. Als Klaus der Geiger bürstete er fortan mit rauem Ton das gesellschaftliche Establishment gegen den Strich, lebte in Bauwagen, Hüttendörfern und Kommunen, spielte gegen Krieg und Faschismus, Castortransporte und Wohnungsspekulanten. Inzwischen hat Deutschlands bekanntester Straßenmusiker zu seinen klassischen Wurzeln zurückgefunden und lässt sich Schostakowitsch, Bach und Bartók auf den Fingern zergehen.
Von Sylvia Systermans
Klaus, du hast fünf Jahre in den USA Geige und Komposition studiert. Anfang der 70er kamst du zurück nach Köln und führtest dein Violinstudium an der Kölner Musikhochschule in der Meisterklasse von Max Rostal weiter. Gute Voraussetzungen für eine beachtliche Solokarriere.
In den Vereinigten Staaten wollte ich ja erst mal die ganz normale akademische Karriere eines Geigers und Komponisten machen. Als ich zurückkam, habe ich diese Chance auf eine professionelle Laufbahn eigentlich schon gar nicht mehr gehabt - weil ich das nicht mehr wollte. Das war ja die Zeit der Antivietnamkriegs- und der Black-Panther-Bewegung, wo ich auch ein bisschen drin war. Dann bin ich Hippie geworden, und als ich zurückkam, war die Sache gegessen mit dieser systemimmanenten Stellung.
„Wir haben gespielt, und wenn wir fertig waren, waren die Leute am Diskutieren. Dann sind wir was trinken gegangen, und als wir zurückkamen, waren die immer noch am Diskutieren.“ |
Pauline Oliveros, deine Doktormutter in den USA, hat über deine Kehrtwende zur Straßenmusik nur den Kopf geschüttelt.
Ich hab’ alles hingeschmissen und bin in den Knast gekommen in Nürnberg. Wir hatten dort auf der Straße gespielt, da kam gleich die Polizei und hat gesagt: „Geht nicht, verboten.“ Wir haben die Leute gefragt: „Weiterspielen?“ Dann haben wir weitergespielt, die Bullen haben eingegriffen, und es gab eine Klopperei. Zack, waren wir in der Kiste. Offiziell ein halbes Jahr. Ich war so sauer, bin in den Hungerstreik getreten und hab’ gesagt: „Ich hör’ nicht eher auf, bis ich hier draußen bin.“ Habe Pauline Oliveros dann aus dem Knast geschrieben, und sie schrieb mir zurück: „Du bist ja selber schuld. Warum hast du das gemacht? Du hast im Grunde die Kultur verraten. Was willst du denn als Straßenmusiker mit politischen Liedern? Das hat doch nichts mit Kultur, mit Musik und Kunst zu tun.“
Musik als politikfreie Zone?
Ja, guck sie dir doch alle an. Bis auf ein paar Liedermacher, bei denen sieht’s ein bisschen anders aus. Aber auch nicht groß. Wo geht denn Konstantin Wecker hin? Der geht doch nur deswegen in den Irak, damit es das nächste Mal in der Zeitung steht. Mit Wolf Biermann hab’ ich mal zu tun gehabt. Da war damals hier in Köln die Schießerei, unter anderem mit Karlheinz Roth und Roland Otto. Dabei kamen zwei Menschen ums Leben, und Roth und Otto haben beide im Knast gesessen.
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