„Ich warte schon darauf, irgendwann nur noch als der Vater von Anoushka bezeichnet zu werden!“ Dies sagte kürzlich mit Humor, Respekt und Stolz der indische Sitarvirtuose Ravi Shankar, 87, über seine Tochter. Er kann gelassen auf den wachsenden Erfolg der Sitarspielerin, Keyboarderin, Komponistin und Dirigentin schauen, schließlich hat sie ihr Handwerk bei ihm gelernt, und niemand stellt eine Sonne in den Schatten. Ravi Shankar hat sich mehr als jeder andere darum verdient gemacht, indische Musik in die Welt zu tragen, ein Pionier der Weltmusik. Karsh Kale konnte nicht mit so einem großen Namen klappern, er musste sich alleine auf sein Handwerk verlassen. Der Multiinstrumentalist versteht das seine offenbar, denn er hat nicht nur mehrere Alben unter eigenem Namen veröffentlicht, er ist auch als Produzent sehr begehrt. Nun haben die beiden, die schon optisch ein Traumpaar sind, erstmals gemeinsam ein Album gemacht. Breathing Under Water heißt es, ein knackiges World-Indo-Pop-Gemisch, mit opulenten Streichern an feinen Nuancen, mit ohrschmeichelnden Melodien an tanzbaren Beats, mit superben Sitarsoli an vertrackten Tablagrooves. Und mit Norah Jones, Ravi Shankar und Sting als Gästen. Anoushka Shankar und Karsh Kale standen beim Folker!-Gespräch Rede und Antwort. Von Luigi Lauer |
Aufgewachsen im Westen als Kinder indischer Eltern ist eure musikalische Sozialisation ja durchaus vergleichbar. Habt ihr das Gefühl einer gemeinsamen musikalischen Sprache?
Karsh Kale, 32, geboren in London, wächst auf in Stony Brook, New York. Er beginnt in jungen Jahren mit Schlagzeug und indischer Percussion und mischt dies bald mit modernen elektronischen Sounds, mit Rock, Pop, Techno und Drum-’n’-Bass. Vor allem die elektronische Verfremdung von Tablas wird sein Markenzeichen. Als Musiker, Programmierer oder Produzent wird er unter anderem für Pharaoh Sanders, Herbie Hancock, Bootsy Collins und Bill Laswell aktiv und produziert und veröffentlicht mehrere Alben unter seinem eigenen Namen, auf denen er auch als Multiinstrumentalist in Erscheinung tritt. Er ist an der Seite von Talvin Singh, Trilok Gurtu und Zakir Hussain Mitglied von Bill Laswells Tabla Beat Science, einer Asian-Underground-Band. Karsh Kale lebt in New York City und arbeitet derzeit an einer Filmmusik. Auswahldiskografie: Pause (Mighty Junn Records, 1998) Tala Matrix (mit Tabla Beat Science; Palm Pictures/Axiom, 2001) Realize (Six Degrees Records, 2001) Liberation (Six Degrees Records, 2003) Broken English (Six Degrees Records, 2006) Breathing Under Water (mit Anoushka Shankar; Manhattan Records/EMI, 2007) www.karshkale.com |
Shankar: Ja und nein. Was wir vermutlich gemeinsam haben, ist gerade, dass wir beide zwischen zwei Welten existieren und in mehr als nur einem Musikstil kommunizieren können. Das ist ein wesentlicher Punkt. Für mich kommt indische Musik zuerst, aus ihr beziehe ich meine Inspiration, denn da liegen meine Wurzeln und von da aus kann ich als Musikerin experimentieren. Karsh kennt sich da ebenfalls exzellent aus, obwohl ich nicht sagen würde, dass wir aus derselben musikalischen Ecke kommen. Im Gegenteil, wir kommen sogar aus entgegengesetzten Richtungen.
„Üblicherweise ist sehr viel Ego im Spiel, wenn zwei Künstler zusammenarbeiten.“ (Karsh Kale) |
Kale: Das machte ja gerade den Reiz aus, dass wir uns gegenseitig inspirieren konnten mit der uns jeweils vertrauten Musik. Wir kamen nicht von einem gemeinsamen musikalischen Ort, sondern trafen uns an einem und brachten unsere Erfahrungen ein, natürlich auch unseren Geschmack, unsere Vorlieben.
Shankar: Es ist halt ein gemeinschaftliches Album. Viele Sachen waren völlig fremd für mich, manches wuchs mir auch über den Kopf, und ich habe einiges bis heute nicht begriffen. Karsh ging es genau so. Es war ein gegenseitiger Lern- und Fortbildungsprozess nötig, um die Geschichte ans Laufen zu kriegen.
Ihr beide kennt euch schon viele Jahre, und trotzdem erscheint erst jetzt ein gemeinsames Projekt.
Shankar: Das kannst du fast jeden Musiker fragen, den wir kennen! Eigentlich sind wir darüber gestolpert. Einer der Koproduzenten des Albums, Gaurav Raina, zu dem wir beide ein enges Verhältnis haben, brachte die Geschichte dann letztlich ins Rollen. Wir beide verbrachten einige Zeit mit ihm, unabhängig voneinander, trafen uns dadurch aber des Öfteren und entschieden, aus Spaß ein bisschen Musik zusammen zu machen. So fing es an.
„Ich vergleiche mich musikalisch auch überhaupt nicht, ich bin glücklich mit dem, was ich mache, und mein Publikum ist toll.“ (Anoushka Shankar) |
Kale: Ja, richtig. Es war mehr so, dass wir irgendwann dachten, es sei eine gute Idee. Wir hatten schon gelegentlich miteinander gearbeitet und ein paar Sachen geschrieben, und es wurde irgendwann klar, dass wir das ausbauen und ein Album fertigstellen sollten.
Anoushka, die CD dürfte sich ja ziemlich von dem unterscheiden, was du bisher gemacht hast.
Shankar: Völlig! (lacht) Völlig anders. Ich habe bislang nur ein Album gemacht, das nicht klassische Sitarmusik zum Gegenstand hatte, doch auch das ist ganz anders. Diesmal war alles viel mehr an Liedern orientiert, es ist meine erste Erfahrung mit westlichen Akkordstrukturen, mit englischen Texten oder zum Beispiel der Arbeit mit einem Streichorchester. Es ist wohl mein bislang ambitioniertestes Projekt.
War es dir wichtig, Mitproduzentin des Albums zu sein?
Shankar: Schon, denn es ist etwas Neues für mich. Breathing Under Water ist erst das zweite Album, das ich produziere oder koproduziere, obwohl ich insgesamt schon fünf gemacht habe. Es ist schon großartig, diese künstlerische Freiheit zu haben und auch die Kontrolle über das, was man macht. Es bereitet mir definitiv Freude, das weiterzuverfolgen, zu vertiefen.
|
|
|
|
Interesse? Dann brauchst Du die
Zeitschrift! |
Mehr über Indian Summer
|