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Jenna Bågeberg und Henri Stenroth

Die nationale Seele seufzt in Moll

Finnischer Tango

Ein Phänomen zwischen Nostalgie und Parodie hart am Polarkreis

Auswahldiscographie:

Harri Kaitila
Schicksalstango - Finnischer Tango auf Deutsch

(ABLE-music, 2000)
Tango Classica
(Danza Y Movimiento, 2002)

M. A. Numminen/S. Pietäinen
Finnischer Tango
(Trikont, 2004)

M. A. Numminen
Singt Heinrich Heine
(Trikont, 2006)

Literatur:
Pirjo Kukkonen, Tango Nostalgia - The
Language of Love and Longing
, Helsinki:
Helsinki University Press, 1996.
M. A. Numminen, Tango ist meine Leidenschaft,
Frankfurt a. M.: Haffmanns bei
Zweitausendeins, 2003.

Der nächste Tangomarkkinat in Seinäjoki
findet vom 9.-13.7.2008 statt.

go! www.tangomarkkinat.fi
go! www.finnkultur.de/harri-kaitila
go! www.satumaa.de

Portugal hat den Fado, die Andalusier haben den Flamenco und die Argentinier ihren Tango - samt aller Klischees von Liebe, Laster, Leidenschaft. „Unsere Tangotexte sind traurig“, sagt einer der populärsten und zugleich skurrilsten Vertreter des Finn-Tangos, M. A. Numminen, in einem Interview. „Je trauriger der Text ist, desto glücklicher sind wir Finnen. Unser Glück finden wir im Unglück.“ Prompt fragt er sich 2004 über 21 Tracks Harri Kaitila und mit Beistand der 1997 gekürten Tangoprinzessin, Sanna Pietiäinen: Onko Onni Unta Vain? - Ist das Glück nur ein Traum?

Von Cathrin Alisch

Was also den Portugiesen ihre saudade ist, lieben die Finnen konzentriert im Begriff kaiho - die ganz große Wehmut, Weltschmerz, Sehnsucht; wer möchte, kann auch Melancholie im weitesten Sinne sagen. „Weit“ und „leer“ sind ohnehin schaurig-schön verwunschene Metaphern. Der Komponist, Unto Mononen, eine Legende in der finnischen Tangowelt, der selbst ein geradezu bezeichnendes Schicksal erlebte - oder besser: erlitt -, übersetzte das geliebte tragische Grundgefühl seiner Landsleute „Ach, wenn ich doch nur einmal fort in das Märchenland könnte ...“ in Musik und schuf damit den Klassiker der Gattung finnischer Tango schlechthin: Tangostraße beim Tangomarkkinat in Seinäjoki „Satumaa“. Das bedeutet „Märchenland“ und gilt bis heute als inoffizielle Nationalhymne der Finnen.

Historie, Lieder und Legenden

Die eigentliche Geburtsstunde schlug dem Finn-Tango genau am 2. November 1913, um zwei Uhr nachmittags, als der argentinische Modetanz, von europäischen Auswanderern hervorgebracht, wieder nordeuropäischen Boden betrat, genauer gesagt, den des Apollo-Theaters in Helsinki. Dort wurzelte er und trieb ruhigere Ableger, die sich langsam ihren Weg durch die leicht abgedunkelte, scheinbar kühlere Gemütslandschaft bahnten. Der tatsächliche Satumaa Durchbruch gelang erst während des Zweiten Weltkriegs - quasi direkt aus den Schützengräben heraus und seitdem nicht zufällig in der Vermischung mit russischen Romanzen und deutscher Marschmusik. Das argentinische Original war finnlandisiert worden: Moll statt Dur, Akkordeon statt Bandoneon und Text vor Tanz. Bedeutend sind die Lieder, weniger die Bewegungen. Während Paris, New York und Berlin lange überhaupt keine Notiz vom nordischen Verwandten des argentinischen Exportschlagers nahmen, avancierte er in Finnland selbst spätestens seit den 60er Jahren flächendeckend und diagonal durch alle Schichten zur Nationalmusik.


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im Folker! 6/2007