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Fasia und Joan Baez 1966

„Fasia, sing ma’ wat!“

oder Die Stimme der Entrechteten

Zum zehnten Todestag von Fasia Jansen (1929-1997)

Portrait CD-Tipp:
Fasia - Portrait

(pläne, 1976/1999)


 
 
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Die einen zerbrechen an ihrem Schicksal, verlieren den Mut, resignieren irgendwann, um sich schließlich zu verkriechen. Andere hingegen - und das sind die Kämpfernaturen - verwandeln ihre Qualen, ihren Schmerz, ihre Demütigungen und die daraus resultierende Wut in Energie, die sie, im besten Falle, in den Dienst einer gerechten Sache stellen. Zu letzterer Gattung zählte ganz ohne Zweifel die Protest- und Volkssängerin Fasia Jansen, deren Todestag sich im Dezember zum zehnten Mal jährt.

Von Kai Engelke

„Schenk mir deine Wut, ich kann sie gebrauchen“, sang der Ruhrpottliedermacher Frank Baier - zwar in anderem Zusammenhang, doch hätte Fasia beim Hungerstreik der Hoesch-Frauen in Dortmund 1981 er auch gerade Fasia im Sinn haben können, mit der er mehr als einmal vor den Werkstoren von Krupp, Hoesch oder Thyssen auftrat, um sich mit den dort Streikenden zu solidarisieren. Ihre Freundin Petra Eberhardt schrieb: „Und sie sang im strömenden Regen als die Hoesch-Frauen in Dortmund für den Erhalt der Arbeitsplätze ihrer Männer kämpften, bis die Gitarre vor Nässe den Geist aufgab. Sie freute sich riesig, als die Hoesch-Arbeiter ihr eine neue Gitarre schenkten. Sie, die in ihrem Leben schon so viel gehungert hatte, beteiligte sich auch an dem tagelangen Hungerstreik der Fasia 1997 Hoesch-Frauen. Später berichtete sie lachend, worüber sie dabei am liebsten und längsten gesprochen hatte: vom Essen, von Bratkartoffeln und Sülze.“

„Sie hat uns dazu gebracht, dass wir Dinge taten, die wir uns vorher nie zugetraut hatten“, ließ die Hoesch-Frauen-Initiative verlauten. Ihre Lieder waren für die kleine Frau mit der großen Stimme weniger Kunstprodukt als vielmehr brauchbare Mittel zum guten Zweck. „Meine Lieder waren und sind für mich ein Mittel, mich am Leben zu halten und meine Würde als Frau, als schwarze Frau, zu behaupten“, schrieb sie einmal. Zwar zählte sie, die man Fasia bei einem Kinderfest in Oberhausen-Eisenheim auch die „Stimme der Entrechteten“ nannte, zu den bekanntesten und damit prominentesten Gesichtern der damaligen Ostermarschbewegung, und ihr Lied „Verbrannte Erde in Deutschland“ („Feuer! Vorsicht, man legt Feuer!“) avancierte zu einer regelrechten Hymne des linken Widerstandes ab Mitte der 60er Jahre, doch Allüren jeglicher Art waren ihr fremd, ein Star war sie nicht und wollte sie nicht sein. Sie blieb lieber bei den Menschen, reihte sich ein, wollte eine von allen sein.

„Wir wollten Frieden“

„Da standen wir nun mit unserem Transparent ‚Ostermarsch der Atomwaffengegner‘ auf der Wiese“, schrieb sie, „und plötzlich riefen einige ‚Fasia, sing ma’ wat!‘ Und da fiel mir ein Lied ein ...“ Schon damals bewies sie Weitsicht und Vernunft, indem sie sich keineswegs ausschließlich gegen die Bedrohung aus nur einer Himmelsrichtung aussprach, sondern vielmehr bewusst alle Waffen geißelte:

Fasia mit den Conrads auf Burg Waldeck 1965

„Marschieren wir gegen den Osten? Nein!
Marschieren wir gegen den Westen? Nein!
Wir marschieren für die Welt,
Die von Waffen nichts mehr hält,
Denn das ist für uns am besten.“

(Aus „Unser Marsch ist eine gute Sache“, Text und Musik: Hannes Stütz; gesungen von Fasia, Oberhausen 1964)

Dieses Lied „drückt aus, was wir wollten“, schrieb Fasia: „weder gegen den Osten noch gegen den Westen zu marschieren. Wir wollten, dass abgerüstet wird. Wir wollten Frieden. Das war einfach, das verstanden

MARIN ACHENBACH
Fasia - geliebte Rebellin
Mit Beiträgen u. a. von Hannes Wader, Dieter Süverkrüp, Franz Josef Degenhardt, Frank Baier

Oberhausen: assoverlag (go! www.assoverlag.de)
304 S, plus CD mit 22 Tracks
ISBN 3-92154194-8

Eigentlich wollte Fasia Jansen dieses Buch selbst schreiben. Das war ihr Plan, darauf hat sie hingearbeitet, jahrelang. Sie sammelte nahezu alles, was ihr Leben, in welcher Weise auch immer, dokumentierte: Photos, Briefe, Manuskripte, Zeitungsausschnitte, Notizen, Entwürfe, Tagebuchaufzeichnungen - und vieles mehr. Sie wusste: Aus der Fülle der Momentaufnahmen kann ein Mosaik des Ganzen entstehen. Und sie wusste ebenso: Ihr Leben war etwas Besonderes und stand gleichzeitig stellvertretend für all die Benachteiligten, zur Seite Gedrängten, Missachteten, Vergessenen. Und genau das wollte sie festhalten, um es allen zu zeigen. Nicht etwa aus Eitelkeit, sondern aus purer Menschenfreundlichkeit. Das kann, das muss jeder so sehen, der sich auch nur ansatzweise mit Leben und Werk dieser außergewöhnlichen Frau beschäftigt.

Sie schaffte es nicht mehr, dieses Buch zusammenzustellen, der Tod kam ihr zuvor. Und so waren es die Freunde und Freundinnen, die unter der Federführung von Marina Achenbach Fasias Lebenswerk vollendeten, indem sie ein mehr als beeindruckendes Buch erarbeiteten.

Fasia - geliebte Rebellin ist Dokumentation, Biographie, Geschichts- und Geschichtenbuch, Bilder- und Anekdotenbuch, Lieder- und Handbuch - alles in einem. Die beigefügte CD (aus dem pläne-Verlag) komplettiert dieses liebenswerte und gleichermaßen notwendige Erinnerungswerk.

Chronologisch erzählen die Autoren Fasias Leben als Geächtete, als leidenschaftliche Sängerin und als unermüdliche Aktivistin. Das Buch zeigt anschaulich, dass die Protestsängerin Fasia Jansen sich nicht nur gegen etwas engagierte (Wiederbewaffnung, schamlose Ausnutzug der Frauen, Arbeitsplatzverlust), sondern dass sie vor allem für den Frieden kämpfte, für die Frauen, für die Gewerkschaften, für eine bessere, gerechtere Welt. Sie arbeitete oft und gern mit Kindern. Das Buch vereint das Private mit dem Öffentlichen und lenkt gleichzeitig den Blick vom Detail auf die Gesamtheit.

Bemerkenswert ist nicht nur die Fülle des Inhalts, für den die politisch motivierte Publizistin und Dokumentarfilmerin Marina Achenbach verantwortlich zeichnet, sondern auch die wirklich hervorragende graphische Gestaltung durch den jungen Kommunikationsdesigner Henning Lederer.

Kai Engelke

Erhältlich über Fasia-Jansen-Stiftung e. V., Martin Heix-Platz 3, 46045 Oberhausen,
Tel./Fax 0208-802356, eMail:go! fasia-jansen-stiftung@fasia.de

 

MARIN ACHENBACH - Fasia - geliebte Rebellin


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im Folker! 6/2007