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Kein Ende abzusehen

Chuck Prophet

Chuck Prophet

Zum neuen Album Soap And Water erzählt das ehemalige Green-On-Red-Gitarrenwunderkind aus seinem bewegten Leben

Discographie:
Mit Green On Red
Gas Food Lodging
(Enigma, 1985)
The Killer Inside Me
(Mercury, 1987)
Here Come The Snakes
(Mercury, 1988)
This Time Around
(Mercury, 1989)
Scapegoats
(China, 1991)
Too Much Fun
(Off Beat, 1992)
Valley Fever - Live At The Rialto Tucson, AZ

(Blue Rose, 2006)
Soap And Water
Solo
Brother Aldo
(Fire, 1990)
Balinese Dancer
(China, 1992)
Feast Of Hearts
(WEA, 1995)
Homemade Blood
(Cooking Vinyl, 1997)
The Hurting Business
(Cooking Vinyl, 1999)
No Other Love
(New West, 2002)
Age Of Miracles
(Canada, 2004)
Soap And Water
(Cooking Vinyl, 2007)
go! www.chuckprophet.com

Der ernst zu nehmende Singer/Songwriter beschäftigt sich im Unterschied zum Popstar auch mit der Realität, dem wirklichen Leben, der Wahrheit hinter den Ausflüchten, Fassaden, Ablenkungsmanövern. Er hat kein Problem damit, nach Familiengeschichte, Jugendjahren, Ehealltag gefragt zu werden, und mauert auch nicht mit Antworten: In ernst zu nehmenden Songs geht es schließlich auch um nichts anderes ...

Von Christian Beck

„Naaa, aah, na, aah ... ich weiß nicht“, windet sich Chuck Prophet zunächst auf das Stichwort „Es ist sicherlich kein fröhliches Album!“. Versucht mit einem frechen, aber doch untauglichen „Ich finde, es ist so optimistisch wie ein Film von Cassavetes“ die Flucht nach vorn. Und lenkt ein: „Ich weiß inzwischen, dass es sich nicht in Wohlgefallen auflöst. Das ist mir in den letzten Tagen klar geworden. Es gibt am Ende keine Lösung, kein Happy End oder so, eigentlich gibt es überhaupt kein Ende.“

Wie im wirklichen Leben, Gott sei Dank - ein für einen Künstler von Chuck Prophets Gemüt und Geschichte, von der Kindheit in der depressiven Familie bis zu den üblichen Fährnissen des Großen Rock ’n’ Rollums inklusive Sex und Drugs, wohl gar nicht zu unterschätzender Erfolg. Dass der Kalifornier die Kurve gekriegt hat, spricht ebenso für ihn wie seine musikalischen Ruhmestaten seit dem Einstieg bei Green On Red als 20-jähriger Neuling vor 22 Jahren. Und wie er sich damit eingerichtet hat, trotz seiner in höchsten Chuck Prophet Tönen gerühmten Qualitäten karrieretechnisch letztlich nur einer von ziemlich vielen zu sein, adelt ihn zusätzlich.

Chuck Prophet ficht es überhaupt nicht an, dass er trotz reichlich künstlerischen Ruhms nicht die Nummer eins ist. Immerhin hat die tatsächliche Nummer eins - Bob Dylan - schon von ihm gehört. Und dazu sogar von seinen Qualitäten, wie ihr Besitzer, noch bevor er beim Interview auch nur ein einziges Wort über sich selbst erzählt hat, sogleich kichernd und feixend zum Besten gibt. Traf sein ehemaliger Drummer Winston Watson vor ein paar Jahren in Los Angeles den großen alten Mann der Americana, für den er sein Schlagzeug auch schon mehrere Jahre regelrecht um die Welt geprügelt hatte. Dylan, gerade dabei, Ersatz für seine Gitarristen Charlie Sexton und Larry Campbell zu finden, erkundigte sich nach Watsons Beschäftigungslage: „Und - hast du zu spielen?“ - „Jaaaa ... ich spiele. Nicht genug, aber hier und da ...“ - „Spielst du noch mit dem Prediger?“ - „Wie bitte?“ - „Spielst du noch mit dem Prediger?“ - „Ich, ähm ... - oooh, du meinst Chuck Prophet!? Der ist kein Prediger ...“ - „Oh - er ist kein Prediger?“ - „Nein, nein, der ist kein Prediger.“ - „Oh - kein Prediger. Aber er ist gut, oder?“ - „Ja, er ist gut ...“ - „Ja. Er ist gut, oder?“

Zeichnung: Imke Staats

Die Babys brauchen neue Schuhe

„Er ist gut?“ Das kannst du wohl laut sagen, Sprachrohr deiner Generation! Nicht nur als Gitarrist. Aber auch als solcher würde er zum Beispiel in deiner Never Ending Tour Band mit Sicherheit eine bessere Figur abgeben als die Flitzpiepen, die dort seit zwei, drei Jahren Dienst nach Vorschrift tun. Er hat Feuer. Das Feuer des Rock ’n’ Roll. Des Funk. Des Soul. Kann selbst auf der Akustischen ganz alleine komplette Bands zur jeweils passenden Untermalung seiner schrägen Geschichten in Stellung bringen. Und sich genauso gut zurücknehmen und, ohne mit der Wimper zu zucken, verdienstvoll in den Dienst anderer stellen: bei Green On Red etwa, die den Neuling in den frühen 80ern stante pede in die erste Liga katapultierten; bei Kelly Willis, deren aktuelles Album er nicht nur produzierte, sondern auch mit schrieb und einspielte; beigo! Warren Zevon, go! Bob Neuwirth, go! Jonathan Richman, go! Cake. Dass bei Bob Dylan bisher nur sein Name angekommen zu sein scheint, und selbst der noch verquer als eine Berufung, die ihn nicht ereilt hat, ist ihm ein herzhaftes Lachen wert - echt und ohne jede Bitterkeit.

Dabei könnte Chuck Prophet die Fürsprache Erfolgreicherer oder gar einen Job zumindest finanziell gut gebrauchen: „Die Babys brauchen neue Schuhe“, nennt er das Problem beim Akustik-Solo-Konzert im Berlin-Guitars-Laden (s. a. Beitrag im „Heimspiel“ in diesem Heft, S. 37) am Abend. Und auch beim Gespräch am Nachmittag war das Thema schon angeklungen. „Vergangenes Jahr war ein bisschen traurig“, hatte Prophet da auf die Frage nach beruflichen Alternativen zur Musik zu Jugendzeiten sinniert. „Mein Vater hatte einen kleinen Schlaganfall, und als er merkte, wie ihn sein Gedächtnis im Stich zu lassen begann, verkaufte er heimlich sein Geschäft. Er war so eine Art Mittelsmann zwischen Druckereien und Magazinen, hatte ein paar sehr gute Umsätze gemacht, und ich hatte immer gedacht, sogar als Teenager, vielleicht übernehme ich sein Geschäft. Selbst letztes Jahr dachte ich noch mal darüber nach - ich hatte eine finanzielle Durststrecke, versuchte ein paar Schulden abzuzahlen, es war ein etwas anstrengendes Jahr, ich war ein bisschen niedergeschlagen und ernüchtert, und ähm ..., ja, er verkaufte heimlich sein Geschäft ...“


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