Nimmt man die Kriterien der Weltbank, gehört Mali zu den ärmsten Ländern der Erde. Doch auf Mali trifft in besonderem Maße zu, was Youssou N’Dour 2004 anlässlich der Entgegennahme des UNESCO-Musikpreises über Afrika im Allgemeinen sagte: „Wir sind zwar ökonomisch arm, aber kulturell sehr reich.“ Dass sich die wirtschaftliche Armut in Afrika zuverlässig mehrt, dafür sorgt unter anderen die Weltbank selbst. Dafür, dass sich der musikalische Reichtum Malis mehrt, sorgt in besonderer Weise Habib Koité. Er repräsentiert die Vielfalt seiner Heimat fast im Alleingang. Koité ist ein Singer/Songwriter, der anscheinend mühelos ethnisch oder regional bedingte musikalische Eigenheiten miteinander verwebt und seine Ideen in einer Weise umsetzt, die in Afrika wie im Westen gleichermaßen gut ankommt. Auch inhaltlich ist Koité ein echter Grenzverweigerer, Kritik oder gute Ratschläge verteilt er großzügig an alle Lager. Laut braucht der sanfte Barde dafür nicht zu werden, denn zumindest in Afrika kann er sicher sein: Auf einen Griot hört man. |
Von Luigi Lauer
„Ein Volk, ein Ziel, ein Glaube“, so steht es im Nationalwappen von Mali geschrieben. Das war wohl eher Wunschvorstellung, als das Wappen 1973 eingeführt wurde, 13 Jahre nach der Unabhängigkeit von Frankreich. Denn niemand mehr als die Malier selbst unterscheidet so haargenau zwischen Volksgruppen wie Bambara und Malinke, Peulh und Dogon, Tuareg und Songhai – oft mit durchaus wertendem Charakter. Ein Volk ist man vielleicht, wenn die Fußballnationalmannschaft spielt, und auch nur dann ist man sich in den Zielen einig. Was den Glauben betrifft – das passt schon eher, 90% sind Muslime, ganz überwiegend in einer zwar wertkonservativen, aber gemäßigten Ausprägung. Ein Schelm, der auf die Idee kam, in das Wappen die berühmte Moschee von Djenné einzufügen und darüber einen Geier kreisen zu lassen. Aber immer noch besser als eine F-16.
Auch Habib Koité, Jahrgang 1958, ist Muslim. Er wuchs in Kayes auf, einer Kleinstadt im äußersten Westen Malis, nahe der senegalesischen Grenze. Das Griot-Dasein ist ihm in die Wiege gelegt, denn Koité (spricht sich „Koaté“) ist nur eine andere Schreibweise von Kouyaté, und die Kouyatés bilden das höchste Glied der Kaste, sie sind die Noblen unter den Griots. Habib Koité weiß, dass auch die mindestens tausend Jahre alte Kultur der Griots, die neben ihren Fähigkeiten als musizierende Genealogen zahlreiche Funktionen im öffentlichen Leben bekleiden, kein Bestandsrecht per se besitzt – so was glaubt man heute nur noch in Rom. Habib Koité formuliert sehr diplomatisch, auch das gehört zur Kunstfertigkeit seines Standes, wie die Griots sich in geänderte gesellschaftliche Bedingungen einfügen: „Die Rolle der Griots heute hat sich nicht geändert, aber entwickelt. Früher waren wir ja im Dienst des Königs und der Adligen. Das ist heute natürlich so nicht mehr der Fall. Aber eine Hochzeit oder eine Geburt ohne einen Griot ist auch heute nicht denkbar. Insofern ist eine Kontinuität in der Rolle des Griots vorhanden. Im Protokoll, oder sagen wir, in der Kommunikation zwischen den Menschen, etwa bei einer Beerdigung oder der Schlichtung eines Streitfalles, ist es immer noch der Griot, der in und zur Öffentlichkeit spricht. Heute ist der Griot also nicht mehr so sehr ein Mann des Königs oder der Noblen, sondern des Volkes.“
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