Der sizilianische Pizzabäcker aus Kirgisistan hat unlängst dicht gemacht. Das Thai-Fresslokal, bis letzte Woche gähnend leer, hat „vorübergähend geschlosen“ (handschriftlich filzgekrickelt auf einem Bierdeckel am Fenster). Was boomt, ist einzig die Filiale der dunkelgrüngelben Belegtes-Brot-Kette, die im teuersten Ladenlokal der Gegend residiert. Zwei Straßen weiter prangt schon die nächste Niederlassung, durch illuminierte Wegweiser angekündigt. Ringsum zieren ihre buntbedruckten To-Go-Becher mit Saughalm die Mauervorsprüngen und Motorhauben. Im Verdrängungskampf um Gewerbeflächen können ortstypische Kartoffelstiftbräter, Dönerkarussells und Fischfrittierer (Westvariante für das „Gastmahl des Meeres“) nicht mithalten.
Mal nachrechnen: Die nehmen für ein belegtes Brot plus Kaltgetränk (ein Gitsch Colaschaum auf Eisbrocken) 4,99 Euro, und das ist schon „Tagesmenü“ und wär’ normal um nicht weniger als 6,99 Euro feil. Doch selbst für den Menüpreis ließen sich (mindestens) fünf Aufbackbaguettes und zwei Räuchermakrelen erstehen, zünftig zwiebeln & buttern, mit buntem Pfeffer, Salatblatt & Mayo aufpeppen, dazu die Literflasche Billigcola obendrein. Trotzdem wimmelt die Toastfiliale von Kundschaft. Wieso können die sich das leisten? Am liebsten würde ich, wenn ich mit meinen zwei Fischen, fünf Broten vom Markt komme, die Fünftausend von Betsaida wie Jesus zur Speisung herausbitten. Hasspredigt inklusive.
Ein Problem ist, dass keiner mehr weiß, wie man kocht, geschweige denn ein Brot schmiert. Ihre ersten Milliönchen haben die Kettenbesitzer in New Yorker U-Bahn-Stationen gemacht. „Metro“ war schon vergeben, „Underground“ klingt weniger appetitlich. Aber wieso heißt bei denen das, was Toastschnitten zu Individualmenüs machen soll, „sub“? Das steht doch in schreiendem Widerspruch mit dem Vorstellungsgehalt vom Belag, der bekanntlich (Wurstlappen oder Emmentaler) immer obenauf ist. Ein „Sub“ bestellen hieße demnach, die flache Hand über den Tresen halten, von weißbemützten Uniformmädchen dick Margarine und Fleischsalat draufgebatzt kriegen, dazu noch Tomatenschnitz nebst Ruccola und das Ganze mit einer glühend heißen Toastscheibe abdeckeln: Wohl bekomm’s! Dass der substantivierte „Sub“ sonst nur in der Sado-Maso-Szene kursiert, wundert mich nicht.
Aber die Kunden fühlen sich wie im Ritz und können hier sogar die Freundin regalieren, die es im „etwas anderen Restaurant“ mit dem Fleischklops-Kinderpipi-Aroma zu proll fände. Mich würde schon die Penetranz der Schilder stören, die mich duzen: „Hol dir dein ... Stell selber zusammen, was ... Gib dir Saures ...“ Andererseits, warm und trocken am Imbisstisch ist man immerhin im Komforteil gegenüber den Unbehausten in der Fußgängerzone, die (als wären sie allesamt Freigänger einer Diätklinik mit knallhartem Domina-Personal) im Laufschritt Sandwichtürme ins Gehege ihrer Zähne schieben, bis der Ketchup mit gehackten Gurkenscheiben an den Mundwinkeln herausquillt. Ganz abgesehen von jungen Leuten, die sich schon vormittags stieren Blicks an offenen Bierflaschen festhalten müssen, um nicht ins Taumeln zu geraten. Zwar finden sie, seit die Privatisierung des öffentlichen Raums voranschreitet, kaum noch ein ruhiges Plätzchen in Einkaufscenter, Hauptbahnhof oder B-Ebene: nirgends mehr Sitzbänke (oder nur von der Firma Prokrustes entworfene), keine unbeleuchteten Ecken, nicht mal Ablagen (Mülleimer laufen neuerdings pyramidalisch nach oben zu und durch ihre Schlitze passen nur ganz kleine Eierhandgranaten), das martialisch unifomierte Wachpersonal macht Hunde scharf auf jeden, der sich außerhalb lizenzierter Free-Flow-Restaurants Flüssignahrung reinzieht.
Wenigstens ist die musikalische Grundversorgung gesichert. Neuseeland macht den Anfang. Aus Nelson kam kürzlich die Nachricht, man werde demnächst „Sammelplätze junger Rowdys“ mit Lautsprechern beschallen. Die Geheimwaffe: Barry Manilow. „Copacabana“, „Mandy“, alle 25 Tophits rauf und runter ... „Easy-Listening-Musik soll die jungen Unruhestifter vertreiben“, hofft die neuseeländische Polizei. Nach dieser Methode haben schon US-Truppen den Diktator von Panama aus seinem Palast gedröhnt. Die Mord Zwo in Adelheid und ihre Mörder kennt es als Azzurro-Folter (wie rechnet das eigentlich die GEMA ab?). Kann aber auch ins Gegenteil umschlagen: Mehr davon, zum Chill-out ein paar Takte Manilow, warum nicht? Künftig heißt es also: Ohren auf im Straßenverzehr. Musik gibt’s gratis als Beilage ...
Nikolaus Gatter
www.lesefrucht.de
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