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„Nicht nur anstrengend“

Ein Sender wird angepasst

radiomultikulti drei Jahre nach dem Umbau

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Die Qualität des Journalismus in Deutschland ist in den letzten Jahren unter Druck geraten: Gefühle sind zu Ungunsten von Inhalten in den Vordergrund gerückt, Quoten und Auflagenhöhen haben einen Stellenwert bekommen wie der Quartalsbericht börsennotierter Unternehmen, und Programmreformen bei allen ARD-Anstalten haben Mittelkürzungen umgesetzt und Inhalte geglättet. Auch die 1994 in Berlin gegründete RBB-Welle radiomultikulti vollzog 2004 die Wende und wurde für die Zeit von 6 bis 17 Uhr ausschließlich zum Tagesbegleitprogramm, dessen Sendeplätze kaum mehr unterscheidbar sind - noch ein Radiosender also, der den ganzen Tag über im Hintergrund hörbar sein soll. Grund genug, Wellenchefin Ilona Marenbach und Musikchef Tobias Maier zum Erfolg dieses Umschwungs, zur Balance der Zielgruppen und zur Gratwanderung zwischen Anspruch und Quote zu befragen.

Von Sabine Froese

Frau Marenbach, Sie sind seit 2003 Chefredakteurin von radiomultikulti, dem Weltmusikprogramm des RBB. Mit welchem Konzept sind Sie angetreten, und was halten Sie für die größten Veränderungen seither?

Ilona Marenbach

Ilona Marenbach: Das Konzept haben wir gemeinsam entwickelt. Es basiert auf der Erkenntnis, dass radiomultikulti-Hörer - wie die meisten anderen Hörer auch - einschalten, weil sie die Musik mögen. Sie schalten aber auch in erster Linie wegen der Musik wieder ab. Wir hatten zwar auf der einen Seite mit unserer Musik ein einzigartiges Angebot, was es sonst nirgendwo gibt, aber wir schafften es nicht, damit den eingeschworenen kleinen Kreis der ohnehin schon fest auf Weltmusik abonnierten Hörer zu vergrößern. Wir sind 2004 von einem relativ engen Weltmusikbegriff etwas in die Breite gegangen und haben versucht, mit der Erhöhung des Popmusikanteils auch mehr Leute für das Tagesbegleitprogramm zu gewinnen. Wir haben auch am Tagesprogramm einiges verändert. Die schwer nachvollziehbare Abfolge von Tagesbegleit- und Einschaltsendungen wurde zugunsten der „Durchhörbarkeit“ aufgelöst. Zwischen 6 und 17 Uhr bieten wir ein Tagesbegleitprogramm, das man nebenbei hören kann und das dabei trotzdem unverwechselbar bleibt. Und ich behaupte, es ist uns gelungen. Spätestens nach dem zweiten Musiktitel, also nach zirka viereinhalb Minuten weiß man, dass man bei multikulti ist und nicht irgendwo anders.

Welche Hörer-Zielgruppe streben Sie denn jetzt an, wenn Sie sagen, Sie haben das Programm in eine andere Richtung gelenkt?

Ilona Marenbach: Die Schwierigkeit ist, dass wir keine klare, einfach beschreibbare Zielgruppe haben. Wir senden für mindestens drei verschiedene Zielgruppen, wahrscheinlich sogar 20. Wir haben es im abendlichen Fremdsprachenprogramm ja nicht nur mit DEM Ausländer zu tun, sondern wir senden für Kroaten, Türken, Russen, Araber, Polen usw. Wir haben ganz viele verschiedene, in Deutschland auch unterschiedlich angekommene Zielgruppen. Im deutschen Programm haben wir Hörer - gleich welcher ethnischen Herkunft -, die sich mehr als Kosmopoliten verstehen, die weltoffen sind, gerne reisen, sehr gut gebildet und ausgebildet sind und vergleichsweise viel verdienen. Das bescheinigt uns jedenfalls die Medienforschung. Auf den ersten Blick passt das nicht ganz zusammen: tagsüber der eher etablierte Hörer und am Abend auch (nicht nur) Einwanderer, die Orientierungsschwierigkeiten haben, kaum deutsch sprechen. Und dann haben wir noch die Hörer, die für interkulturelle Themen offen sind, sich aber nicht zwangsläufig auch für die Musik, die wir anbieten, interessieren. Viele Musikliebhaber wiederum haben keinen Bezug zum Themenspektrum. Aber unser Programmauftrag ist es ja gerade, zwischen diesen vielen Kulturen zu vermitteln, gegenseitiges Verständnis herzustellen, Das Logo des RBB Brüche zu verkleinern, Brücken zu bauen, die es ermöglichen, dass so unterschiedliche Gesellschaften auf einer Welle miteinander glücklich werden.

Es soll eine neuere Studie geben, die sich mit dem Hörerprofil befasst hat: Wer sind die Hörer, was wollen die Hörer hören, sind sie zufrieden? Können Sie die Ergebnisse zusammenfassen?

Ilona Marenbach: Das Resultat unserer jüngsten Untersuchung unter Deutschen und nicht Deutschen im Alter zwischen Ende 20 bis Anfang 50 ist: Die Leute schalten uns nach wie vor ein wegen der Musik, aber sie bleiben jetzt dabei. Wir haben es offensichtlich geschafft, den musikalischen Ausschaltfaktor zu reduzieren oder gar zu eliminieren. Was immer mit radiomultikulti verbunden wird, macht sich sehr stark an der Musik fest und an dem, was damit als Lebensgefühl transportiert wird. Ich glaube, wir haben transportieren können - trotz dieser ganzen Debatten um die missglückten Integrationsbemühungen der letzten Jahre -, dass man in Berlin ganz gut zusammenzuleben kann, dass man voneinander profitieren und auch Spaß haben kann, auch am clash of culture, wenn er ein produktiver Zusammenprall von Kulturen ist. Das vermitteln wir, ohne dabei um heiße Eisen herumzulavieren. Aber es geht nicht den ganzen Tag nur um Probleme und Debatten, sondern wir versuchen eine gute Mischung anzubieten.


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