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Ferner liefen...

Jammerschade, dass kein Wort des Jahres daraus wurde. Okay, es hatte längst Wurzeln im Volksmund gefasst, doch war sein Hintersinn bisher niemandem aufgefallen. „Problemtier“ ist das aktuelle Äquivalent zum „Sorgenkind“, wie es einst als blasses Musterkrüppelchen in TV-Lotterieshows von Glitter-Glamour-Stars herumgeschubst wurde. Inzwischen ist es zum Menschen mutiert („Aktion Mensch“) - welcher Evolutionssprung ist nun vom Problemtier zu erwarten?

Die Stiftung Naturschutz warnt bereits vor dem „Problemtier verwilderte Hauskatze“. Terrarienfreunde setzen gern Fragezeichen hinter das Wort, wenn sie sich im Internet über ihre giftbezahnten, fleischfressenden und beschuppten Freunde äußern. 2005 suchte in Wien eine Rennmaus mit dem Vorbehalt „Problemtier“ ein neues Zuhause - sie litt laut Besitzerin an Epilepsie! Vermutlich erhielt sie zahllose verdeckte Offerten von der Terrarienfront ...

Nach der Bemessungsgrenze des Problemgehalts fragen wir mal einen, der sich auskennt, nämlich Edmund Stoiber, der sich (wörtliche Transkription) wie folgt äußerte: „Nun haben wir, der normal verhaltende Bär lebt im Wald, geht niemals raus und reißt vielleicht ein bis zwei Schafe im Jahr. Äh, wir haben dann einen Unterschied zwischen dem normal sich verhaltenden Bär, dem Schadbär und dem, äh, Problembär. Und, äh, es ist ganz klar, dass, ääh, dieser Bär, äh, ein Problembär ist und es ist im Übrigen auch, im Grunde genommen, äh, durchaus, äh, ein gewisses Glück gewesen, er hat um ein Uhr nachts praktisch diese Hühner gerissen. Und Gott sei Dank war in dem Haus, äh, war, also, jedenfalls ist das nicht bemerkt worden. Auf Grund von, äh, es ist nicht bemerkt worden. Stellen Sie sich mal vor, der war ja mittendrin, stellen Sie sich mal vor, die Leute wären raus und wären praktisch jetzt, äh, dem Bären praktisch begegnet ...“ Bis hierhin, Herr Ministerpräsident, vielen Dank, mehr Zeit haben wir nicht!

Kaum war der Abschuss des Problembärs durch die bayerische Regierung abgenickt, hätte ein Problembiber im Wege des konspirativen Dammbaus einen abgelegenen bayerischen Sprengel fast überflutet. Rache der Biber-Al-Kaida für einen erlegten Schläfer? Das gefährliche Tier wurde nach Ungarn abgeschoben und studiert heute Landschaftsarchitektur an der Theiß. Dabei ist es erst 30 Jahre her, im kalten November 1976 war’s, dass die DDR ihren Problemwolf nach Westen ausbürgerte. Zu dem genannten Viehzeugs gesellen sich noch 400 Schildkröten aussterbender Art namens „Testudo kleinmanni”, die von einem verdächtigen Libyer in zwei Koffern aus Tripolis nach Italien eingeschmuggelt wurden, bei der Kontrolle am Flughafen Mailand herauskrabbelten und die Zollbeamten anfauchten.

Das Problemtier des Jahres aber dürfte der schwarze Transvestitenschwan Peter gewesen sein, die sich auf dem Münsteraner Aasee in ein weißes (!) Tretboot verliebt hatte. Ratzfatz. Knallbumm. Ein Herz und eine Seele. Love across color lines. Das vergleichsweise riesige, schwanenförmig geschnitzte Tretboot wurde mitsamt seiner Verehrerin (der voreilig „Peter“ getaufte Wasservogel stellte sich als Weibchen heraus) behutsam in den Freilandzoo gelenkt und dort interniert. Was aus Anstaltsbewohnern in der Geschlossenen wird, mit Medikamenten vollgestopft und ständig in Gesellschaft von Irren, ist bekannt: Sie können nie mehr beweisen, normal zu sein. Einer flog übers Kuckucksnest. Aktion Mensch, übernehmen Sie! Wären Ausflugstretboote serienmäßig mit Navigationssystem ausgestattet, hätte es nicht so weit kommen müssen ...

Ganz unproblematisch, geradezu als Vorbild humanitärer Friedensinitiativen, dürften nur die (von Liedermacher Leo Lukas hymnisch besungenen) Bonobo-Äffchen sein. Ihre Strategie zur Konfliktbewältigung heißt, schlicht und ergreifend, Geschlechtsverkehr. Aber wie können wir diese - wie es seit der Ära des Außen-Joschka heißt - „road map“ dem homo sapiens „implementieren“? Apropos road map (im Rundfunk wird das Thema auch alle drei Minuten gewechselt), wie wär’s denn mit GPS für den weiblichen Körper? Dahinter würden alle Sexratgeber verblassen. Beim heutigen Stand der Videosatellitenüberwachung kein Problem, allenfalls eine Plug-and-Play-Anwendung. Erstens kommt es dem typisch maskulinen Sinn für technische Spielereien zugute, zweitens der Partnerin, die endlich auch mal auf ihre Kosten käme, drittens entfällt das lästige Blättern in der Gebrauchsanweisung zwischen den Spielzügen, und viertens, meine Damen, ist die zart-resolute Computerstimme des Navigationssystems nachweislich sowieso die einzige Frau, auf die eure Männer noch hören: „Zum G-Punkt mit der Zunge links abbiegen. Sie erreichen jetzt unterhalb der Champagnerrinne den Bauchnabel. Das Kondom am Zipfel fassen und über den Schaft abrollen lassen. Sie sind von der vereinbarten Route abgekommen, bitte wenden Sie, um die Richtung zu korrigieren ...“ Kabarettisten, aufgepasst! Dies war schon wieder eine Gratisidee für das nächste Programm von

Nikolaus Gatter
go! www.lesefrucht.de


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Die Kolumne
im Folker! 1/2007