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Mehr argentinischer Woody Guthrie als Bob Dylan

León Gieco

Ehrung durch die Latin Recording Academy

go! www.leongieco.com
Discographie
(Auswahl)

León Gieco (Music Hall, 1973)
Cuarto LP
(Sazam/Music Hall, 1978)
Pensar En Nada
(Sazam/Music Hall, 1981)
De Ushuaia A La Quiaca
(3 LPs,
     Music Hall, 1985; Wiederveröffentlichung auf
     3 CDs mit Zusatz-CD, EMI Argentina, 2005)
Mensajes Del Alma

     (EMI Argentina/Tropical Music, 1992)
Desenchufado
(EMI Argentina, 1994;
     Tropical Music, 1995)
Orozco
(EMI Argentina, 1997)
Bandidos Rurales
(EMI Argentina, 2001)
Por Favor, Perdón Y Gracias

     (EMI Argentina, 2005)
     Por Favor, Perdón Y Gracias
15 Años De Mí
(EMI Argentina, 2006)

2006 regnete es Auszeichnungen für den argentinischen Sänger und Liedermacher León Gieco. Erst wurde er in Miami von der Latin Recording Academy mit dem Lifetime Achievement Award bedacht. Dann hörten sich die Verantwortlichen des Grammy Latino sein im Vorjahr erschienenes Album Por Favor, Perdón Y Gracias an und nominierten es zum Album des Jahres und zum besten Songwriteralbum. Gieco ging dann bei der Grammy-Verleihung am 2. November 2006 zwar leer aus. An seiner Bedeutung ändert das jedoch nichts. Jetzt sind eine CD und eine DVD mit Liedern und Clips aus dem Schaffen des Künstlers der letzten 15 Jahre erschienen.

Von Martin Steiner

Von der konservativen Latin-music-Metropole Miami geehrt zu werden, ist für einen Künstler, der nie ein Blatt vor den Mund nahm, nicht ganz selbstverständlich. Es zeugt für eine gewisse Offenheit der Latin Recording León Gieco 2005 Academy, die mit der Verleihung des Lifetime Achievement Award genau das hervorhebt, was León Gieco in den letzten 35 Jahren zu einem der wichtigsten argentinischen und lateinamerikanischen Musiker machte. „Der Sänger, Gitarrist und Liedermacher León Gieco hat in seiner Karriere mehr als 30 Alben veröffentlicht. Gieco verbindet in einzigartiger Weise Rock, Pop und die Volksmusik seiner argentinischen Heimat. Während der 70er Jahre wurden seine einfallsreichen Liedtexte immer wieder von der Regierung zensiert. In den frühen 80er Jahren unternahm Gieco eine dreijährige Tournee durch das argentinische Hinterland - eine Augen öffnende Erfahrung, aufgrund der er auf drei Langspielplatten der südamerikanischen Volksmusik seine Ehre erweist. León Gieco ist auch heute noch regelmäßig auf Tournee, nimmt neue Alben auf, und seine Glaubwürdigkeit und seine Integrität prägen weiterhin seine Arbeit.“

Ein argentinischer Journalist brachte das Schaffen von León Gieco auf einen noch kürzeren Nenner, als er ihn als Sohn von Bob Dylan und Enkel von Woody Guthrie bezeichnete. León Gieco, das 1973 entstandene Erstlingswerk des argentinischen Barden, weist tatsächlich Einflüsse von Dylan auf: etwa die Art, wie Gieco sich mit der Mundharmonika zur Gitarre begleitet. Sätze wie „Schaff dir deinen Frieden, dann werden Blumen erblühen, / Nimm den Mächtigen ihre Dunkelheit und ihre Kriege weg“ beweisen, dass er den Protestsängern des Nordens gut zugehört hatte. Doch schon hier zeigten Lieder wie „María Del Campo“ oder „Campesinos Del Norte“, in denen er in einfachen und einfühlsamen Worten das Leben der Bauern und Landarbeiter beschreibt, dass er textlich mehr mit Guthrie als mit Dylan gemeinsam hat - und dass dem Bauernsohn Gieco die Volksmusik seines Landes genauso ans Herz gewachsen war wie die Musik seiner Vorbilder im Norden.

León Gieco in den 70ern

Musikalischer Chronist

Im Grammy-nominierten, 2005 erschienenen Por Favor, Perdón Y Gracias hören wir einen León Gieco, der nicht mehr nur von einer besseren Welt träumt. Mehr denn je nennt er die Dinge beim Namen und legt die Finger auf die offenen Wunden. Im rockigen „Yo Soy Juan“ lässt er einen jungen Mann zu Wort kommen, der als Säugling seiner in den Militärgefängnissen inhaftierten Mutter entrissen und zur Adoption freigegeben wurde. In „Santa Tejerina“ bezieht Gieco Stellung für eine junge León Gieco mit Grammy 2006 Frau, die ihr Neugeborenes - die Folge einer Vergewaltigung - umgebracht hatte. So schwierig solche Themen auch sein mögen, León Gieco klagt nicht nur an: Immer ist sein Blick in die Zukunft gerichtet, in eine Zukunft, in der Menschen offener und ehrlicher aufeinander zugehen können. Trotzdem ist er kein Protestsänger oder blauäugiger Utopist und Weltverbesserer. Eher ist er ein Chronist, der das Leben und sein Land liebt. Sonst könnte er in „La Carneada“ wohl kaum so einfühlend die alten Familienfeste auf dem Land beschreiben, wo Fleisch am Spieß gebraten, Walzer getanzt und rancheras gesungen wurden. Bei diesem Lied schließt sich der Kreis mit dem amerikanischen Folk auf wunderschöne Weise: Eigentlich ein Walzer, León Gieco bringen Musiker aus verschiedenen Dylan-Formationen wie David Kemper, Jimmy Johnson oder der Fiddler Gabe Witcher das Lied auf Bluegrasskurs.

Eine Antikriegshymne für die Welt

Endlich sind auch Por Favor, Perdón Y Gracias, eine Best of und eine Live-CD über den Galileo-Vertrieb in Deutschland erhältlich. Die Mid-Price-CD der Serie De Oro - Grandes Éxitos enthält auch Giecos größten Erfolg, „Solo Le Pido A Dios“ („Alles, was ich von Gott erbitte“). Mercedes Sosa trug das Lied eines Sängers, dessen Songs sie zu Tränen rühren, in die ganze Welt. Mittlerweile gibt es hunderte verschiedener Versionen in unzähligen Sprachen. Eine davon, „Wünsche“, stammt von Hannes Wader, dessen Übersetzung die Stimmung des Stücks genau trifft. Dabei wäre „Solo Le Pido A Dios“ um ein Haar ein Opfer der Selbstzensur geworden. Gieco fand das Lied musikalisch zu eintönig und nicht gut genug für sein viertes León Gieco Album. Sein Vater, Bauer, Hobbymusiker und sein musikalischer Förderer, war da allerdings anderer Meinung. Ebenso der damalige Schallplattenproduzent, der den einfachen, mit der Gitarre und Stimme von León Gieco und der großartigen Akkordeonbegleitung von Dino Saluzzi eingespielten Song gleich an den Anfang der LP stellte. Die Geschichte ist bekannt: 1978 hatten die Generäle mit der Fußballweltmeisterschaft versucht, der Welt ihr sauberes Gesicht zu zeigen. Giecos Lied wurde schon bald nach der Veröffentlichung im selben Jahr in ganz Lateinamerika zur Protesthymne. Sechs Jahre später machten die Generäle einer vom Volk gewählten Regierung Platz.

Dauerbrenner statt Ein-Hit-Wunder

Zumindest in Argentinien war León Gieco aber nie ein Ein-Hit-Wunder. Ganz im Gegenteil: Gieco ist seit 35 Jahren einer der populärsten Musiker des Landes. Ein beredtes Zeugnis legt auch 15 Años De Mí, die León Gieco soeben veröffentlichte Zusammenstellung von Liedern der letzten 15 Jahre ab. Der Sänger sagt über sich, dass er seit den 90er Jahren eine viel aktivere Phase durchlebt als eine Dekade zuvor, als er mit Alkohol und Drogen zu kämpfen hatte. Neben seiner musikalischen Tätigkeit hat sich León Gieco immer auch stark für die Armen des Landes und Menschenrechtsorganisationen wie etwa die Madres de Plaza de Mayo eingesetzt [„Mütter der Plaza de Mayo“, Organisation argentinischer Frauen, deren Kinder während der Militärdiktatur der 70er Jahre verschwanden; Anm. d. Red.]. Gieco ist also doch eher ein argentinischer Woody Guthrie als ein Bob Dylan. Am Rande eines Auftritts 1988 in Ostberlin bekannte er in einem Interview, ein Volkssänger zu sein: „Ich nehme die Realität, verwandle sie in Poesie und gebe sie dem Volk zurück. Nimm die Wahrheit und mach eine Musik drauf.“


Eine Liste der exklusiv auf der Folker!-Webseite erschienenen Artikel findet ihr im go! Archiv.


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