www.sbg.ac.at/ger/kmueller/ theodor_kramer_gesellschaft.htm www.wenzel-im-netz.de www.kramerprogramm.de/ (Heike Kellermann & Wolfgang Rieck) www.geschichtenlieder.de (Thomas Riedel & Hubertus Schmidt) www.lob-der-verzweiflung.de (Harald Hahn & David Fuhr) |
(Auswahl)
Wenzel |
Wenzel unterwegs: 06.01.07: Dresden, Club Passage 11.01.07: Frankfurt/Main, Romanfabrik 12.01.07: Stuttgart, Merlin 13.01.07: Widdern, Kleinkunst Widdern 26.01.07: Donaueschingen, Theater Café Thomas Riedel und Hubertus Schmidt unterwegs: 13.01.07: Marienberg, Villa Baldauf |
Bis Mitte der 30er Jahre gehörte der Österreicher Theodor Kramer zu den meistgelesenen Lyrikern im deutschsprachigen Raum. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde der Sohn eines jüdischen Dorfarztes mit Arbeitsverbot belegt, ins Exil getrieben, ausgegrenzt, entwurzelt. In 12.000 Gedichten hat Theodor Kramer nicht nur das eigene Schicksal beschrieben, sondern auch das Leben derer, die wie er am Rand der Gesellschaft lebten. Eine soziale Enzyklopädie in unsentimental wehmütigem Tonfall. Was macht die Gedichte Theodor Kramers für Musiker heute interessant? Hans-Eckardt Wenzel und die Duos Harald Hahn und David Fuhr, Thomas Riedel und Hubertus Schmidt sowie Wolfgang Rieck und Heike Kellermann haben darauf sehr unterschiedliche Antworten gefunden. In neuen CD-Produktionen, die auf die zeitlose Aktualität dieses unermüdlichen Schreibers verweisen. Am 1. Januar 2007 wäre Theodor Kramer 110 Jahre alt geworden. Anlass für ein Porträt. Und Zeit fürs Erinnern.
Von Sylvia Systermans
Einer der ersten, der die Gedichte Theodor Kramers in den 80er Jahren für sich entdeckte, war der ostdeutsche Liedermacher Hans-Eckardt Wenzel. Über 200 Kramer-Gedichte hat er zusammengetragen, seine Abschlussarbeit über den österreichischen Lyriker geschrieben, erste Verse vertont. Vier Uhr früh heißt seine neue CD, erschienen im Oktober 2006, ausgezeichnet mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik. Fürs eigene Schreiben habe er, Wenzel, viel von Kramer gelernt: „Man kann bestimmte atmosphärische und gefühlsbetonte Dinge in Worte fassen, indem man Gegenstände beschreibt. Kramer weiß, wie Gegenstände sich verändern. Es gibt einen Text ‚Brief aus dem Armenheim‘ mit der Zeile: ‚Hier ist es so feucht, dass das Salz zu Klumpen gerinnt.‘ Kramer schreibt nicht, dass es ihn fröstelt, sondern er beschreibt den inneren Zustand über die Dinge des Alltags. Kramer ist ein unglaublicher Beobachter. Und was ich schreibe, hole ich auch aus der Beobachtung. Das macht ihn mir nahe.“
Aufgewachsen ist Theodor Kramer in Niederhollabrunn, einem kleinen Ort in Niederösterreich, als Sohn des jüdischen Gemeindearztes. Er besucht die Realschule in Wien, wird im Ersten Weltkrieg schwer verwundet, bricht das Studium ab, verdient seinen Unterhalt als Buchhändler, wird arbeitslos. Tageszeitungen von der Neuen Zürcher Zeitung bis zur Wiener Arbeiter-Zeitung veröffentlichen seine Gedichte. Thomas Mann, Franz Werfel und Stefan Zweig schätzen seine Arbeit. Mit ihrer Unterstützung gelingt Kramer 1939 die Flucht vor den Nazis nach England. Seine Mutter wird in Theresienstadt ermordet. 1957 kehrt Theodor Kramer nach Österreich zurück. Verarmt und verbittert stirbt er am 3. April 1958 in Wien.
Theodor Kramer verstand sich als „Chronist seiner Zeit“, schrieb „für die, die ohne Stimme sind“: „Ich hoffe sehr, daß ich unter anderem ein Asphaltdichter bin, ein Kohlenrutschendichter, ein Stundenhoteldichter, ein Freß- und Saufdichter.“ Hans-Eckardt Wenzel hat die über 200 gesammelten Kramer-Gedichte auch im Kopf. Eine abrufbare poetische Folie, die über der Welt liegt. Oft erinnern ihn konkrete Ereignisse an einen Kramer-Text, wie das Gedicht von der Angst: „‚So gewaltig ist nichts und nichts lässt so nicht ruh’n, / wie die Angst, die den Menschen befällt, / wenn es ihm nicht vergönnt ist, sein Tagwerk zu tun, / und er gar nichts mehr gilt auf der Welt.‘ Das ist ein Text, den sich Kramer geschrieben hat, als er Arbeitsverbot hatte in Österreich. Er beschreibt aber eine Angst, die eine gewisse Allgemeinheit hat. Ich hab’ vor zwei Jahren am ersten Mai ein Konzert in Gera auf dem Marktplatz gegeben für den Gewerkschaftsbund, und da waren im Grunde nur Verlierer, Arbeitslose, Trinker und entmachtete alte Eliten. Da stand auf einmal diese Angst, nichts mehr Wert zu sein in der Welt, in den Augen der Leute. Und da fiel mir dieser Text ein, in dem Moment hatte ich ihn wieder verfügbar.“
HARALD HAHN/DAVID FUHR
Stuttgart: ibidem-Verlag, 2006
Der österreichische Dichter Theodor Kramer, der 1939 vor den Nazis ins Londoner Exil fliehen musste, wird von denen, die heute seine Gedichte interpretieren, gerne als in Vergessenheit geratener Künstler bezeichnet. Dabei sind seine Texte seit den 80er Jahren und den ersten Vertonungen durch Zupfgeigenhansel vor allem bei Liedermachern und Folksängern eine beliebte Fundgrube. Besonders intensiv mit ihm auseinander gesetzt haben sich dabei in den letzten Jahren David Fuhr und Harald Hahn, der eine freier Musiker und IT-Berater, der andere gelernter Bäcker und heute Theaterpädagoge. Nachdem Fuhr zunächst als Pianist für Hahns Kabarett-Kleinkunstprogramm fungierte, war das „Kramer-Projekt“ der „erste gemeinsame Versuch eines gleichberechtigten künstlerisch-politischen Schaffensprozesses“. Zu eben diesem Kramer-Programm „Lob der Verzweiflung“ ist nun dieses Büchlein mit gleichlautendem Titel erschienen. Neben den von Fuhr und Hahn vertonten Kramer-Texten, ein- und ausführenden Worten sowie zu den Beweggründen für die Beschäftigung mit Kramer findet sich dem Ganzen vorangestellt ein Vorwort des Kramer-Nachlassverwalters Erwin Chvojka. Weitere Textbeiträge stammen u. a. von Klaus Peter Möller, dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck, zum dortigen Kramer-Schwerpunkt beim Festival 2003 (u. a. mit Fuhr und Hahn, Erich Schmeckenbecher und Wolfgang Rieck) sowie von Bertram Nickolay, der eine Reise auf Kramers Spuren nach Österreich unternahm. Sicherlich hat dieses Buch nicht das plastische, greifbare Darstellungsvermögen, wie es die Bühne vermittelt. Allerdings gewährt die dazugehörige CD einen ersten Eindruck dessen, was man live zu erwarten hat - auch wenn die Vermischung von Liederabend mit Theater und Clownerie weniger zum Ausdruck kommt, da es sich um eine reine Studioaufnahme handelt. Wer die ausgefeilten Interpretationen kramerscher Lyrik von Zupfgeigenhansel, Rieck oder auch Wenzel im Kopf hat, wird sich zunächst etwas an die sparsam instrumentierten Umsetzungen Fuhrs und Hahns gewöhnen müssen. Aber Chvojka könnte Recht haben damit, wenn er sagt, dass das Programm „in seiner Konzentration auf das Wesen Kramers“ bemerkenswert ist. Abgerundet wird das Werk nicht zuletzt durch die Illustrationen Margarete Hubers, in denen sie Aspekte der abgedruckten Kramer-Texte bildlich wiedergibt, vor allem aber Szenen des Live-Bühnenprogramms einfängt. Insgesamt ein gelungener Beitrag zur Erhaltung des Werkes Theodor Kramers für die Nachwelt. Stefan Backes Bezug: www.ibidem-verlag.de |
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