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Es gibt DVDs, CDs und spezielle Serien, die sich den herkömmlichen Kriterien einer Rezension entziehen. Gerade in einer Zeit, in der Tonträger preiswert produziert werden können und die Menge an Veröffentlichungen inflationär ist, sind anspruchsvolle Serien besonders wichtig. Engagierte Vorhaben, ganz gleich ob tatsächliche oder angebliche, müssen sich mit strengeren Maßstäben messen lassen als z. B. eine ordinäre Kompilation. In diesem Heft schreibt Birger Gesthuisen über die CD-Box

Al Tarab: Muscat Ud-Festival

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mit Salim bin Ali al-Maqrashi (Oman), Saïd Chraïbi (Marokko), Mamdoh El Gebaly (Ägypten), Abadi al-Johar (Saudi-Arabien), Ahmad Fathi (Jemen), Alaa Hussein Saber (Ägypten), Safwan Bahlawan (Syrien), Ammar El-Sherei (Ägypten) und dem Royal Oman Symphony Orchestra unter der Leitung von Hasan Sharara.

(Enja 9504 2)
40 Tracks auf 4 CDs, 291:55, mit 228- + 20-seitigem, 4-farbigem Book(let) im Schuber (dt./engl./franz./arab.)

Ich möchte erst gar nicht um den heißen Brei herumschreiben: Natürlich bilden die nicht erklärten Kriege im Irak, im Libanon und Palästina insgeheim auch das Koordinatensystem, unter denen ein Oudfestival* im Fürstentum Oman stattfindet und eine 4er-CD Box von diesem Festival bei Enja erscheint. Es bleibt die schmale Hoffnung, dass diese entsetzlichen Rahmenbedingungen auch eine Chance sind, sich auf ein herausragendes Stück arabischer Musikkultur einzulassen.

Die Oud** wurde bei uns bekannt durch Exilmusiker wie Rabih Abou-Khalil, der auf einem deutschen Label (ebenfalls Enja) bisher mehr als 400.000 CDs verkaufte. Ihn trieb nicht nur der damalige Bürgerkrieg aus dem Libanon, sondern auch die künstlerische Ignoranz der arabischen Welt. Auch der Tunesier Dhafer Youssef (knapp 50.000 CDs bei Enja) trug zur Popularisierung der Oud in der westlichen Welt bei wie sein Landsmann Anouar Brahem, dessen Alben ebenfalls in Deutschland (bei EMI) veröffentlicht werden und die in einigen Jazzcharts weit oben rangieren. Anouar Brahem bedauerte den Niedergang der Oud durch die großen Orchester der arabischen Welt, in denen das zentrale Soloinstrument des Orients nach mehr als 3.000 Jahren akustisch unterging und bestenfalls noch den pittoresken Mittelpunkt eines riesigen Klangkörpers bildete.

Die arabische Musikkultur befindet sich im Sinkflug und lässt seit längerem ihr Potential nur erahnen. Veröffentlichungen exzellenter Oudspieler aus dem arabischen Kulturraum sind im Westen so gut wie nicht zu finden und selbst in Arabien eher eine Randerscheinung. In dieser Situation veranstaltete das Fürstentum Oman vom 29.11. bis 1.12.2005 ein Festival, zu dem Musiker aus sechs arabischen Ländern eingeladen wurden. Die Aufnahmen dieses Ereignisses erschienen soeben im repräsentativen 4-CD-Schuber bei Enja. Dies ist nicht nur die Dokumentation einer sich anscheinend verändernden Ästhetik in der arabischen Welt, sondern auch ein höchst sinnlicher Zugang zu einer anderen Musikwelt.


* Entgegen der Schreibweise auf dem Cover der CD-Box verwenden wir hier wie auch sonst im Heft für „Oud“ die Schreibweise mit „O“, zum einen, um auf diese Weise den in lateinischer Schrift nicht darstellbaren arabischen Vokal anzudeuten, der dort noch vor dem „u“ kommt, zum anderen, weil dies die international gebräuchlichere Variante ist. (Der Duden allerdings verwendet - laut neuer Rechtschreibung - wohl aus aussprachetechnischen Gründen die Schreibung „Ud“.)[zurück]
** Im Arabischen eigentlich Neutrum, also „das Ud“, was im Deutschen merkwürdig klingt. Weniger wegen ihrer rundlichen Form, sondern weil aus der Ud (Al-Ud) auch die europäische Laute hervorging, bevorzugen mittlerweile die meisten den femininen Artikel (so z. B. auch der Duden).[zurück]


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im Folker! 6/2006