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Die Goldenen Jahre des Afropop

Golden Afrique

Der Afrikakenner Günter Gretz über die Reissue-Reihe des Network-Labels

Golden Afrique Vol. 1
Golden Afrique Vol. 2
Kontakt:

Günter Gretz
popular african music:
Tel. 069-769163
pamffm@t-online.de
go! www.popularafricanmusic.de
go! www.networkmedien.de
Discographie
(Auswahl)

Golden Afrique Vol. 1 - Westafrika (2005)
Golden Afrique Vol. 2 - Kongo
(2005)
Golden Afrique Vol. 3 - Südliches Afrika
(2006)
(alle: Network Medien/Zweitausendeins)

Das Goldene Zeitalter der afrikanischen Popmusik wird seit einiger Zeit von der Kompilationsreihe Golden Afrique des Frankfurter Labels Network Medien wieder verfügbar gemacht. Derzeit ist (nach den Schwerpunkten Westafrika und Kongo) die dritte Ausgabe mit Musik des südlichen Afrika erschienen, die im Oktober gleich auf Platz 2 der World Music Charts Europe gelandet ist. Die gefragten Wiederveröffentlichungen der größten Hits des Afropop beziehen sich auf einen Zeitraum zwischen Mitte der 60er und Anfang der 80er Jahre. Wobei die Macher der Reihe der Ansicht sind, dass der Höhepunkt des Afropop bereits sein Ende gefunden hatte, als er mit dem Aufkommen der „Weltmusik“ gerade erst ins Bewusstsein des internationalen Marktes drang.

Entsprechend scheinen auch die Vorstellungen über afrikanische Popmusik in den Industriestaaten bis heute andere zu sein als sie die Realität der afrikanischen Popmusik eigentlich vermittelt. Das beginnt schon mit der Notwendigkeit, zwischen in Afrika geschaffener Musik und afrikanischer Musik zu unterscheiden, die außerhalb des Kontinents entstanden ist. Golden Afrique bezieht sich auf rein innerafrikanische Popmusik, und diese hat für den Frankfurter Günter Gretz, der mit dem Weltmusikexperten Jean Trouillet und dem Labelinhaber Christian Scholze die Reihe zusammengestellt hat, fast immer eine eigene Charakteristik. Gretz ist einer der besten Kenner afrikanischer Musik in Deutschland. Durch seine umfangreichen Erfahrungen hat er einen unverklärten Blick auf die Musikszene des Schwarzen Kontinents entwickelt. Darüber äußerte sich der Sammler, Produzent, DJ, Inhaber des Labels popular african music sowie Leiter eines entsprechenden Versandhandels im Folker!-Gespräch.

Von Hans-Jürgen Lenhart

Ihr begrenzt in der Golden-Afrique-Reihe Eure Auswahl zumeist auf die Zeit zwischen 1960 und 1982. Warum sollen die Sternstunden des Afropop genau da zu finden sein und zudem nur in innerafrikanischen Produktionen?

Es handelt sich um Musik, die wegen der ökonomischen Verhältnisse so nur in Afrika entstehen konnte. Die Bands waren damals groß, mit bis zu 30 Leuten, man ließ sich viel Zeit zum Aufbau der Stücke. Es gab viele Soli, die Musik hatte fast jazzigen Charakter. So etwas konnte man nicht erfolgreich nach Europa transponieren. Salif Keita holte Anfang der 80er z. B. seine riesige Band nach Paris, die sich aber schon nach einem Jahr aus Kostengründen auflöste. Dem Nigerianer King Sunny Adé musste man bei seinen Aufnahmen in London 1979 erst mal beibringen, dass ein 18-Minuten-Stück für Radiosendungen in Europa auf vier Minuten gekürzt werden muss, um Erfolg zu haben. In Afrika kostete zudem die Studiomiete nur einen Bruchteil der europäischen Preise. Da handelte man die Kosten für eine Produktion pauschal aus, egal wie lange die dauerte. Damit konnte man mehr musikalisches Potential ausschöpfen. Nach etwa 1982 ist die afrikanische Musik dann schlechter geworden. Besonders deutlich wurde das Anfang der 80er in Ghana. Man entdeckte die Syndrums und nichts ging mehr ohne sie. Popmusik heißt inzwischen dort, dass jemand zu Tapes und Minidiscs rappt und das war’s. Auch moderne kongolesische Musik klingt immer mehr nach Fließbandproduktionen. Man singt nicht mehr, man macht „Animation“, d. h. mehrere Sänger brüllen und wackeln mit dem Hintern. Bewegende Stimmen scheinen ausgestorben. Die Videos dazu zeigen Sachen, die bei uns als grober Sexismus gelten würden.


DIVERSE
Golden Afrique Vol. 3

(Network Medien 495115/Zweitausendeins, www.networkmedien.de)
Do-CDs, 34 Tracks, 142:49, mit engl., frz. und dt. Infos

Bis zurück ins Jahr 1939 geht die Auswahl und endet, anders als im Untertitel angegeben, nicht 1988, sondern 1998 (der Text erwähnt es). Vol. 3 spielt in Südafrika, Simbabwe und Sambia. Das Doppelalbum beginnt passend mit der Originalversion von „Mbube“, das als „The Lion Sleeps Tonight“ und „Wimoweh“ zum weltweit bekanntesten (süd-)afrikanischen Lied aufstieg. Dann folgt ein Who’s who des südlichen Afrika: Hugh Masekela, Miriam Makeba, Oliver Mtukudzi, Brenda Fassie, Mahotella Queens, Mahlathini, The Four Brothers, Soul Brothers, Dark City Sisters, West Nkosi. Leider fehlen Dorothy Masuka und Thomas Mapfumo, die nicht hätten fehlen dürfen. Ersatzweise gibt es viele Künstler, die hierzulande völlig unbekannt sind, da gibt es was zu entdecken. Ein paar unschlagbare Fotos (u. a. von Schadeberg) ergänzen den Booklettext, der, bei Network selbstverständlich, sehr sachkundig ist, und für einen Witz ist auch noch Platz. Zwei kapitale Fehler allerdings: Dass Miriam Makeba eine Englandtournee genutzt haben soll, um Südafrika den Rücken zu kehren, ist grundfalsch, sie wurde ausgesperrt. Und dass der Mbaqanga erst entstanden sein soll, als Mahlathini Ende der 70er auf die Mahotella Queens traf, ist mehr als kühn, es ist falsch. Das soll aber das Vergnügen nicht generell beeinträchtigen, auch die dritte Ausgabe der Afrika-Retroreihe ist großartig, vom ersten bis zum letzten Ton.

Luigi Lauer

 

Golden Afrique Vol. 3


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im Folker! 6/2006