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Für jeden etwas

Leverkusen 2006

Ein Jazzfestival zieht Folksaiten auf

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Das renommierte Leverkusener Jazzfestival wartet in diesem Jahr mit dem Schwerpunktthema „Guitar World“ auf und meint es mit dem Thema „World“ wirklich ernst. Da stehen Namen auf dem Programm, die man bei einer solchen Veranstaltung nun wirklich nicht vermuten würde. Aber Etikettierungen und Grenzziehungen sind in den letzten Jahren zunehmend poröser geworden, und so hört man in Rudolstadt Folk und Weltmusik mit ausgeprägt jazziger oder rockiger Note und in Leverkusen nun eben Jazz, der manchmal keiner ist. In der Zeit vom 3. bis 11. November stehen natürlich Badi Assad nicht nur Gitarristen auf dem Programm. Auch außerhalb der „Guitar World“ bietet Leverkusen dem Folkinteressierten eine Menge spannender Topacts.

Von Rolf Beydemüller

1. Akt

Mit „Guitar World Part I“ präsentieren die Veranstalter am 6. November gleich vier klangvolle Namen: Die brasilianische Gitarrenvirtuosin und Vokalistin Badi Assad, deren Name seit Jahren in den World Music Charts Europe zu finden ist. Anders als ihre stärker dem klassischen Genre zugeneigten Brüder Sergio und Odair zeigte sich Badi schon früh aufgeschlossen für musikalische Experimente, flirtete mit Jazz und Pop und kehrte erst mit ihrer jüngsten Einspielung Wonderland wieder zur música popular brasileira zurück. Vorausgegangen ist im letzten Jahr Paco de Lucia eine DVD-Veröffentlichung, die tatsächlich ausgesprochen jazzigen Charakter hatte: die Liveaufnahme eines Konzertes in Paris mit den Saitenkollegen Larry Coryell und John Abercrombie.

Peter Finger - als den Vertreter der Akustikgitarrenszene Deutschlands schlechthin - muss man wohl kaum mehr vorstellen. Sein höchst Peter Finger personaler Spiel- und Kompositionsstil hebt ihn seit Jahren weit aus der Masse der „Steelstringer“ heraus. Darüber hinaus zeichnet er als Labelchef von Acoustic Music Records in besonderem Maße verantwortlich für die Entwicklung und Förderung der Gitarristenzunft schlechthin. Es gibt kaum einen international bekannten Namen, der nicht im Katalog des Osnabrücker Saitenvirtuosen geführt wird. Die Guitar Nights und das Open String Festival Tommy Emmanuel gehören unter den Liebhabern der akustischen Gitarrenmusik zu den wichtigen Terminen des Jahres.

Einer der Höhepunkte des Abends dürfte der Auftritt seines Kollegen und Freundes Tommy Emmanuel sein. Der australische Saitenmann ist berühmt für sein leidenschaftliches Spiel wie für seine mitreißende Bühnenpräsenz. Ein Künstler, der sein Publikum kennt und gekonnt umwirbt. In eine Musikerfamilie hineingeboren, ist Tommy bereits seit dem vierten Lebensjahr auf der Bühne zu Hause. In Australien bereits eine Ikone, schickt er sich an, den Rest der Welt zu erobern. Seine rege Konzerttätigkeit führt in seit Jahren regelmäßig auch auf deutsche Bühnen. Tommy gehört zu den „schärfsten“ Nummern im Bereich des virtuosen Fingerpickings. Seine tiefe Verehrung für Chet Atkins führte zu einer lebenslangen Freundschaft, die beinahe Vater-Sohn-Charakter annahm. So finden sich in Emmanuels Spiel natürlich deutliche Spuren der großen amerikanischen Vorfahren der modernen Fingerstylegitarre. Ebenso nahe liegend ist da wohl auch der Umzug des gebürtigen Australiers in den Süden der USA. Tommy Emmanuel wird sein neues Album The Mystery (s. u.) vorstellen.


TOMMY EMMANUEL
The Mystery

(Favored Nations Acoustic/Rough Trade)
12 Tracks, 39:08

Der australische Zauberer an den sehcs Stahlsaiten legt nach. Nach Endless Roads und seiner Live-DVD aus dem heimatlichen Ballarat folgt ein neuer Geniestreich des rastlos konzertierenden Virtuosen. Überschäumende Spiellust und knackige Grooves sind seit jeher Markenzeichen des durchaus traditionell verwurzelten Gitarristen, der sich immer wieder hörbar auf Chet Atkins oder Merle Travis bezieht. Emmanuel ist einer der großen Lyriker unter den saitenrasselnden Flitzefingern: „Ich schreibe einfach, aber mit großer Liebe zur Melodie.“ Und er erzählt gerne Geschichten. So entstehen fast unmittelbar Bilder und Szenen vor dem geistigen Auge des Hörers. „Lewis & Clark“ z.B. entführt uns in die atemberaubenden Weiten des pazifischen Nordens der USA. „Ich versuchte ein Gemälde des großen Unbekannten zu malen. Von den wunderbaren Landschaften und dem Zusammentreffen von Weißem Mann und Indianer. Die Herausforderung bestand darin, dies alles so einfach wie möglich zu sagen.“ Wie vor einiger Zeit die Kings of Convenience mit ihrem gleichnamigen Albumtitel den schönen Satz prägten „Quiet is the new loud“, könnte man bei Emmanuel mit Fug und Recht behaupten „Simplicity is the new complex“. Ein einziger Song mit seiner Verlobten Elizabeth Watkins befindet sich gewissermaßen im Herzen der CD. „Ich singe keinen Song, nur um zu singen. Jeder Song muss eine Botschaft haben.“ Botschafter mit einer derart überzeugenden Message wie Tommy Emmanuel kann sich die Welt nur wünschen.

Rolf Beydemüller

 

TOMMY EMMANUEL - The Mystery


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