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„Rockmusik macht alterslos“

Gianna Nannini

„Sich nicht vor anderer Leute Karren spannen lassen!“

go! www.giannanannini.com
Discographie
(Auswahl)

California (BMG Ricordi 1979)
Latin Lover
(BMG Ricordi, 1982)
Profumo
(Polydor/Universal, 1986)
Maschi E Altri
(Polydor/Polygram 1987)
Scandalo
(Polydor/Universal, 1990)
Aria
(Polydor/Universal 2002)
Perle
(the-berliner.com/SPV 2004)
Grazie
(Polydor/Universal 2006)
    Grazie
 
Buch:
Ich
, Autobiographie,
   Berlin: List/Ullstein, 2006, 224 S.
    ich

Zu erklären, wer Gianna Nannini ist, sollte überflüssig sein - immerhin handelt sich bei ihr um die italienische Rockröhre Nummer eins. Damit jedoch fand sie, trotz Sprachbarriere, lange Zeit in Deutschland mehr Zuspruch als im konservativen, biederen Italien - sowohl ihre Texte als auch ihr Lebenswandel waren für dortige Verhältnisse zu wenig normgerecht. Als Nannini 1979 beispielsweise im Song „America“ auf ihrem dritten Album California von Selbstbefriedigung sang, löste das in ihrer Heimat prompt einen Skandal aus. In den deutschsprachigen Ländern schaffte sie mit eben diesem Song den Sprung in die Charts.

Die frühen 80er prägten Nannini musikalisch durch ihre dauerhafte Zusammenarbeit mit dem Kölner Produzenten Conny Plank (bis zu dessen Tod im Jahr 1987), was sich in dem erfolgreichen Album Latin Lover (1982) niederschlug. In dieses Jahrzehnt fällt, dank der Betreuung durch ihren Schweizer Manager Peter Zumsteg, auch ihr endgültiger, künstlerischer wie kommerzieller Durchbruch: Im Jahr 1986 erschien ihr Hitalbum Profumo, ein Jahr darauf Maschi E Altri. Als sie 1990 mit Edoardo Bennato das Lied „Un’Estate Italiana“ zur Fußball-WM sang, war sie in ihrer Heimat und weltweit in aller Munde.

Ihre eigentlichen Wurzeln sieht Gianna Nannini überraschenderweise in der Folkmusik ihrer Heimat, hat sie doch schon immer auch italienische Volkslieder und Balladen in ihrem Repertoire gehabt. Neben dem sprichwörtlichen „Rockstar mit Reibeisenstimme“, worauf man sie zu leichtfertig reduziert, war sie schon immer auch eine Songschreiberin - mit Sinn für Inhalte und Drang nach Kompromisslosigkeit in ihren Botschaften. Deren, teilweise hochpolitische, Inhalte lebt sie auch selbst - seit langem Gianna Nannini ist Nannini beispielsweise Aktivistin für Greenpeace -, trennt dies jedoch streng von ihren musikalischen Tätigkeiten.

Mit dem Album Aria (2002) wandte sich die Rockröhre, deren Liveauftritte wegen ihrer enormen Energie im Gedächtnis haften bleiben, eher symphonischen Elementen und elektronischen Klängen zu. Auf Perle (2004) schließlich - so akustisch war Gianna Nannini noch nie - bezog die Musik ihre Spannung aus der Verbindung von Nanninis Stimme, zwei Klavieren und dem neapolitanischen Solis-Streichquartett. Das dieses Jahr erschienene Album Grazie zeigt eine tendenzielle Rückwendung zum Rock, bewahrt dabei aber doch den symphonischem Untergrund.

Gerade erschienen ist ihre lesenswerte Autobiographie Ich - rechtzeitig zu ihrem 50. Geburtstag, den sie diesen Sommer feierte. Aber auch im Folker!-Gespräch wird eines klar: Es gibt noch viel zu entdecken, wenn es um diese grandiose Frau geht.

Von Carina Prange

Gianna, von Anfang an reichte die stilistische Bandbreite deiner Songs von Folk bis zu Balladen und Rocksongs. Wie wichtig ist diese Flexibilität für einen Musiker, um im Geschäft zu bleiben?

Was die Vielseitigkeit angeht, ist für mich die Rockmusik sehr eng mit den Folkroots meines eigenen Landes verknüpft. Der Einfluss meiner Heimat, der Toskana, spielt eine Rolle darin, wie ich meine Stimme einsetze: Sie spiegelt den Blues der Toskana wider, wenn man so will. Letztendlich hat jedes Land seinen eigenen Blues. Meine Karriere habe ich nie als Geschäft angesehen, als Business. Sie ist vielmehr eine Mission für mich, etwas, das ich habe, um meine Gabe einsetzen zu dürfen. Denn eine Stimme zu haben, Gianna Nannini Musik schreiben zu können, ist eine Gabe, ein Geschenk. Ich denke, die Musik gleicht in vieler Hinsicht einem Traum - es gibt kein festes Ziel, kein Ende und keinen Anfang, sondern immer nur wechselnde Anfänge, an denen bestimmte Dinge als Fixpunkte erscheinen.

Deine Liveauftritte und deine Alben kontrastieren in der sehr emotionalen Präsentation auf der Bühne und einem kontrollierten künstlerischen Statement im Studio. Wie schaffst du es, diese geballte Energie aufzubauen und rauszulassen, diesen Drive und diese Power deiner Gianna Nannini Konzerte, manchmal gar - wie bei der Tour für das Perle-Album - mit kleiner Band und Streichern?

Wenn ich auf der Bühne stehe, ist es beinahe so, dass mich der Geist der Musik übermannt, mich zum Werkzeug macht. Es ist eher ein „Besessensein“ als der primäre, vordergründige Wunsch, die Leute zu unterhalten. Ich agiere, aber so, als ob ich auf etwas von außen Kommendes antworten würde. Manchmal gehe ich nach einer durchgemachten Nacht auf die Bühne, ohne geschlafen zu haben. Egal, ich gehe. Und ich singe genauso gut. Dort oben fühle ich, dass ich da stehe, um zu kommunizieren. Nicht, um mit mir selbst einen Monolog zu führen, sondern einen Dialog mit den anderen. Ich vergesse auf der Bühne mich selbst, werde zu einer Art Medium, zu einem verlängerten Arm des Publikums. Als Brücke zwischen Ratio und Gefühl.


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im Folker! 6/2006