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„Fairttrade-Label“ für die Musik gefordert

Weltmusik, ein Missverständnis?

Symposium in Essen ohne Funkhaus Europa

Traditionelle Musik wird durch Kommerzialisierung bedroht
Gespräch mit Alain Weber

Sie machen sich Sorgen um das Aussterben der traditionellen Musik. Warum?


Mich interessiert der Musiker in seiner kulturellen und sozialen Rolle. Er ist das Gedächtnis eines Volkes, er ist jemand, der musikalische Traditionen weiterträgt. Der Volksmusiker spielt eine wichtige Rolle für die traditionelle Gesellschaft: Er begleitet Hochzeiten, er macht Musik, damit der Regen kommt, er wird gerufen um für die Kranken zu singen - er begleitet den Menschen von der Geburt bis zum Tod. Er hat so etwas wie eine spirituelle, mystische Rolle. Aber weil seine Musik durch die Kommerzialisierung aus seinem natürlichen Kontext gerissen wird, ist sie bedroht.

Sie sagen aber auch, dass der Musiker in der gesellschaftlichen Rangordnung ganz unten steht. Das ist doch ein Widerspruch.


Er hat eine herabgesetzte Rolle, er wird emotional ausgebeutet. Denn der Musiker produziert Emotionen, die einen umwerfen können. Seine Rolle ist vergleichbar mit der einer Frau: Sie wurde in der Geschichte oft erniedrigt, weil sie Begierde auslöste. Die emotionalste Musik kommt meist von Mitgliedern unterdrückter Völker: Zigeuner, Juden, Kurden.
Mehr Fragen stellte Natalie Wiesmann - nachzulesen im Folker!

Es war wie ein Déjà-vu: Beim Symposium „Weltmusik, ein Missverständnis?“ Anfang Mai im Weltkulturerbe Zeche Zollverein in Essen Plakat wurde aus dem Publikum die Frage gestellt, warum Funkhaus Europa nicht eingeladen worden sei. Genau wie vor zwei Jahren auf der Weltmusikmesse WOMEX: Am gleichen Ort regten sich Zuhörer einer Podiumsdiskussion darüber auf, wie man die im Bereich der Weltmusik so erfolgreiche Welle des WDR einfach ausklammern könne. In beiden Fällen war der Veranstalter das NRW KULTURsekretariat in Wuppertal. In beiden Fällen ging es darum, die „echte“ Weltmusik von der kommerziellen in irgendeiner Weise abzugrenzen.

Von Natalie Wiesmann

„Die Sache der Weltmusik könnte auf einem fatalen Missverständnis beruhen: Eine unübersichtliche Vielfalt von Musiken wurde womöglich auf den einfachsten Begriff der Tanzbarkeit und Konsumierbarkeit reduziert“, heißt es da schon in der Einladung. Der Argwohn gegen Kommerz-Weltmusik erklärt wohl auch, warum ein Vertreter des gehobenen Kultursenders WDR 3 und nicht Kasyna einer des Multikulti-Tanzmusiksenders Funkhaus Europa die Diskussion moderierte. Doch darum ging es dem jungen Mann aus dem Publikum nicht einmal. Ihm hätte es schon gereicht, wenn ein Vertreter von Funkhaus Europa als Podiumsgast eingeladen worden wäre. „Sie sprechen immer von einem Dialog, warum sprechen Sie dann über und nicht mit Funkhaus Europa?“, fragte er. Die Diskussion sei ihm zu abgehoben. Für ihn sei „gesampelte Musik genauso wertvoll und innovativ wie hausgemachte“. Vor zwei Jahren auf der WOMEX wurde zusätzlich von Sozialpädagogen bemängelt, dass etwa Rap, den Migrantenkinder von sich aus produzierten, mehr gefördert werden müsse - statt das Geld nur in abgehobene ethnische Musik für gebildete Deutsche zu stecken. Die Ressourcen, die Migranten durch ihre Steuergelder seit Jahrzehnten auch im Bereich der Kultur aufgebracht haben, müssten endlich auch ihnen zur Verfügung stehen. Auch das hatte damals ein Besucher eingeworfen.

Diskussionsleiter Werner Fuhr verwies darauf, dass die eher musikwissenschaftliche Sicht auf das Thema zu einer dementsprechenden Benja Gasy Zusammensetzung des Podiums geführt habe, die nicht das gesamte Spektrum erfasse. Beim Symposium in Essen ging es zudem vornehmlich um die Musik, die andernorts entsteht. So beschrieb der Musikwissenschaftler Moya Malamusi aus Malawi die Welt des Mundbogens, eines afrikanischen Instruments, und die Musikethnologin Barbara Wrenger sprach vor etwa 20 Menschen über Famoudou Alain Weber Donald Kachambas Kwela Heritage Jazzband Konate, den berühmtesten Trommler Guineas, und seine Beziehung zu Europa. Zur anschließenden Podiumsdiskussion waren neben den acht Referenten ebenfalls nur etwa zwei Dutzend Zuhörer gekommen.

Wäre mit ein bisschen weniger Abgrenzung das Interesse vielleicht doch größer gewesen? Christian Esch, Direktor des KULTURsekretariats wollte sich nicht sagen lassen, er gehe einem Dialog mit den Vertretern der Mainstreamweltmusik aus dem Weg: Bei der WOMEX-Diskussion habe man damals das Funkhaus Europa eingeladen, es sei aber niemand gekommen. „Da ist keine Mauer, das sind nur unterschiedliche Wellen“, sagt Esch. Bei Funkhaus Europa heißt es, man sei weder vor zwei Jahren bei der WOMEX noch zu diesem Symposium eingeladen worden.


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im Folker! 4/2006