Franzosen gefallen sich gerne als Kämpfer gegen den US-Kulturimperialismus. Sie wehren sich dagegen, dass Kultur eine normale kommerzielle Ware sei und schützen in ihrem Rundfunk französischsprachige Musik durch eine 40%-Quote. Eigentlich gute Rahmenbedingungen für die französische Folkmusik. Und doch ist sie kaum weniger marginalisiert als traditionelle Musik im Rest Europas.
Von Christian Rath
Wenn es um die Verteidigung französischer Kultur geht, stehen Chanson, französischer Rock, Electro, ja, sogar französischsprachige Weltmusik eher im Vordergrund. Als Symbol kultureller Autonomie eignet sich Folkmusik schon deshalb wenig, weil sie in der Regel Ausdruck von Regionalkulturen ist - was im zentralistisch geprägten Frankreich auch heute noch bei manchem Abwehrreflexe auslöst. Viele Folkaktivisten nutzen dagegen gerne den Begriff „musiques traditionelles“ im Plural.
Am „französischsten“ ist die französische Folkmusik vermutlich in den zentral gelegenen Regionen Limousin und Auvergne und um sie herum, wo Bourrée getanzt wird und es heute noch eine verwirrende Vielfalt von Dudelsäcken gibt. Auch die Drehleier gehört hier zur instrumentalen Tradition. In Saint-Chartier findet jährlich im Juli das wohl wichtigste französische Folkfestival statt, mit Konzerten, Folktanz bis zum Morgen und vielen Instrumentenbauern. Im Dorf Gennetines bei Moulins trifft sich anschließend die europäische Folktanzszene zum „Grand Bal de l’Europe“. Prominente Musiker der Region sind die experimentierfreudigen Drehleierspieler Gilles Chabenat und Patrick Bouffard oder die Dudelsackspieler Jean Blanchard und Éric Montbel. Wichtige Bands sind das Trio DCA und das Duo Godon-Thézé.
Die lebendigste Szene Frankreichs findet sich aber nach wie vor in der Bretagne. Etwa die Hälfte aller französischen Folk-CDs kommt aus dieser Region im Nordwesten. Die Bretagne versteht sich als kulturell eigenständiges Gebiet, das seine Verbindungen weniger mit dem französischen Zentralstaat sucht als mit den anderen keltisch geprägten „Nationen“ Irland, Schottland, Wales, Galicien und Asturien. Am deutlichsten wird dieses Selbstverständnis beim jährlichen Festival Interceltique in Lorient, einem der größten Festivals Europas.
Typisch für die traditionelle bretonische Musik sind der unbegleitete Wechselgesang (kan ha diskan) und das couple sonneur bestehend aus Dudelsack und Bombarde (einer Urform der Oboe). Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Bagads hinzu, Orchester aus Bombarden, Dudelsäcken und Schlagwerk. Auf den bretonischen Tanzfesten (fest-noz) spielen heute aber überwiegend vier- bis sechsköpfige Bands wie Carré Manchot, Sonerien Du, Spontus, Loened Fall, Karma oder Emsaverien. Den meisten Swing hat Skolvan, am funkigsten ist Katé-Mé, am elektronischsten Pascal Lamour.
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