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Folker!-Labelporträt (21):

Conträr

Roll on, Rolf!

go! www.contraermusik.de

Irgendwann war Rolf Limbach es leid. Der Experte für GEMA- und Lizenzfragen innerhalb des inzwischen Konkurs gegangenen EFA-Vertriebs sah einfach nicht mehr ein, warum er für die raren LPs aus den Bereichen Liedermacher und Kabarett, die ihm in seiner Sammlung fehlten, auf Plattenbörsen und Flohmärkten sauer verdientes Geld und kostbare Zeit verschwenden sollte. Als er für eine rare Hanns-Dieter-Hüsch-EP aus den 60er Jahren einen dreistelligen Betrag hinlegen sollte, riss dem sonst so besonnenen Hanseaten endgültig der Geduldsfaden. Seine Reaktion war so radikal wie logisch: Er verkaufte kurzerhand einen Teil seiner Plattensammlung und sicherte sich mit dem Erlös die Rechte an der gesuchten und einer weiteren frühen Hüsch-Platte - Carmina Urana und Typisch Hüsch, beide ehemals auf Pläne. Für deren Wiederveröffentlichung gründete er im September 1993 sein eigenes Label, Conträr. „Als ich Hanns Dieter die CD nach einem Auftritt in Hamburg voller Stolz präsentierte, hat er sie erst mal wutentbrannt in eine Ecke geworfen und sich fürchterlich darüber aufgeregt, dass ihn niemand über die erneute Veröffentlichung dieser Aufnahmen informiert hatte.“ Und auch von anderer Seite blies Limbach der Wind ins Gesicht: Denn bei seinem Arbeitgeber sah man die Nebenaktivitäten gar nicht gerne und stellte ihn vor die Wahl - der Job oder das Label. Limbach entschied sich für letzteres. Zum Glück.

Von Ralf Bei der Kellen

Rolf Limbach

Er fand eine neue Stelle in derselben Position beim EFA-Konkurrenten Indigo, und auch mit Hanns Dieter Hüsch freundete er sich trotz des denkbar schlechten Starts noch an. Limbach beschränkte sich zunächst darauf, schon lange aus dem Programm der großen Plattenfirmen gestrichene LPs seiner „alten Favoriten“ wie Wolfgang Neuss oder Dieter Süverkrüp in digitaler Form neu aufzulegen. Die damalige Veröffentlichungspolitik lässt sich am besten mit dem Adjektiv „sporadisch“ charakterisieren, schließlich war da ja noch der Ganztagsjob. Dann aber packte ihn doch der Ehrgeiz und er begann, in den Archiven der Rundfunkanstalten nach bislang unveröffentlichtem Material zu suchen. Er wurde fündig und machte in der Folge eine ganze Reihe historisch wertvoller Aufnahmen einem breiten Kreis an Hörern zugänglich. Das erste Highlight dieser Reihe war die Aufnahme des legendären Quartett ’67 (Conträr 04) aus den Archiven des Saarländischen Rundfunks, das Limbach auf einen Tipp von Hanns Dieter Hüsch ausgrub. Für nur ein einziges Konzert hatten sich 1967 in Anlehnung an die Beatles vier führende Köpfe des deutschen Kabaretts zusammengetan: Franz Josef Degenhardt und Dieter Süverkrüp spielten Gitarre, Hüsch saß am Klavier und Neuss bearbeitete in seiner unnachahmlich unmusikalischen Art das Schlagzeug. Heraus kam kein gebügelter Beat, sondern eines der schärfsten und treffendsten Kabarettprogramme, die jemals im Nachkriegsdeutschland aufgeführt wurden. Die vier Protagonisten stachelten sich gegenseitig zu Höchstleistungen an und so gehört diese Aufnahme auch heute noch zu den Sternstunden der deutschen Kabarettgeschichte.

Weitere Höhepunkte aus dieser Zeit sind die CD Ach, das könnte schön sein (Conträr 08), die das gesungene Werk Wolfgang Neuss’ zusammenfasst, und die Sammlung musikalischer Hüsch-Preziosen Kabarett-Chansons der Rolf Limbach frühen Jahre (Conträr 10), auf der Hüsch mit swingenden Jazzaufnahmen von 1950-57 zu hören ist.

Aus Alt mach’ Neu

Die Jahre gingen ins Land, und Limbach rettete immer mehr der gesprochenen und gesungenen Worte von Liedermacher- und Kabarettgrößen in das digitale Zeitalter herüber. Zu den bereits erwähnten kamen nun noch Namen wie Ulrich Roski, Schobert & Black, Dietrich Kittner oder Hannes Wader. Darüber hinaus gab Limbach mehr und mehr aktuellen Musikern und Wortartisten wie Konrad Beikircher, Manfred Maurenbrecher oder dem Ausnahmekünstler Hans-Eckardt Wenzel ein neues Zuhause. Auf seine Zusammenarbeit mit Wenzel ist Limbach besonders stolz. Und das zu Recht - denn wenn es einen würdigen Nachfolger in der Tradition der Liedermacherszene der 60er und 70er Jahre gibt, dann ist es Wenzel. Seine Live-CD Grünes Licht ist ein weiteres Highlight des Conträr-Katalogs. (Unter dem Titel Halb und Halb erschien im letzten Jahr zusätzlich eine DVD des Konzertes; Conträr veröffentlichte außerdem den Backkatalog des Sängers, inklusive des 1986 für das DDR-Label Amiga entstandenen Debütalbums Stirb mit mir ein Stück). Die CD Ticky Tock - Wenzel singt Woody Guthrie war bei Kritik und Publikum ein Riesenerfolg; von 2000 bis 2002 heimste Wenzel dreimal in Folge den Preis der deutschen Schallplattenkritik ein. Neun Wenzel-Veröffentlichungen sind bis heute bei Conträr erschienen.


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im Folker! 2/2006