(Auswahl)
Los Kipus Con Eva Ayllón (Iempsa, 1977) |
Der Durchschnittseuropäer verbindet mit peruanischer Musik vor allem den legendären „Condor“, den Indios in bestickten Ponchos zum Klang der Panflöte in den Fußgängerzonen von Lissabon bis Stockholm über den Häuptern der Passanten kreisen lassen. Die música criolla hingegen, eine Verschmelzung von Indioklängen mit europäischen Gesellschaftstänzen, oder die música negra der Afroperuaner ist in der alten Welt nahezu unbekannt. Eva Ayllón ist seit 35 Jahren die unangefochtene Meisterin dieser Musikstile, in ihrer Heimat kennt und verehrt sie jedes Kind. Jetzt will sie auch Europa erobern.
Von Suzanne Cords
Dass man hierzulande unwissendes Kopfschütteln erntet, wenn man Eva Ayllóns Namen erwähnt, ist kein Wunder, denn lange Jahre hatte die Sängerin keine Ambitionen, ihre Kunst über die Grenzen ihres Heimatlandes hinwegzutragen. „Ich habe zu Hause alles erreicht, was man sich nur wünschen kann“, sagt sie lächelnd. „Zu meinen Konzerten kommen 30.000 Leute, im Radio spielt man täglich meine Musik, meine Platten verkaufen sich glänzend. Ich habe alles, was ich brauche. Warum sollte ich die Strapazen einer Tournee im Ausland auf mich nehmen, wenn daheim ein kuscheliges Zuhause wartet?“
Jetzt hat Eva Ayllón sich doch dazu entschlossen. Schuld an dem Sinneswandel ist die Liebe. Vor knapp einem Jahr hat sie einen US-Amerikaner peruanischer Abstammung geheiratet und ist zu ihm nach New Jersey gezogen. Und da Singen, wie sie sagt, ihr Schicksal ist und ihre Musik auch im fernen Nordamerika ankommt, will sie jetzt ebenso in Europa als Botschafterin peruanischer Musik antreten. „Auch wenn ich mich manchmal schon zu alt dafür fühle, jetzt noch um den Globus zu jetten“, sagt sie. Doch die ersten Schritte in Richtung internationaler Karriere sind längst gemacht. 2003 verewigte David Byrne ihre Stimme auf der Kompilation The Soul Of Black Peru, was ihr in der Folge gleich zwei Latin-Grammy-Nominierungen eintrug.
Ayllón gehört in Peru zur schwarzen Minderheit, die gerade mal vier Prozent der Bevölkerung ausmacht. Ihre Vorfahren, die als Sklaven in die neue Welt verschleppt wurden, entwickelten Musikstile, die heute als música negra bekannt sind. Den landó zum Beispiel oder den toromata. „Der landó ist mein absoluter Favorit“, schwärmt Eva Ayllón. „Ursprünglich drückten die Sklaven in diesem klagenden Rhythmus ihr Leid und ihren Schmerz über ihr grauenhaftes Schicksal aus. In der toromata hingegen machten sie sich über den spanischen Patron lustig, indem sie seine Kleidung und seine Marotten imitierten. Heute hat sich das natürlich geändert, landós handeln nicht mehr von ausgepeitschten Sklaven und vergewaltigten Frauen, sondern erzählen Geschichten aus der Gegenwart. Der toromata ist immer noch fröhlich, aber es geht natürlich nicht mehr um den Patron. Und fast hätte ich die festejos nicht erwähnt, Lieder voller Lebensfreude, die - wie der Name schon verrät - bei Fiestas gesungen werden und zum Tanzen animieren.“ Auch der vals, die Latinovariante des Wiener Walzers mit leichten Salsa-Anklängen, oder der melancholische Bolero gehören zum Repertoire der stimmgewaltigen Sängerin, die damit alle für die Küstenregion rund um Lima so typischen Stile meisterhaft beherrscht.
Hier erblickte Eva Ayllón am 6. Februar 1956 in Lince, einem ärmlichen Stadtteil Limas, als María Angélica Ayllón Urbina das Licht der Welt. Sie war das älteste von 14 Geschwistern und wuchs bei ihrer Großmutter auf. Kein anderes Mitglied der Großfamilie war sonderlich musikalisch, und deswegen glaubt Eva Ayllón manchmal, dass die Reinkarnation eines Musikers aus ihr spricht. Nur la abuelita, Oma Eva, hatte Verständnis für das ungeheuere Verlangen ihrer Enkelin nach Musik.
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