„Zu Hause ist, wo ich bin“, sagt Ida Kelarová, und man glaubt ihr unwillkürlich, hört man sie, sieht man sie - mitten auf der Bühne, mitten unter Sängern und Sängerinnen verschiedenster Nationalitäten oder im Kirchenschiff mitten im alten Zigeunerviertel von Prag, das sie singend langsam durchschreitet. Sie wirkt gewaltig - wie ein Fels in der Brandung, möchte man beinahe als Metapher bemühen -, eine große kräftige Frau mit einer großartigen und enorm kraftvollen Stimme.
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(Auswahl)
Muj Domov Je, Kde Jsem Já - |
Aber das Bild stimmt nicht. Die Idee von Stein, Statik, Stehenbleiben oder Verhaftetsein wäre völlig fehl am Platz. Wir haben es eher mit einer schier unaufhaltsamen Bewegung zu tun. Langsam, aber stetig geht sie ihren Weg, zieht sie ihre Kreise, ihre Bahn - und auf diese Weise mittlerweile Hunderte, ja Tausende in ihren Bann. Und zwar rund um den Globus.
Von Cathrin Alisch
Ida wurde in eine Musikerfamilie geboren - die Mutter Tschechin, der Vater Roma. Koloman Bitto war selbst ein exzellenter, anerkannter Musiker, der seinerseits aus einer traditionellen Musikerfamilie rumänisch-ungarischer Roma stammte, für die Musik lebte und seine eigene Begeisterung an zwei seiner drei Töchter weitergab: an Ida und ihre nicht weniger bekannte Schwester, die Geigerin und Sängerin Iva Bittová. Die beiden großen tschechischen Künstlerinnen begegnen sich heute oft nur flüchtig auf den Flughäfen der Welt - jeweils auf dem Weg zum nächsten Konzert -, sind jedoch sehr stolz aufeinander und wissen, bei aller stilistischen Verschiedenartigkeit ihrer Musik, sehr genau die gemeinsamen Quellen ihrer Kraft und Inspiration zu orten. Der frühe Einfluss des Vaters und seine innige Verwurzelung in der Romatradition - eine Tradition, die Liebe, Leben und Musik in einem Atemzug denkt, sagt und singt - bleiben prägend für Ida und bedeuten Herausforderung, Bestätigung und emotionale Heimat zugleich - trotz oder gerade wegen aller Umwege und Querschläge, die das Leben manchmal mit sich bringt.
Ida Kelarovás Gesangsphilosophie |
Ida wird zunächst klassisch ausgebildet, studiert Cello und Klavier am Janácek-Konservatorium in Brno (dem ehemaligen Brünn) und arbeitet mit freien Theatergruppen. Sie will die Musik gänzlich aufgeben, schließt sich dann aber dem legendären avantgardistischen Diwadlo na Provázku („Theater am Faden“) an. Dort experimentiert sie mit Möglichkeiten stimmlicher Expression und darstellenden Spiels.
Erneuter Bruch: Ida geht 1982 nach Wales, 1985 nach Dänemark, drei Jahre später nach Norwegen, dann wieder zurück nach Wales - und durch die dunkelste Zeit ihres Lebens, wie sie selbst sagt; allerdings auch durch die wichtigste, die alles, was folgt, vorbereitet. Als ihr Vater stirbt, wird sie sich seines ideellen Erbes - Musik als Medium - bewusst und tritt es in einer Dimension an, die Koloman Bitto in seinen kühnsten Träumen nicht hätte vorwegnehmen können. Die Platte My Home Is Where I Am ist ihm gewidmet.
Ida entwickelt eine eigene Stimmtechnik, die der emotionalen Tiefe der Romalieder entspricht, sowie eine eigene Methodik in der Vermittlung dieses authentischen Zugangs dazu, die Sängern und Sängerinnen bzw. Bühnenkünstlern und -künstlerinnen allgemein gestattet, sich über die eigene Stimme an halbbewusste Ebenen, Verdrängtes und Vergessenes anzunähern. Seit 1983 arbeitet sie als Stimmtrainerin (wobei diese Bezeichnung eigentlich wiederum zu kurz greift) am Roy Hart Theatre in Frankreich, am Odin Teatret Dänemark und in vielen verschiedenen Projekten in England, Norwegen, Deutschland und Tschechien.
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