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The Malopoets, |
Wer Liedermacher ist und schwarz und aus Südafrika, muss in aller Regel auf eine von Schrecken, Trauer, Wut und Entsetzen durchwirkte persönliche Geschichte zurückblicken. Meist auch auf eine ebensolche Gegenwart, denn die Folgen der Apartheid sind längst nicht ausgestanden. Gewaltexzesse, Alkohol, Drogen und Kriminalität sind in den von tiefster Armut und Perspektivlosigkeit gezeichneten Ghettos - genannt Townships - täglich zu erleben und strahlen bis weit in die Städte hinaus, allen voran Johannesburg. „Die Mentalität hat sich nicht so schnell geändert wie das Recht“, sagt Sam Tshabalala mit Blick auf die Fortschritte seit den ersten freien Wahlen 1994. Er meint damit beide Seiten, denn die einen müssen erst lernen, mit der neuen Freiheit umzugehen, die anderen, empfindliche Einschränkungen hinzunehmen. Tshabalala selbst hat es nicht mehr ausgehalten und ist 1985 nach einer Tournee in Paris geblieben. Bis heute.
Von Luigi Lauer
„Ich singe vielfach noch von der Vergangenheit, mehr aber von Gegenwart und Zukunft. Nehmen wir zum Beispiel das Lied ‚Soneni’. Es ist dem 19-jährigen Sohn meiner Schwester gewidmet, der im Mandela Village erschossen wurde. Mandela Village ist nur eines von vielen Ghettos, in denen die Armut regiert.“ Das geschah keineswegs zu Apartheidszeiten, sondern im Oktober 2003, und Mandela Village ist eines der übelsten Ghettos, bei Pretoria gelegen, Südafrikas Hauptstadt. „Soneni“ findet sich auf Tshabalalas neuestem Album Meadowlands, ein Titel, der auf die millionenfache Abschiebung von Schwarzen (neben anderen - es gab ein ganzes Farbskalierungssystem) aus den Städten in so genannte Homelands oder Vorstadtghettos hinweist - ödes, unfruchtbares Land, wo sie zwar außer Sichtweite waren, aber nahe genug, um in den Städten und Minen arbeiten zu können. Nur zum Vergleich: Soweto bei Johannesburg hat geschätzte 2,2 Millionen Einwohner auf 67 km², Berlin 3,5 Millionen auf knapp 900 km². Und Sowetos Häuser sind nicht mehrgeschossig ...
Tshabalala, Gitarrist und Sänger, gründet 1978 mit einigen anderen Musikern die Band The Malopoets. Die Unruhen nach dem Massaker von Soweto 1976 ebben gerade erst ab, Pieter Willem Botha löst Vorgänger John Vorster ab und veranlasst auf außenpolitischen Druck hin die Abschaffung mehrerer Apartheidgesetze. Ein bisschen Frühlingsluft setzt ein, doch Rechtslage und Realität bleiben weit voneinander entfernt. Die Malopoets greifen diese Stimmung auf, und obwohl sie - ein Novum - in verschiedenen Sprachen wie Shangaan, Sotho, Tswana und Zulu singen, kommen sie bald auf den Rundfunkindex und man bereitet ihnen auch sonst allerlei Probleme. Eine weitere Welle von Streiks und Unruhen erfasst Südafrika 1984, viele Townships werden vom Militär besetzt, 1985 wird ein begrenzter Ausnahmezustand ausgerufen. Wegen jeder Kleinigkeit wird jetzt sofort geschossen. 1984 gehen die Malopoets erst auf Europatournee als Vorgruppe von Touré Kunda, 1985 sind sie auch in Amerika unterwegs. Zurück in Paris, spielen sie noch das Album Life Is For Living für Virgin France ein, da entscheidet sich Tshabalala, zu bleiben. Die meisten seiner Kollegen aber haben Familie in Südafrika und kehren zurück. Als dann 1986 der nationale Ausnahmezustand verhängt wird, sind die Tage der Malopoets gezählt.
Als sei es ihre letzte Amtshandlung gewesen, andere zum Durchhalten zu bewegen, kommt ausgerechnet jetzt der Amerikaner Paul Simon mit seinem Graceland-Album. Blauäugig, aber effektiv verstößt er (mit breiter Zustimmung nicht nur seitens der beteiligten südafrikanischen Musiker) gegen den internationalen Kulturboykott gegen Südafrika und gibt den Apartheidskritikern Rückenwind. Zu spät für die Malopoets, die wegen der Apartheid und des Kulturboykotts weder zu Hause noch sonst wo auftreten können. Offiziell lösen sie sich erst 1989 auf, sind aber schon seit drei Jahren kaum noch aktiv. Nur ein Jahr später wird Nelson Mandela, der bereits 1982 von Robben Island in die „Präsidenten-Suite“ des Kapstädter Pollsmoor-Gefängnisses verlegt wurde, entlassen. The rest is history.
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