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Musik als Organismus

    Tächa

Berner Oberländer Klänge im Zeichen der Alpendohle

go! www.taecha.ch
go! www.leierchischte.ch
Bilder von Jost von Allmen:
go! www.jostvonallmen.com
Discographie
(erhältlich über die Website)

Tächa
Tächa flyg! (Zytglogge, 2000)
Musik und Bilder aus den Schweizer Alpen

   (DVD, Eigenverlag, 2002)
Wasser
(Sound Service, 2003)
      Tächa - Tächa flyg!
Leierchischte
Lieder us der Gschichte-Chischte
   (Zytglogge, 1999)
Di Blaui
(Zytglogge, 2004)

unterwegs:
10.06.06: Grindelwald (CH),
   Schlussfest Eiger Live

Wer immer in den Schweizer Alpen auf der Terrasse eines Bergrestaurants die Aussicht genossen hat, wird sie gesehen haben, die Tächi, die Alpendohlen. Fast möchte man glauben, sie flögen nur herbei, um den japanischen Touristen ein Fotosujet abzugeben. Eigentlich betteln sie nur ums Brot und die Pommes der Gäste. Das machen sie mit so viel Flugkunst Tächa - Peter Bruhin und Thomas Kupper und Charme, dass niemand ihnen einen Bissen verweigert.

Von Martin Steiner

Die Tächi, wie die Vögel in den Tälern von Lauterbrunnen und Grindelwald im Berner Oberland genannt werden, hatten es schon dem kleinen Ueli von Allmen angetan. „Als Kinder fütterten wir die Tiere und machten sie handzahm.“ Längst erwachsen, wollte von Allmen wissen, wie eine Tächa fühlt, wenn sie sich in die Lüfte schwingt. So trat er 1987 dem Gleitschirmfliegerclub „Jungfrautächi“ bei. Schon bald wurde ihm klar: „Mit einem Gleitschirm werde ich nie so frei fliegen können wie eine Dohle.“ Doch die Liebe zu den Dohlen und ihren Flugkünsten ist dadurch nur noch größer geworden und hat sein Leben nachhaltig geprägt. Der Grund: Der Präsident des Gleitschirmclubs fragte Ueli von Allmen, ob er nicht einmal ein Lied über eine Tächa schreiben wolle. So entstand nicht nur das Lied „Tächa“, auch der Name der Band war geboren. Das Stück wurde im Berner Oberland zum kleinen Hit. Fortan begrüßten die Bahnarbeiter des Tales den Musiker nur noch mit „Hallo Tächa“, was Ueli von Allmen ehrte. Die Band Tächa ist für den Musiker die Erfüllung dessen, was er sich schon als 19-Jähriger ins Tagebuch geschrieben hatte: Er wollte einerseits eine große Familie, andererseits mit seiner Musik Kinder und Erwachsene vernetzen, zusammenführen, ihnen Kraft geben. Diesen Maximen ist er bis heute treu geblieben. Von Allmen ist durch und durch ein Familienmensch. Er hat vier, teilweise schon bald erwachsene Kinder.

Musik für Kinder ...

Noch immer unterrichtet er in Schulen Musik. Mit einem traditionellen Musik- und Singunterricht hat das allerdings nicht mehr allzu viel gemeinsam. „Ich motiviere die Kinder, dass sie selbst ein Instrument in die Hand nehmen. Bei mir wird während einer Stunde mit den verschiedensten Gegenständen Musik gemacht, getanzt, getrommelt und gesungen - natürlich alle zusammen. Wichtig ist mir, dass die Kinder ihren Selbstwert aufbauen, Selbstvertrauen gewinnen. Ich will Ihnen sagen: ‚Schau, da stehst du, deine Musik geht ab, du bist wer und du bist gut.’ In einer Zeit, wo Jugendliche in der Schweiz kaum Lehrstellen finden, ist dies enorm wichtig.“ Das Porträt von Ueli von Allmen auf der DVD Tächa flyg! zeigt eindrücklich, wie er das macht. Die Kinder sitzen am Boden in einem Kreis, rollen sich Klangkugeln zu, während er mit seiner Gitarre den Takt zupft und keinen Moment das Geschehen aus den Augen lässt. Die Arbeit mit Kindern führte auch zur Zusammenarbeit mit dem Multiinstrumentalisten Roland Schwab, mit dem er das Duo Leierchischte gründete. Mit der „Leierchischte“ gehen die beiden Musiker mit einer Vielzahl von Instrumenten in Schulen und spielen mit den Kindern zusammen ihre Lieder. Die aktuelle CD Di Blaui und das dazugehörige, liebevoll gestaltete Text- und Notenbuch vermitteln eindrücklich, wie die Musiker mit den Kindern arbeiten. Hier wird keine geschmäcklerische Kindersülze präsentiert. Vielmehr schaffen es von Allmen und Schwab, die einfachen Texte mit passenden Klängen zu verbinden. Fast bereut man es als Erwachsener, schon lange der Kindheit entwachsen zu sein. Tächa - Ueli von Allmen, Peter Bruhin und Stefan Dorner Zu schön wäre es, nach Herzenslust Instrumente zu wählen und den Takten und Melodien nachzufühlen.

... und Erwachsene

Doch Ueli von Allmen hat auch für uns Erwachsene etwas anzubieten. Tächa, die Alpendohle, soll Musikerinnen und Musiker verschiedenster Couleur zusammenbringen. Die Vielseitigkeit zeigt sich schon in der Zusammensetzung des Quartetts. Da ist Peter Bruhin, der mit seinem „Schwyzerörgeli“ (das diatonische Knopfakkordeon der Schweizer Volksmusik) und dem Streichpsalter für die Volksmusikkomponente der Band steht. Bruhin spielt neben seinem Engagement bei Tächa in diversen Volksmusikensembles und ist Instrumentenbauer. Pianist Stefan Dorner ist Mitglied von Blues- und Jazzbands, leitet Chöre, komponiert Musicals und sitzt am Sonntag manchmal an der Kirchenorgel. Einen ähnlichen Hintergrund bringt der Kontrabassist Thomas Kupper mit. Gemeinsam haben die beiden auch die Liebe zu lateinamerikanischen Klängen. Stefan Dorner hat nicht nur eine Tochter in Kuba, die er regelmäßig besucht; mit in die Schweiz bringt er jeweils auch die aktuellen kubanischen Sounds, die er mit dem Kollegen Kupper neben Latinprojekten auch in Tächa einfließen lässt. Der Liederschreiber, Gitarrist und Sänger Ueli von Allmen schließlich hat eine Folkvergangenheit. Tächas Debütalbum Tächa flyg! ist noch stark geprägt von diesen Einflüssen. „Natürlich habe ich mich in den 70er Jahren mit amerikanischen Singer/Songwritern, Old Time, Country und auch Irish Folk befasst. Die Berner Folkarena Mahogany Hall war mein zweites Zuhause. All diese Einflüsse sind für mich heute aber nicht so wichtig. Wichtiger ist für mich das, was heute passiert. Ich bin ein Mensch, der stark im Hier und Jetzt lebt.“

So unterschiedlich die musikalische Herkunft der vier Grundpfeiler von Tächa auch sein mag, die verschiedenen Ingredienzien der Musiker mischen sich doch zu einer typisch schweizerischen Collage aus Lied, Jazz, Latin und Volksmusik. „Unsere Musik soll zu einem Organismus werden, Musik muss atmen“, meint Ueli von Allmen dazu. „Wir wollen unterschiedlichste Menschen ansprechen, junge und alte, auch Kinder. Darum darf sie auch nie zu laut sein. Wir treten manchmal mit Bläsern und Percussionisten auf, doch ein Drummer käme für uns nie in Frage. Die Grundlautstärke von Drums ist mir einfach zu laut.“ So überrascht auch nicht, dass Tächa ihre Klanggemälde ausschließlich mit akustischen Instrumenten vortragen. „Unser Ziel ist es, dass uns in der Schweiz Musikliebhaberinnen und -liebhaber kennen, die musikalische Qualität schätzen.“ Die Tonträger der Gruppe sind in Deutschland nicht erhältlich. Doch ein erster Flug in den süddeutschen Raum und gute Platzierungen in der Liederbestenliste zeigten der Gruppe, dass sie auch dort auf offene Ohren und Augen stoßen. Der Schlüssel zum Erfolg in Deutschland könnten die Bilder von Ueli von Allmens Bruder Jost sein. Er wird auf Wasser, der aktuellen CD der Gruppe, als fünftes Mitglied geführt. Dem Konzeptalbum hört man mindestens beim zweiten Anhören an, dass die Musiker beim Arrangieren der Lieder immer auch an Bilder gedacht haben. Man spürt geradezu die Bergbäche rauschen, den Staubbach-Wasserfall ins Lauterbrunnental donnern oder auch nur den Wasserhahn tropfen.

Verwurzelt im Berner Oberland

Als letztjährigen Höhepunkt planten Tächa eine multimediale Performance auf dem Grimselpass. Ueli von Allmen singt auf Wasser: „Wes rägned, de rägneds o hie nid vergäben“ - „Wenn es regnet, dann regnet es auch hier nicht vergebens.“ Nur zieht er - der sonst eigentlich immer richtig liegt - im Stück ausnahmsweise den falschen Schluss, wenn er sagt: „Wie hei miers scheen“ - „Was haben wir es doch schön.“ Der Auftritt wurde mit dem Wasser Tächa live kurzerhand die Bergbäche runtergespült. Es regnete so stark, dass große Teile der Städte Thun und Bern ein paar Tage später unter Wasser standen und einige Tote zu beklagen waren. Auch wenn Ueli von Allmen die Leute animieren, motivieren und positiv stimmen möchte, hört man auf Wasser auch nachdenklichere Töne heraus. Der Musiker weiß, wie endlich das kostbare Nass ist. Seine Weltsicht und Musik, geprägt von der Stille, den Tälern und Bergen, mögen andere sein als die mancher Städter. „Ich will keinesfalls missionieren, doch ich möchte, dass das Publikum sich an gewisse Dinge erinnert, ich will es zum Nachdenken bewegen.“ So hat er vor kurzem ein Lied über den Tod eines 13-jährigen Kindes eines Freundes geschrieben, das von einem Auto überfahren wurde. „Das ist ein ungemein schwieriges und diffiziles Thema. Doch ich möchte, dass die Leute sich auch mit solchen Dingen auseinander setzen.“ Ueli von Allmens Rezept, schwierige Themen unters Publikum zu bringen, ist einfach. „Ich kann gut auf Menschen zugehen.“

Dazu hilft ihm seine „verwurzelte Spiritualität“. „Das hat nichts mit Esoterik zu tun“, meint der Musiker dazu. „Das will einfach sagen, dass ich im Lauterbrunnental aufgewachsen bin - in einem Klima der Stille wohlgemerkt - und immer noch in der Gegend wohne.“ Auch wenn Ueli von Allmen und seine Freunde heute im Kurort Interlaken zu Hause sind und mehr vom Lärm und der Geschwindigkeit des Tieflandes mitkriegen, ist diese Stille immer noch ein wichtiger Teil ihres Lebens - und ihrer Musik. Und damit möchten sie mit viel Kraft und Energie zu Live-Höhenflügen ansetzen. Eine Tächa wird des Fliegens nicht so schnell überdrüssig.


Eine Liste der exklusiv auf der Folker!-Webseite erschienenen Artikel findet ihr im go! Archiv.


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