Noten ohne Quoten

Danny weissagte aus dem Prophetenbauch: Die ultimative Schwampel-Hymne wurde vor der Wahl in DZIUKs KÜCHE auf Gebet & Revolver (BuschFunk BF 05332, 15 Tracks, 69:52, mit Texten) serviert und hieß „Down in Jamaica“. Da hadert „di angry man“ im Kanzleramt mit „Mistah Sauerkraut“, keiner hört zu und Angela M. gelten Trostworte wie: „Sista, Sista, deine Augen so dark, / Dein ist der Sieg, doch noch ist Babylon stark“. Grandios sind auch Dziuks Dylandrigale („Sei einfach, sprich deutlich ...“), ein Hundehasser-Solidaritätssong, das Kredithigh-light „Tante Bank“ u. v. a. - DOTA UND DIE STADTPIRATEN wühlen in Blech + Plastik (Kleingeldprinzessin Records, www.kleingeldprinzessin.de, 12 Tracks, 44:14, mit Texten); leider zu hasplig, um dem ersten und letzten Song lyrische Perlen abzulauschen. Ruhiger und hübsch erzählt sind der schlichte „Zauberer“ (aus Kaninchenperspektive), die lokalironische „Friedberg“-Idylle und das achtbar-rebellische „Nichts Neues“. - Noch rapider rappt die Ex-Braut vom Auge BERNADETTE LA HENGST, La beat (Trikont US-0342, 14 Tracks, 54:08, mit Texten). Hat was von Kindergeburtstags-Karaoke, wie sie im Schneewittchen-Look um Sampler und Synthesizer hüpft. Dabei ist sie längst „Rockerbraut und Mutter“ und sollte sich weniger pädophil denn politisch gerieren („Hunger“, „Her mit der Utopie“) ... - Bei Bernadette predigt Reverend „La“ Biggins englisch, KOLLEGIUM KALKSBURG, Imma des söwe (Extraplatte OFF 2005-2, 17 Tracks, 61:18, mit Texten) greift eine Heilsarmeehymne auf („Jesus Is Busy“). Nahrhafter als koprophile Kochrezepte („Schaas mit Gwastln“) ist der „Söchschpegg in da Schbeis“, dem sich Gerda mit dem Messer nähert, was an Robert Neumanns Blubo-Bühnenparodie (Vroni: „Tu’s!!!“) gemahnt. - Ihre Landsleute BOHATSCH & SKREPEK wirken nach all den philosophierenden Gschtanzln wie dadaistische Tunix-Haschrebellen: alles liebe (Extraplatte OFF 2006-2, 13 Tracks, 45:12, mit Texten). Das Textheft bietet „Raum für Notizen“ und unleserliche solche von Künstlerhand. - Mit perfekt modulierender Stimme und gut situierter Instrumentierung könnte ANNA, ins gesicht (Rintintin Music CD 60922, 12 Tracks, 38:58, mit Texten) rauer, experimenteller, dreckiger singen; stattdessen wird spargelkarge Lyrik („Irrlicht“) in reichlich Violinschmalz frittiert. - Nicht nackend wie Anna im Kokon, doch gleichfalls mit Nahaufnahmen füllt VANESSA MAURISCHAT das Cover zu Echtzeit (kosmopolit records, 12 Tracks, 42:39). Hoffentlich war ihr dritter „Berlin-Oktober“ nicht so deprimierend wie der von 2004, dem sie mit wenig Verve zu lahmender Klavierbegleitung nachschluchzt. - Die Tournee MONSTERS OF LIEDERMACHING, 6 Richtige (2 CDs, Ahuga!/Pängg PV 1120, 22 Takes, 71:49, 11 Takes, 42:59 plus Multimediateil, mit Informationen) war ausschließlich Boygroups vorbehalten. Die Frische Mische (ein Duo), der flotte Totte und drei weitere Ex-Solisten sind Teilabschnitt der hier bereits ausgeschilderten Liedermaching-Baustelle. Ihre Alternative zu den verhassten so genannten „sozialkritischen Jammerballaden“ durchweht allerdings ein leises Aroma von ungelüftetem Turnschuh und Selbstbefleckung im Jugendherbergssaal. Aufgekratzt, z. T. genial-satirisch („Marzipan“), mit dem Kampfgeist einer Freiwilligenarmee und viel Publikumsbeihilfe holzt und grölt man aufeinander zu. - Mit der halben Live-Mannschaftsstärke ziehen Maurenbrecher, Bjerg und Evers ein sehr viel defätistischeres MITTWOCHSFAZIT, Geile Teile. Bäckereifachverkäuferinnen packen aus (Silberblick-Musik, www.mittwochsfazit.de, 16 Tracks, 74:75); bei den bejahrten Psychonauten vom Kiez kann die Bundeswehr jedenfalls keine Afghanistanrekruten abgreifen. - Über Roncalli-Zirzensik, begnadete Körper und WM-Rummelplatz hat man den Ex-Liedermacher André Heller fast vergessen; seiner nöligen Leonhard-Cohen-Knarzerei leiht TOM HAYDN neues, frischfröhliches Timbre: Haydn singt Heller (Stadttheater Fürth, www.kuenstleragentin.de, 15 Tracks, 57:31, mit Texten). - Respektvoll, sorgfältig und ohne die ironische High-Brow-Attitüde eines Palastorchesterwarts entführt DAS LÜBECKER SALON-ENSEMBLE ins Schwarzweißkintopp: Für eine Nacht voller Seligkeit. Tonfilmschlager (www.salonmelodie.de, 14 Tracks, 56:01, mit Informationen). Schöne Tangos („Jalousie“) und Klassiker der Kreuder, Hollaender, Grothe nach Art einer historischen Aufnahme, die auch optisch (gerillte schwarze CD!) die Schellackära aufs Reizvollste heraufbeschwört. - Zum Glamour der 20er Jahre gehörte ihre unbestritten größte, bettelarme Lyrikerin - hier interpretiert u. a. durch Stars wie Katja Riemann und Gitte Haenning: Else Lasker-Schüler - Ich träume so leise von dir (Random House Audio/edel ISBN 3-86604-050-4, 13 Tracks, 53:36, mit Texten). In den überladenen, nachtprogramm-schnulzigen Vertonungen von Julian Hanebeck und Björn Krüger, die u. a. einzelne Zeilen als Endlosschleife wiederholen, wird jede zartere poetische Nuance zermalmt.

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im Folker! 6/2005