„Where the hell is East Timor?“, fragte mich Johannes Mayr, als ich ihm steckte, dass ich wohl für drei Jahre aus unserem Trio JOSTAL aussteigen müsste, da ich als Entwicklungshelfer in Asiens jüngstem - und ärmstem - Land arbeiten würde. 1999 war die Halbinsel Osttimor, die zwischen dem indonesischen Inselarchipel und dem Kontinent Australien „gesandwicht“ in der Bandarasee liegt, gelegentlich in der Presse. Nach blutigen Unruhen erlangte sie nach 24-jähriger indonesischer Okkupation und 450-jähriger portugiesischer Kolonialgeschichte durch ein UN-Referendum ihre Unabhängigkeit. Doch seitdem hört man von Osttimor allenfalls noch, wenn Joschka Fischer dort einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Australien einlegt. Doch: Was hat nun Osttimor mit deutschem Folk zu tun? Balinesische Gamelanorchester oder Didgeridoos der australischen Aborigines, die in der Weltmusik oder gelegentlich als archaische Effektgeräte in unsere Breitengrade Einzug gehalten haben, kennt man ja. Jedoch sind beide geographisch über 1.000 Kilometer von Osttimor entfernt. Aber wer kennt schon lakados - indigene osttimoresische Instrumente - oder gar kore-metan, die traditionelle Tanzmusik der Timoresen anlässlich der „Abnahme des Schwarzen“ - das heißt: der Trauerkleidung - nach Totenfeiern?
Von Alexander Loch
Die Idee, einmal kore-metan und zeitgenössische europäische Tanzmusik zu kombinieren, kam mir während einer Hochzeitsfeier im zweiten Jahr auf der Insel: Osttimoresen lieben es zu tanzen. Als eine wagemutige junge Timoresin mich aufforderte, mit ihr einen empat kali (wörtlich: „Vierfachen“) zu tanzen, lachte zwar die ganze Hochzeitsgemeinde, war dann jedoch verblüfft, als dieser Deutsche nicht nur schnell den Rhythmus fand, sondern durch ein paar wahnwitzige Solodrehungen der Dame - so was kommt in Timor bis dato kaum vor - eine kontinentaleuropäische „Innovation“ demonstrierte.
Hinterher wurde ich von der Leiterin einer Frauenorganisation angesprochen: Können wir nicht mal einen Workshop mit Tanz und Musik Europas organisieren? Timoresen sind stolz auf ihre Tradition, doch wollen die Menschen des neuen Staats nun auch gerne international anderen Kulturen gleichwertig begegnen und nach jahrelanger Isolation das Eigene im Fremden erkennen. Kore-metan hat zum Beispiel viele Stilelemente portugiesischer Musik behalten.
Ich mailte Stefan und Johannes: Ihr müsst hier mal vorbeikommen! Tropische Strände, Palmen, nette Menschen, die alle eigentlich darauf brennen, Polka, Bourré und Walzer auf JOSTAL-Beats zu tanzen. Zugleich gibt es hier faszinierende alte Melodien, wie „O-lele-le“, an denen Bartok bis Jan Garbarek ihre Freude hätten! Mit Sicherheit eine Bereicherung für unsere Tanzmucke ... Das Goethe-Institut in Jakarta konnte ebenso für die Idee einer East Meets West-Begegnung gewonnen werden: Schließlich haben sowohl Deutsche als auch Timoresen zu „Ost-West-Thematiken“ viel zu erzählen, und die Idee, mit einem so unbekannten Land einmal ein Kulturprojekt zu starten, reizte alle Seiten.
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