back

Ned Sublette

Aufruf zur Rettung der Untergrund- und Straßenkultur von New Orleans

Ned Sublette im Folker!-Gespräch

Bewegung für soziale Gerechtigkeit notwendig

Informationen zu Ned Sublette:
go! www.afrocubaweb.com/nedsublette.htm

Buchtipp Ned Sublette:
Cuba and Its Music:
   From the First Drums to the Mambo

   (Chicago Review Press, 2004)

CD-Tipp Ned Sublette:
Cowboy Rumba

   (Palm Pictures/Rykodisc, 1999)

Musiktipps New Orleans:
Diverse (u. a. Branford Marsalis,
   Irma Thomas, Jelly Roll Morton,
   Johnny Adams, The Dirty Donzen Brass Band),
   A Celebration Of New Orleans Music To
   Benefit MusiCares Hurricane Relief 2005

   (Rounder, 2005)
Diverse, Doctors, Professors, Kings and Queens:
   The Big Ol’ Box of New Orleans

   (4-CD-Boxset mit Musik aus den Jahren
   1923-2004; Shout!Factory, 2004)

DVD-Tipp New Orleans:
Michael Murphy, Make It Funky
   (Sony, 2005)

Radiotipp New Orleans:
WWOZ 90.7 FM New Orleans (www.wwoz.org)

„Lousiana, Louisiana, they’re tryin’ to wash us ’way, they’re tryin’ to wash us ’way ...” Musikalische Erinnerungen an die große Überschwemmung 1926/27 in Mississippi und Louisiana in dem Song „Louisiana 1927“ von Randy Newman, der in New Orleans geboren wurde. Kansas Joe besang, begleitet von Memphis Minnie, dieses Ereignis, bei dem mehrere hunderttausend Menschen evakuiert werden mussten oder obdachlos wurden, bereits 1929 in dem Stück Allen Toussaint „When The Levee Breaks“: „Jetzt nutzt dir kein Weinen, kein Gebet wird dir helfen. / Wenn der Damm bricht, oh Mutter, musst du rennen.“ Diesen Titel hat - unter Verweis auf die Led-Zeppelin-Version und die Katastrophe nicht vorausahnend - Albert Kuvezin für sein jüngst erschienenes Album Re-Covers neu aufgenommen. 1965, als Hurrikan Betsy die Küste heimsuchte, stimmte Lightnin’ Hopkins diesen Blues an: „Hurrikan Betsy, wow, sie fiel über Louisiana her.“

Das Wasser, sein Segen und seine Gefahren, hatten schon immer einen festen Platz im Bewusstsein der Menschen im Süden der USA. Mit den Folgen von Hurrikan Katrina droht jetzt jedoch eine der großen Kulturstädte der Welt im wahrsten Sinne des Wortes zu ertrinken. Vor dem Hintergrund der Katastrophe am Golf von Mexiko sorgt man sich um die Zukunft der legendären Musikszene von New Orleans. Eine geplante Filmhommage, die im September in den USA in Dr. John die Kinos kam, geriet durch die Ereignisse zum Nachruf. Make It Funky heißt die Dokumentation von Filmemacher Michael Murphy mit viel Musik und Interviews aus den legendären Spielstätten der Metropole, an denen der Jazz geboren wurde, der Blues aufblühte, der Zydeco Wurzeln schlug und sogar der Rap eine neue Stimme fand. „Der Gedanke, dass ich einen Film gemacht habe und die Stadt nicht mehr da ist, zerreißt mir das Herz“, sagte Murphy.

Alle auch bei uns bekannten Musiker und Musikerinnen befinden sich dem Vernehmen nach in Sicherheit. Darunter New-Orleans-Legenden wie Fats Domino, die Queen of Soul Irma Thomas, die Neville Brothers oder auch der Pianist und Produzent Allen Toussaint, der wie kaum ein anderer die Musikszene von New Orleans mitgeprägt hat. Viele von ihnen sind, da ihre Häuser unter Wasser standen oder zerstört sind, bei Freunden oder Familienangehörigen verstreut über die ganzen USA untergekommen.

Irma Thomas

Wenige Wochen nach dem Brechen der Deiche äußerte sich Ned Sublette im Folker!-Gespräch nicht nur darüber, wie es um die Musikszene von New Orleans bestellt ist. Der in New York lebende Musiker, Historiker und Autor war erst vor kurzem aus Louisiana zurückgekehrt, wo er sich für die Tulane University ein Jahr lang mit der Bedeutung von Musik und Kultur in New Orleans für die amerikanische Geschichte beschäftigt hat.

Von Michael Kleff

Trompeter Wynton Marsalis hat die Überschwemmung von New Orleans als „nationale Krise“ bezeichnet. Welche Geschichte droht im Süden der USA im wahrsten Sinne des Wortes zu ertrinken?

Wynton Marsalis übertreibt keineswegs. Es sind nicht nur kulturelle Dokumente von dieser Krise bedroht, sondern auch historische Unterlagen der ersten Generation von den Anfängen der Stadt, ohne die man unser Selbstverständnis als Nation nicht nachvollziehen kann. Ein Beispiel: Die Historikerin Gwendolyn Midlo Hall hat als Ergebnis von aufwendigen Recherchen in Gerichtsakten eine Datenbank über 100.000 versklavte Menschen in Louisiana angelegt - mit ihrer persönlichen Geschichte und jeweiligen Nationalität. Die Bearbeitung dieser Dokumente ist noch nicht abgeschlossen. Sie haben noch nicht alle ihre Geheimnisse preisgegeben. Ein historischer Schatz von unschätzbarem Wert ist hier in Gefahr.

Mardi Gras Indians

Im Vergleich zu der Gleichförmigkeit, die man in vielen Bereichen von Kultur und Unterhaltungsindustrie in den USA sieht, hat New Orleans irgendwie seine Vielfalt, seine Eigenheit über all die Jahre behalten, obwohl es wirtschaftlich kontinuierlich abwärts geht. Viele Beobachter fürchten jetzt, dass ein möglicher Wiederaufbau gerade diese Vielfalt zerstören könnte und New Orleans eine Stadt würde wie jede andere in den USA. Teilen Sie diese Sorge?

Ich teile diese Befürchtung in der Tat. Ich fürchte, dass man die Menschen aus den sozialen Schichten, deren Angehörige man im Superdome sterben ließ, vom Wiederaufbau ausschließen wird. Und dass man den Stadtteil Treme niederwalzen und stattdessen ein „New Orleans Land“ an seine Stelle setzen wird.

Neville Brothers

Natürlich muss die Stadt wieder aufgebaut werden. Nicht nur wegen der Kultur. Zunächst einmal macht sie den Mississippi nutzbar. Sie ist das Rückgrat unseres Landes. Allein schon aus logistischen Gründen brauchen wir hier einen Hafen. Ein Hafen braucht Menschen, die dort arbeiten. Dafür musst du eine Stadt haben - und diese Stadt ist New Orleans. Die Kultur dieser Stadt erzählt die Geschichte, wer wir als amerikanische Bürger sind. Beim Wiederaufbau müssen wir darauf bestehen, dass kulturelle Belange berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang mache ich mir große Sorgen. Es wurde berichtet, dass Spezialisten zur Rettung von Dokumenten am Betreten der Stadt gehindert wurden. Ich habe daher sehr große Sorgen, dass wir trotz der Bemühungen dieser ausgezeichneten und sehr engagierten Archivare und Bibliothekare vielleicht nicht alles werden retten können, was man retten müsste.


zurück


Home


vor


Valid HTML 4.01!

Interesse? Dann brauchst Du die Zeitschrift!
Also den Folker! preiswert testen mit dem Schnupper-Abo!

Mehr über New Orleans
im Folker! 6/2005