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Heimspiel

Von nix kommt nix

Dieter Weberpals

Auf dem langen Marsch durch die Musikinstitutionen

Eine Plattenfirma beschäftigt normalerweise einen ganzen Stab von Mitarbeitern: Produzenten, Tontechniker, Grafiker, Marketing- und Imagestrategen, Sessionmusiker, Buchhalter und selbstredend einen Zigarre schmauchenden Boss. Soweit das Klischee. Dass es auch anders geht, beweist das in Nürnberg beheimatete Label Bibiafrica: Dieter Weberpals, der die Firma seit gut fünf Jahren als Ein-Mann-Unternehmen betreibt, ist Labelchef, Produzent, Musiker, Vertriebsleiter und Talentscout in einer Person.

Von Peter Gruner

Wie der Name schon andeutet ist Bibiafrica in erster Linie ein Weltmusiklabel mit dem Schwerpunkt Afrika, welches sich jedoch äußerst offen zeigt für Fusionen jeglicher Art. Der Katalog des 50-jährigen Querflötisten Weberpals umfasst unter anderem Künstler wie die Griotsängerin Sona Diabate, den Koravirtuosen Ballaké Sissoko (dessen Album Kora Music From Mali für den Deutschen Schallplattenpreis nominiert wurde), die internationale Afroband Jobarteh Kunda, das deutsch-marokkanische Duo Orak naa naa und natürlich die Alben von Weberpals eigenem, europaweit erfolgreichen Projekt Argile. Auf dem Unterlabel Bibi Worldjazz finden sich Künstler wie die Skajazz-Formation Papa SKAliente oder das aus zwei Saxophonen und Percussion bestehende Trio Orange Winds.

Weltmusik und Jazz haben in Weberpals’ Musikverständnis ohnehin so viele Gemeinsamkeiten, dass man beide Genres nur schwer voneinander abgrenzen kann. „Beide Genres verbindet die Neugier, die Abenteuerlust, genauso wie die afroamerikanische Rhythmik. Und beide verschmelzen unterschiedliche Kulturen miteinander.“ Bemerkenswert an Weberpals’ Arbeitsweise ist die Fexibilität, mit der er sich in ein Projekt bei Bedarf stark einbringt oder auch mal ganz heraushält. Jobarteh Kunda lieferten ihr aktuelles, im übrigen sehr hörenswertes Album Ali Heja als komplett fertige Produktion ab, während die ungewöhnliche Kooperation der beiden Trommelmeister Kassoum Traoré und Ashitey Nsotse auf Bush Taxi From Bamako To Accra erst auf seine Initiative hin zustande kam. Der eine kommt aus Mali, der andere aus Ghana, was für die zwei nicht nur eine sprachliche Barriere bedeutete: „Mich hat interessiert, wie diese beiden Musiker, die ja aus benachbarten, aber völlig unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, musikalisch miteinander kommunizieren.“

Väter der Bewegung

Kontakte knüpfen, Menschen zusammenbringen, spannende Projekte in Gang bringen - dieses Streben durchzieht Dieter Weberpals’ Biographie wie ein roter Faden. In den frühen 70er Jahren spielte er in einer Band mit dem skurrilen Namen Gebärväterli - „eine ausgeflippte Combo zwischen Artrock und Jazz“, wie er sich schmunzelnd erinnert. Als aufmerksamem Beobachter der sich gerade bildenden alternativen Musikszene entgingen Weberpals auch nicht die Aktivitäten eines kleinen Labels namens Musikkooperative April. Dies war zwar nicht das erste unabhängige Label Deutschlands, aber, soweit sich das heute noch nachvollziehen lässt, das erste, das von Musikern komplett - also von Produktion über Covergestaltung und Herstellung bis Vertrieb - selbst organisiert und finanziert wurde. Bands wie Ton Steine Scherben, Embryo oder Sparifankal nutzten, neben anderen, dieses autarke Netzwerk, um ihre Platten an der (selbstredend bösen!) Industrie vorbei in die Läden zu bekommen.

Viele Wurzeln - wenig Perspektive

BR-Reihe „Roots & Routes“ vorerst gescheitert

Voller Elan und Euphorie startete der Bayerische Rundfunk (BR) vor über zwei Jahren die Weltmusikreihe „Roots & Routes“. Anfang dieses Jahres jedoch gingen die Bühnenlichter bereits wieder aus. Sowohl auf Seiten des BR als auch auf der der Veranstalter Gerhard Zink und Bernhard Hanneken zeigt sich Enttäuschung, wobei die Gründe, die zum plötzlichen Ende der Konzertreihe führten, durchaus auch hausgemacht waren. 14 hochkarätige Veranstaltungen mit 25 Künstlern und Künstlerinnen aus aller Welt wurden in den vergangenen zwei Jahren in München und Landsberg organisiert und anschließend bei BR2 Radio und dem Fernsehsender BR alpha ausgestrahlt.

Von Gudrun Zercher

„Wenn es nur immer so gewesen wäre wie heute“, sagte Gerhard Zink in einem Tonfall des Bedauerns, nachdem das letzte „Roots & Routes“-Konzert im BR-Funkhaus gerade zu Ende gegangen war und meinte damit die Anzahl der Besucher. Am 18. Januar hatte das schwedische Trio Triakel mit seinen melancholischen Winterweisen das Studio 2 fast komplett gefüllt. „Das letzte Konzert und die Auftaktveranstaltung waren die Ausnahme. Im Durchschnitt hatten wir zwischen sieben und 30 Zuschauer“, bilanzierte Bernhard Hanneken (siehe Interview). Da das viel zu wenige waren, um die Kosten zu decken, zogen Hanneken und Zink nun die Notbremse und beendeten ihre Zusammenarbeit mit dem BR.

Beim BR bedauert man dies. Walter Meier, langjähriger BR-Redakteur in der Abteilung Leichte Musik und Mitinitiator von „Roots & Routes“: „Schade, die Reihe hat Farbe in die Münchner Konzertlandschaft gebracht. Wir hätten sie von unserer Seite aus nicht eingestellt. Wir hatten den beiden [Hanneken und Zink, Anm. d. Verf.] im Herbst den Vertrag zur Verlängerung zugeschickt und waren ganz erstaunt als die Absage kam. Es lag nicht an uns.“ Zumal, wie Meier bekräftigt, „der BR das Projekt mit sehr viel Geld unterstützt“ habe. Der gebührenfinanzierte Sender komme damit seiner Pflicht nach, hochwertige Populärmusik zu fördern, die sich auf dem Markt nicht rechne. Und werde dafür, wie zuletzt im großen Die Zeit-Radiodossier (Ausgabe 9/2005), auch entsprechend gewürdigt.

Gewachsene Strukturen

Die Weltmusikreihe war aus dem Folkfestival Kaltenberg hervorgegangen, das, nachdem es nicht gelungen war, ein jüngeres Publikum anzusprechen, nach seinem 20-jährigen Jubiläum im Jahr 2002 zum letzten Mal stattfand. Ihre schon in Kaltenberg praktizierte Kooperation wollten der BR und Zink jedoch weiterführen und suchten nach neuen Wegen. Walter Meier erinnert sich: „Zuerst wollten wir in Landsberg ein Festival machen, von dort kamen auch sehr positive Signale, der Bürgermeister war Feuer und Flamme, aber der Stadtrat war dagegen. Angeblich aus finanziellen Gründen.“ So musste man sich etwas anderes überlegen. Ulrike Zöller von der Redaktion Volksmusik hatte die Idee zu „Roots & Routes“ - einer neuen Weltmusikreihe, die die Infrastruktur des Senders verstärkt nutzten sollte. Zöller bzw. ihre Redaktion gaben dafür die Veranstaltung „mundus cantat“ auf. Der frei gewordene Etat wurde „Roots & Routes“ zur Verfügung gestellt. Als weiterer Partner konnte Bernhard Hanneken vom Folkfestival in Rudolstadt gewonnen werden. Die Zusammenarbeit zwischen dem BR und den „Roots & Routes“-Machern sah so aus, dass der Sender einen vorab festgelegten Zuschuss sowie Räume und Sendeplatz zur Verfügung stellte. Hanneken und Zink organisierten die Konzerte und trugen das gesamte unternehmerische Risiko.

go! www.bibiafrica.de
go! www.musikzentrale.com
go! www.rootsandroutes.de
Discographie
Aktuelle Bibiafrica-CDs:

V. A.
   African Artists Hand In Hand (2005)
Orange Winds
   Dahab Walk (2005)
Papa SKAliente
   Skajazz (2005)
Tormenta Jobarteh
   Talin, Talin (2005)
Pavla Kapitanova und Jakub Zahradnik
   The Alchemy Of Life
(2005)

Strukturprobleme, Finanzierungslücken, Zuschauerpotenzial
„Von 14 Veranstaltungen kamen wir bei zweien auf unsere Kosten“
Bernhard Hanneken über die Gründe für die Einstellung von „Roots & Routes“ auf Seiten der Veranstalter

Warum haben Sie „Roots & Routes“ mit dem Bayerischen Rundfunk beendet?

Wegen mangelnder Zuschauer. Die ersten Konzerte und das letzte waren die Ausnahme, die waren gut besucht. Im Durchschnitt hatten wir nur zwischen sieben und 30 Zuschauer, unabhängig davon, ob wir in München oder Landsberg waren. Von 14 Veranstaltungen kamen wir bei zweien auf unsere Kosten. Bei den anderen haben wir massiv dazugezahlt - 30.000 Euro. Dass wir aufgaben, hatte primär finanzielle Gründe, aber irgendwann gehen auch die Kraft und die Lust aus. Mit solch einer Reihe bekommt man kein Stammpublikum. Wir mussten für jedes Konzert eine komplett neue Zuhörerschaft zusammentrommeln. Jemand, der klassische indische Musik mag, kann vielleicht mit afrikanischer Musik nichts anfangen.

Walter Meier vom BR bedauert, dass Sie die Konzertreihe einstellen. Beim Sender hätte man gerne weitergemacht.

Der BR wollte weitermachen? Der hat gut reden. Bei unseren 14 Veranstaltungen bekam er 25 spitzenmäßige Konzerte geliefert. Wir waren die Privatveranstalter, die das gesamte Risiko trugen. Der BR zahlte einen vorher festgelegten Zuschuss. Das Funkhaus des BR war auch keine eingeführte Konzertlocation. Wir waren die Ersten, außer den Klassikkonzerten und dem BR-Fasching.


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im Folker! 3/2005