back Ferner liefen...

Das Jahr ist jung. Überall regen sich fleißige Hände. Eimer werden geschwenkt, Sprühflaschen entsichert, Palästinenserfeudel (in der Nach-Arafat-Ära) ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt: Hausputzzeit! Will da jemand im Stadtpark bummeln, die Trinkhallen bevölkern und den Rest Mutti, der Ehefrau oder der patenten Patentante überlassen? Und wieso heißt es bitteschön DER "Reiniger", "Putzteufel", "Mop" und "Besen"? Welches Geschlecht haben, vom Saubermann ganz zu schweigen, Meister Propper, der General und der Weiße Riese? (Während Milben und Flusen, Staubmäuse und die Trockenstarre weiblich sind.) Tut mir Leid, meine Damen, aber Hausputz ist Männersache, wie der kongenial in mein geliebtes Deutsch übertragene E. Todd Williams (Der kluge Hausmann, Econ 1995) nachgewiesen hat.

Zugegeben, so war es nicht immer. Mag sein, dass in der Epoche des Patriarchats wichtige Kulturtechniken männerseits vernachlässigt und an Frauen delegiert wurden. Aber mit welchen Folgen? Bestialisch muss es gestunken haben in den Behausungen unserer Vorfahren, wo der Bettvorleger aus Säbelzahntigerfell nie ausgeklopft wurde und der Mammutfuß-Mülleimer ungeleert blieb. Seit 30.000 Jahren verunzieren Tiergraffiti die Höhlenwände! Und wer die briquetage -Halden aus Haushaltskeramik an eisenzeitlichen Salinen der Atlantikküste kennt, mag sich ausmalen, wie vor Einführung des Tassenpfands "gespült" wurde: im Ex-und-Hopp-Verfahren.

Beginnen wir mit ordnungspolitischen Maßnahmen. Hier kommt alles auf knallharte soldatische Tugenden an: Disziplin, Wachsamkeit, Konsequenz. Gefangene werden nicht gemacht, die eigenen Liebsten nicht geschont. Nehmen wir nur den Stapel zerlesener alter Zeitungen. Er wirkt wie ein elektromagnetisches Feld und übt eine geheimnisvolle Anziehungskraft auf unbezahlte Rechnungen, Gebrauchsanweisungen und Akten aus der Gauck-Behörde aus. Jeder denkbare Plunder landet irgendwann unter dem Couchtisch. Raus damit!

Nun kommt die Auslegeware dran. Ob Kokosfaser, Velours-Zuschnitt oder Bio-Sisal, da wimmelt's von Staub, Fusseln, Bakterien und Igittibäh. Tagesbefehl: Kurze, effektive Vorstöße mit dem Klopfsauger, rhythmische, ausschwingende Bewegungen, in allen Winkeln stöbern, in jede Ecke vordringen! Rücken Sie Möbel beiseite, heben Sie Gardinen an. Stellen Sie sich vor, Sie wären der GSG-9-Schütze, der das Hüttendorf von Gorleben nach versprengten Castor-Gegnern durchstöbert. Weiß der Teufel, wo die Kerle das Müsli versteckt haben.

Fensterputzen muss sein. Jede Scheibe wurde anscheinend mit der Maurerkelle von einer Mischung aus Hundesabber und Nasenpopel überzogen. Oben anfangen, nicht unten! Und wenn's Streifen zieht wie 'ne Bildstörung, dann nehmen wir eben saubere Papiertücher und wienern das ganze verdammte Fenster noch mal! Hier hilft nur die typisch maskuline Entschlossenheit, einmal Begonnenes allen Widerständen zum Trotz auch zu Ende zu führen. Zu Ende? Im Zeitalter der Doppelverglasung wird kein Fenster je sauber. Das Innere zwischen den Scheiben, wo sterbliche Hüllen jeglicher Insektenart angehäuft sind, bleibt unzugänglich.

Sagen Sie nein zu Umweltgiften, die durchs Klo flutschen und sich anschließend in der Landschaft verteilen. Das wäre nur Wasser auf die Windmühlen donquichottesker Öko-Fuzzis. Schreiten Sie die Non-food-Gondeln im Supermarkt ab, lesen Sie Produktinformationen, notfalls mit Elektronenmikroskop. Wenn die Firma behauptet, ihr Mittelchen sei für praktisch alles gut außer Plastik, Metall, bemalte Oberflächen oder Holz, verständigen Sie die Bundeszentrale gegen unlauteren Wettbewerb. Empfohlen wird, es an unauffälliger Stelle einzureiben und den vierteljährlichen Waldschadensbericht abzuwarten. Wer weiß, ob Sie nicht diese Flasche aus der Montagsproduktion erwischt haben, als versehentlich Agent Orange abgefüllt wurde? Wär' doch schade, das erst zu merken, wenn es sich bereits über die schimmernden Kurven des Steinway-Flügels verteilt.

Was pflegebewusste Musiker zu beachten haben? 95% aller aus den Siebzigern übriggebliebenen Gitarren sollte man gleich "mit Antikwax einschmieren und als Wandschmuck aufhängen", empfiehlt ein Händler in Köln. Ein Tupfmuster von Fingerabdrücken verunziert manches Becken. Schlagzeuger, die bei Scheinwerferlicht mit funkelndem Set glänzen wollen, sollten Chrompolitur aus dem Baumarkt meiden; sie frisst die Beschriftung weg! Es geht auch mit basischer Lauge, vulgo Spülmittel; immer schön mit fusselfreiem Tuch den Linien entlang im Kreis polieren. Der Fachhandel bietet eine Palette teurer Spezialprodukte an, vom guitar string lubricator über Antikondens bis zum hochwertigen Zapfenfettstift. Und mit den für Saxophone üblichen Pad-Savern lässt sich notfalls auch Siff aus dem Syphon im Bad entfernen...

Musikkritiker mögen die Tipps auf www.frag-mutti.de beachten: aus den im Folker! heruntergeputzten Rezensions-CDs soll man hübsche Mobiles, Glasuntersetzer und Rückspiegelanhänger gegen Fernlichtblinker basteln. Man kann sie in der Mikrowelle als Wunderkerzen verheizen (Feuerlöschgerät griffbereit halten). Zu Frisbees taugen sie mangels konkaver Wölbung nicht. Gratis-CDs von AOL sende man den Betreibern von www.nomoreaolcds.org zu - eine Million davon (17 Tonnen) wollen sie vor der HSV-Arena abladen ...

Nikolaus Gatter
go! www.lesefrucht.de


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