Von Luigi Lauer
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Aktuelles Album:
6 Geysirs & A Bird (Lawine/BMG, 2004)
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Nehmen wir ein Haus, in dem 30 Jahre lang neue Tapeten über alte geklebt wurden. Eine Renovierung steht an, und mit jeder Lage, die sich von den Wänden schält, entblößt sich ein Stück mehr oder weniger gelungener Designgeschichte. Da sind die großen grünen Kringel, neongetüncht und LSD-erfahren, da sind kleingeistige Blümchenmuster, es findet sich die unverzichtbare neutrale Raufaser, eine betrunkene Korkecke streitet mit der Grasfaserbahn, und auf der nackten Wand grinst ein bekifft abgemaltes Plattencover. Studmenn machen so was hörbar. Bahn für Bahn entblättert die Band aus Reykjavík seit drei Jahrzehnten eine ironische Zeitreise durch Rock und Disko, Reggae und Funk, Soul und Blues, Pop und Jazz, Country, Beethoven und Bonanza. Ein Haufen studierter Irrer? Vielleicht. Aber der Wahnsinn hat Methode. 6 Geysirs & A Bird heißt das ungefähr 17. Album der Band, auch dies ein Bild: Sechs vor Energie überkochende Männer stehen mit einer schillernden Frau auf der Bühne, die optisch an Nina Hagen und akustisch an Tina Turner erinnert. Eine aberwitzige, kauzige Mischung, hochprofessionell, mit ebenso hohem Spaßfaktor. Die Combo hat Filme gedreht, Bücher geschrieben, war nach Wham! die zweite westliche Band, die in China auftreten durfte, und gründete Islands erste Armee: Öko-Krieger. Und all das machen sie gemeinsam. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann die sieben Unerschrockenen das nächste Kabinett Islands stellen. Einer hat schon angefangen: Gründungsmitglied Jakob Frímann Magnússon war Kulturattaché in der Londoner Vertretung Islands. Er und Sänger Egill Òlafsson stellten sich dem Folker!-Gespräch.
Mit welchem Konzept seit ihr vor 30 Jahren angetreten?
J. F. Magnússon: Das ursprüngliche Konzept war, sich gegen Modeströmungen zu wenden, gegen aktuelle Trends. Es war der Höhepunkt der Hippie-Bewegung, alle trugen lange Haare, Hippie-Klamotten und spielten bedeutungsschwangere, langsame Lieder oder Grateful-Dead-Jam-Sessions. Wir konterten mit schwarzen Anzügen, Krawatten und akkurater Frisur und spielten amerikanischen Swing und Rockabilly. "Honey Will You Marry Me" war unser erster Hit!
Musikalische Opposition gegen musikalische Opposition?
J. F. Magnússon: In gewisser Weise schon, denn die Opposition wurde selbst rasch zum Mainstream. Darum auch der Name Studmenn, er hat mehrere Bedeutungen: lustiger Partygänger, Antreiber, Gaudibursche, aber auch Schockierer oder der Mann mit den Drogen. Es kommt eben darauf an, wie man das Konzept und die Texte der Band auffasst, vieles steht zwischen den Zeilen.
Egill Òlafsson: Wir hörten zu der Zeit vor allem Steve Winwood, dann alten Blues von Blind Faith, Cream, Traffic, natürlich die Beatles und Frank Zappa. Wir wollten Musik gegen den Mainstream machen, Musik, die nicht hip ist, wir wollten die musikalische Randgesellschaft sein.
J. F. Magnússon: Und haben damit vom ersten Tag an Hits gehabt! Wir haben mehr Hit-Platten produziert als irgendeine andere Band der Welt, unsere Lieblinge, die Beatles, eingeschlossen. Wir sind so etwas wie ein großer Fisch in einem sehr kleinen Becken namens Island, weil wir von der ganz überwiegenden Mehrheit der Menschen angenommen werden, und zwar aller Altersgruppen. Kinder, drei, vier Jahre alt, sehen unseren Film, eine Art Gospel-Film, später hören sie unsere älteren und neueren Platten, und wenn sie alt genug sind, kommen sie zu unseren Konzerten. So haben wir es geschafft, so lange dabei zu bleiben und zu überleben. Wir waren auch nie aggressiv, anstößig oder pornographisch.
Egill Òlafsson: Wir sind auch eine dem Ort verbundene Band. Wir haben immer alte isländische Literatur verwendet, berühmte Sagen, darauf beziehen wir uns, wir benutzen alle Arten von Sprichwörtern, Wortspielen und dergleichen, die sich auch kaum übersetzen lassen, und das macht uns zu einer lokalen Band. Auch der Humor hat lokalen Bezug.
Wird das von allen Isländern gleichermaßen verstanden?
J. F. Magnússon: Die Rezeption ist sehr unterschiedlich, man kann sich auf drei, vier verschiedenen Ebenen mit den Texten identifizieren. Die einen nehmen die Texte und den Sound, mit dem wir sie versehen, wörtlich, als leichte Unterhaltung, andere, die eher zu den Intellektuellen gehören, verstehen die Ironie, wieder andere erfreuen sich an der heiteren Stimmung der Oberfläche. Das ist auch ein Teil der Magie von Studmenn. Unser Stil ist alle Stile und kein Stil.
Egill Òlafsson: Textlich sind wir auf vielen Levels, aber musikalisch sind wir eingewickelt in ein Boulevard-Magazin, aber eines, in dem ein kleines Messer versteckt ist. Man kann immer ein "Ja - aber" heraushören, es ist immer Ironie im Spiel. Letztendlich ist es doch nur eine Frage: Ist es gute Musik oder schlechte Musik? Wir lieben unsere Musik, wir arbeiten hart daran, wir glauben an sie und stehen zu ihr.
J. F. Magnússon: Mit Popmusik ist es wie mit Mode, heute trägst du dieses T-Shirt, morgen diese Jeans, alles ganz trendy, und einen Monat später ist alles völlig altmodisch, du brauchst ganz andere Sachen. Popmusik ist auch so ein Modesklave, gegen alles, was gestern war, nur auf heute, auf jetzt fokussiert, und das ist Schwachsinn.
Egill Òlafsson: In Island ist das besonders schlimm, ich nenne es das Insel-Syndrom. Wegen der isolierten Lage ist man besonders an allem Neuen interessiert, vor 30, 40 Jahren war Island am Rand der Welt. Heute ist die Welt kleiner, aber die Menschen sind weiterhin begierig ...
J. F. Magnússon: ... trendy zu sein, allen Moden hinterher zu rennen, immer den Finger am Puls, ja nichts verpassen, und möglichst der Erste sein. Wenn im Londoner oder New Yorker Underground eine Platte rauskommt, ist sie in Island schneller in Mode als im Herkunftsland. Die Menschen haben einen eigenen Sinn dafür entwickelt, mit der Zeit zu gehen. Aber das ist nicht Studmenn, der Geschmack der Woche ist nicht unsere Sache, wir denken in anderen Zeiträumen.
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