back

Terry Callier - by Imke Staats

"Speak Your Peace"

Terry Callier

Die (Selbst-)Verpflichtung zum Botschafter

Jahrzehntelang war Terry Callier, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert, aus dem Musikbusiness verschwunden, von der Plattenindustrie enttäuscht und aus eigener Entscheidung mit der Erziehung seiner Tochter und der Tätigkeit als Lehrbeauftragter in IT-Fragen (Informationstechnologie) beschäftigt. Zurückgeholt wurde er, der nun seit Ende der 90er wieder ein Vollzeit-Musiker ist, von den Remixern, der Rap- und der NuJazz-Szene Großbritanniens; darunter Victor Davies und Paul Weller, die sich für seine Musik und seinen Gesang begeisterten.

Discographie
(Auswahl)

TimePeace (Verve/    Universal, 1998)
Lifetime (GRP/Universal, 1999)
Alive (Live-Album;
   Mr. Bongo Records, 2001)
Speak Your Peace (Mr. Bongo Records/
   Clearspot, 2002)
Total Recall (Remix-Album;
   Mr. Bongo Records, 2003)
Lookin' Out (Emarcy/Universal, 2004)

Terry Callier - Total Recall

Nach der Zusammenarbeit mit Mr. Bongo-Records, deren CDs hierzulande über EFA-Medien vertrieben wurden, überraschte auch ihn der Zusammenbruch des größten deutschen Independent-Vertriebs. Terry Callier blieb nichtsdestoweniger präsent, kehrte jüngst zurück zu Universal (Emarcy), wenn auch, gleich Andy Bey, plötzlich als Jazzkünstler gelistet. Sein Engagement als Musiker, als Mensch, und auch seinen Glauben, den Sufismus, ficht dieser Karrierezickzack nicht an.

Lookin' Out, Calliers neues Album, gestaltet sich etwas weniger kämpferisch, etwas glatter, gemäßigter. Bei seinen Livekonzerten jedoch zeigt er nach wie vor seine ungebändigte Energie, seine Überzeugungsgabe und die Leidenschaft seines Kampfes für Freiheit und Gerechtigkeit, gegen die Benachteiligung und Unterdrückung der Schwarzen, aber auch für alle anderen, die Hilfe brauchen. Terry Callier zeigte sich auch im Folker!-Gespräch als Friedensbotschafter sowie als Kämpfer mit der Gitarre und der Stimme als Waffe - ganz im Sinne von Curtis Mayfield. Nicht ganz zufällig sind ja beide Kinder der Stadt Chicago.

Von Carina Prange

Es scheint so, als wenn deine Musik immer auch eine Botschaft transportiert - sei sie nun persönlicher, sozialer oder politischer Natur. Musik ohne Feeling und Message, wäre das für dich überhaupt denkbar?

Feeling und Botschaft gehören untrennbar zu meiner Musik. Ich habe das bereits in den frühen 70er Jahren so gemacht. Alle Alben, die ich für Chess Records gemacht habe, wie Occasional Rain oder What Colour Is Love - auch die Compilation-Alben aus den Chess-Tagen - beruhen auf dieser Herangehensweise. Sie alle enthalten Stücke, die sich mit den ganz normalen Beziehungen zwischen Menschen beschäftigen: zwischen einer Person und einer anderen oder einer Gruppe von Menschen und dem Rest der Gesellschaft als Ganzes.

Und immer wieder beschreiben die Songs, inwieweit das alles mit dem Schöpfer verbunden ist - oder eben nicht verbunden. Ich glaube daran, dass es hinter allem einen Schöpfer gibt. Egal, wie man ihn bezeichnet - auch wenn man ihm keinen Namen gibt, was ohnehin viel besser ist. Es gibt eine kreative Kraft, die dem ganzen Universum zugrunde liegt. Das müssen wir entweder akzeptieren oder zurückweisen - jedenfalls auf bestmögliche Weise damit umgehen.

Globalisierung ist Re-Kolonialisierung

Auf deinem aktuellen Album Lookin' Out findet sich der Song "Africa Now". Was hat dich dazu bewogen, das Thema Afrika hier aufzugreifen?

"Africa Now" ist ja nicht der erste Song, den ich über mein Verhältnis zur African experience geschrieben habe. Der erste zu diesem Thema war "African Violet" - ein Stück, das ich nicht mehr singe. Denn eine entscheidende Zeile lautet: "My heart is in Zimbabwe, because my friends are there." Aber die meisten meiner Freunde in Simbabwe sind inzwischen entweder im Gefängnis oder im Exil! Außerdem - ich habe das Lied geschrieben, als Simbabwe noch Rhodesien hieß. Aus all diesen Gründen singe ich es nicht mehr.

Terry Callier Aber es gibt noch andere: Meine letzte CD für Mr. Bongo, Speak Your Peace, war vermutlich mein am meisten sozial-politisches Album überhaupt. Vom Titelstück über "Sierra Leone" über "Turn This Mutha" und "Darker Than A Shadow" findet sich da eine ganze Reihe sozialkritischer Inhalte. Während der Song "Sierra Leone" sich mit ganz bestimmten Ereignisse in diesem Land beschäftigt, geht es in "Africa Now" um den Kontinent an sich: Es ist eine generelle Infragestellung der Politik in allen afrikanischen Ländern. Es geht darum, was dort passiert - warum können die dortigen Machthaber nicht Wahlen abhalten und, wenn sie verlieren, sich geschlagen geben? Anstatt Wahlen abzuhalten und, wenn sie verlieren, die Macht mit Waffengewalt zu erhalten ... wenn nicht gleich die Armee ohnehin die Macht übernimmt, weil sie nun mal die Waffen hat.

Aber das alles kann man zurückführen auf die Wurzel all dieser Probleme - und das ist die Kolonialisierung. Da fing das alles an. Beispielsweise die Stammeskonflikte, die überall aufflammen - nimm als Beispiel die Hutu und die Tutsi: eine Folge der Kolonialisierung, der damaligen Bevorzugung einer Gruppe und des hinterlassenen Machtvakuums. Jahrhunderte von Feindseligkeit, die sich da aufbauen - zwischen Leuten, die einander näher als Brüder sein sollten! Das gilt für den ganzen Kontinent. Inzwischen reden wir von Globalisierung, was in meinen Augen nichts anderes ist als Re-Kolonialisierung. Und deswegen beginnt "Africa Now" auch mit den Worten "Globalization, re-colonization!"


zurück


Home


vor


Valid HTML 4.01!

Folker! - ...und immer noch: über 40% sparen beim Folker! -Schnupperabo!
Also auf zur von-uns-für-euch-Schnupper-Abo-Test-Bestellung !

Mehr über Terry Callier
im Folker! 1/2005