Die Erwähnung des ägyptischen Barden Homes beim letzten Mal wirft die Frage auf, seit wann es denn nun eigentlich Liedermacher/-innen gibt? Die "letzte Plage der Menschheit", wie man sie genannt hat, war zugleich die erste. Ein Blick in die Schöpfungsgeschichte genügt: Methusalem, Urenkel des Malalech, der seinerseits Adam, den ersten Menschen, zum Urgroßvater hatte, erreichte - verglichen mit diesem - kein biblisches Alter und starb schon mit 187. Er hatte einen Sohn namens Lamech. Dieser Lamech lebte 182 Jahre und war ebenfalls Vater eines Sohnes, den er nach der Geburt Noah benannte, indem er sprach: "Dieses wird uns Ruhe verschaffen, ebenso der Erde Ruhe vor denen, die auf ihr sind, und wegen derer sie, eben infolge der Bosheit ihrer Greueltaten heimgesucht wird." (Philo: Biblische Altertümer, 1, 20) Aber was störte die 'Ruhe' so sehr, dass Gott sich nicht mit der Vertreibung Adams und Evas aus dem Garten begnügte, sondern die Menschen auch noch in ihrem irdischen Jammertal mit Heimsuchungen strafen wollte?
Kain, der den Abel erschlug, hatte schon als Fünfzehnjähriger Themech zur Frau genommen, die ihm den Enoch gebar. Nach Enochs Geburt lebte Kain noch 715 Jahre und starb mit 730. Enoch ehelichte seine Kusine, Tochter des dritten Adamssohnes Seth. Sie gebar ihm den Jamed, der wurde Vater des Mathusael, und dieser wiederum Vater eines anderen Lamech. Dieser Lamech (Gen 4, 17-22; vgl. Philo 2, 7-9), auch "der Blinde" genannt, nahm zwei Weiber, die eine hieß Ada und gebar ihm den Jabal, "Vater all derer, die in Zelten wohnen und Herden weiden" (statt Acker- und Häuslebau). Dann gebar ihm Ada noch den "Jubal, der anfing, allerlei Musikpsalmen zu lehren. Zu jener Zeit, als die Erdbewohner begannen, Sündhaftes zu tun, jeder an seines Nächsten Weibern, sie befleckend, erzürnte sich Gott. Man fing auch an, Harfen und Zithern, überhaupt jedes Instrument des süßen Psalters zu spielen und die Erde zu verderben."
Die Zweitfrau des Lamech Mathusaelssohn hieß Sella und gebar ihm den Tubal, auch Tubalkain: "Dies ist der Tubal, der den Menschen die Künste in Blei, Zinn, Eisen, Erz, Silber und Gold" zeigte, die auch dem Instrumentenbau dienten. In einem apokryphen Text namens Schatzhöhle (11, 1ff.) werden Jubal und Tubalkain als "Handlanger der Sünde und Schüler Satans" bezeichnet: "Jubal machte Flöten, Zithern und Pfeifen. Da fuhren die Dämonen in diese und wohnten darin. Blies man hinein, dann sangen die Dämonen aus den Flöten heraus, und spielte man auf den Zithern, dann sangen die Dämonen daraus hervor. Und Tubalkain machte Zymbeln, Klappern und Trommeln. So vermehrte sich der Kainskinder Lasterhaftigkeit und Unkeuschheit, und sie hatten keine andere Beherrschung als allein die Unzucht... Vielmehr herrschte nur Fresserei, Saufen, Völlerei, Trunkenheit, Tanzen, Singen, teuflisches Lachen und das Gelächter, das den Teufeln Ruhe bringt, sowie das wahnsinnige Geschrei der Männer, die hinter Weibern her wieherten."
Übergehen wir die Zeit, als selbst die Gottessöhne den Menschentöchtern nachstellten und es dem Herrn gefiel, die Lebensjahre der Menschen auf 120 festzulegen. Anno 1652 nach Erschaffung der Welt wurde er ihrer überdrüssig und sandte eine 140tägige Überschwemmung, der nur Methusalems Enkel mit seinen Söhnen und Schwiegertöchtern entging. Noah durfte aus Zedernholz ein Hausboot zimmern und je zwei Exemplare von allen reinen und unreinen Tieren und Vögeln mitnehmen. Übrigens wusste apokryphen Überlieferungen zufolge Urmutter Eva, dass Übles bevorstand. Als Adam (930jährig) starb, befahl sie ihren Kindern, ihre Biographie gleich zweimal zu schreiben: auf Stein- und auf Tontafeln. "Wenn Er nun unsere Nachkommen mit Wasser bestraft, so schwinden zwar die Lehmtafeln, aber der Stein wird bleiben; schickt er Feuer, dann schwinden die von Stein, aber die von Lehm werden gebrannt." Nach der Flutkatastrophe wurde es eine Weile still um Musiker und Instrumentenbau, jedenfalls hören wir nichts mehr von Jubals und Tubalkains Erben, doch schon die Verbannung an die Wasser Babylons (Psalm 137, 1-3) steigerte das Verlangen nach "Zionsliedern".
In der Ära Samuel lehnte ein gewisser Barsillai (mit 80 Jahren "hochbetagt" und wahrscheinlich ertaubt) das Angebot ab, seinen Lebensabend am Königshof zu verbringen (2 Sam 19, 35): "Kann ich denn noch der Stimme der Sängerinnen und Sängerinnen lauschen?" Von König Saul heißt es (1Sam 16, 14-23), ein böser, aber von Gott gesandter Geist habe ihn geplagt; seine Knechte mussten "einen Mann suchen, der das Harfenspiel versteht. Sooft dann der böse Geist Jahwes über dich kommt, soll er die Saiten rühren." Tatsächlich kam David, ein Ziegenhirt, mit einem Schlauch Wein und einem Ziegenböcklein unter dem Arm, zum König, "und dieser gewann ihn sehr lieb. Sooft aber der Gottesgeist über Saul kam, griff David zur Harfe und spielte. Dann wurde es Saul leichter." Als der Schönling auch noch den Goliath besiegt hatte, waren es Frauen, die ihn "singend und tanzend, mit Pauken, Jubelgesang und Cymbeln" feierten. Kaum hatte der junge Mann die Thronfolge angetreten, wurden erste Berufsverbände gegründet: "Denn seit den Tagen Davids und Asaphs gab es Häupter der Sänger, sowie Lobgesänge und Danklieder für Gott", heißt es im Buch Nehemia (12, 46),das ein Konzert mit zwei Chören schildert.
Ganze Prophetenschulen entstanden, deren Jünger '"weissagten auf Zithern, Harfen und Cymbeln", aber nicht alle Propheten gaben sich mit diesem Tun und Treiben zufrieden: Amos (6, 4-7) eiferte gegen jene, die sich "auf Elfenbeinlagern und auf weichen Polstern" räkeln, "sie gröhlen zum Klang der Harfen, wie David ersinnen sie Lieder, sie trinken den Wein aus Humpen und salben sich mit kostbarem Öl... darum sollen sie an der Spitze der Verbannten marschieren, und aus wird es sein mit dem Lärm der Ausgelassenen." Und Jesaja (5, 11-12) ruft "Wehe denen, die schon am frühen Morgen dem Rauschtrank nachjagen und am Abend verweilen, vom Weine erhitzt! Zither und Harfe, Pauke und Flöte und Wein zum Gelage vereinen sie, das Walten Jahwes aber kümmert sie nicht." Und Maleachi warnt im letzten Buch der Propheten: "Siehe, der Tag kommt, glühend wie ein Ofen, und und alle Übermütigen und alle, die Böses tun, werden zu Stoppeln."
Fassen wir zusammen: die Bibel strotzt zwar von Hoheliedern, Weinbergliedern, Siegesgesängen, Psalmen, Tempel- und Tanzmusik, meint es nicht allzu gut mit den Musikschaffenden. Sie neigen zu übertriebenem Alkoholgenuss und sexuellen Ausschweifungen, beschwören Naturkatastrophen herauf, verscheuchen die von Gott gesandten bösen Geister und bringen - siehe Jericho - durch übertriebene Schallemissionen ganze Stadtmauern zum Einsturz. Ist es da verwunderlich, wenn sich auch Kirchenväter und Scholastiker schwer taten mit der Tonkunst, die doch eine Himmelstochter sein soll? Doch davon ein andermal.
Nikolaus Gatter
www.lesefrucht.de
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