Homepage zu Richard Morse:
www.artmediahaiti.com/amh-... ...spotlight/richard-morse.htm |
(Auswahl)
RAM:
|
Wer in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince ins Hotel Oloffson gelangen will und kein Auto hat, muss einen beschwerlichen Fußweg in Kauf nehmen. Ein Slalomlauf von knapp einer halben Stunde vom Stadtzentrum mit seinem imposanten Präsidentenpalais in südliche Richtung. Tiefe Schlaglöcher, die sich mit moderigem Brackwasser gefüllt haben, müssen übersprungen, stinkenden Abfallhaufen muss aus dem Weg gegangen werden. In den Abendstunden liegt alles in tiefes Dunkel gehüllt, die öffentliche Straßenbeleuchtung ist abgestellt. Es fehlt das Geld. Auch hier, wo einst der Mittelstand Haitis lebte, spürt man die fehlende Infrastruktur im "Armenhaus Lateinamerikas".
Und dann steht man vor einem Eisentor, das von einem Pumpgun-bewaffneten Wächter gesichert wird. Dahinter empfängt den Besucher eine andere Welt. Ein weißes, mehrstöckiges Gebäude im Zuckerbäckerstil der "Gingerbread-Epoche" zieht einen in seinen Bann. Geschnitzte Balkonumrandungen, knarrende Dielenbretter, leicht blätternde Lackfarbe an den Holzwänden, die Sanitäranlagen schreien nach einem Renovierungstrupp und nicht nach Patchwork-Ausbesserungsarbeiten gegen tropfende Hähne und lecke Zuleitungen. Aber das Hotel Oloffson ist Legende und durch einen Film geadelt: Für die Graham-Green-Verfilmung des Romans "Die Zeit der Komödianten" wurde der Holzbau naturgetreu in den Studios von Hollywood rekonstruiert. Hier treffen sich noch heute Journalisten und Nachrichtenhändler, Menschen, die was wissen, und andere, die es nur vorgeben. Ein idealer Ort für Mythen und Geschichten. Sogar Mick Jagger soll hier sein müdes Haupt gebettet haben. Aber nur wenige finden heute noch den Weg hierher. Haiti ist out und derzeit lediglich als politische Schreckenskammer in den Schlagzeilen.
Von Hans-Ulrich Dillmann
Nur donnerstagabends füllt sich das Gebäude aus dem Fin de Siècle. Die geteerten Wege des Hotelareals sind mit blank polierten Jeeps zugeparkt. Die Reichen und die Schönen geben sich ein Stelldichein. Sie kommen aus Pétionville und Kenscoff, den beiden Wohnregionen, die auf den kühlen Anhöhen rund um die haitianische Hauptstadt liegen. Donnerstags tritt im Oloffson "RAM" auf, deren musikalischer Leiter Richard Morse gleichzeitig auch Inhaber des Hotels ist. Und nur die Jeunesse dorée kann sich die 500 Gourdes, rund elf Euro, Eintrittsgeld in einem Land leisten, in dem rund zwei Drittel der Bevölkerung mit einem täglichen Durchschnittseinkommen von 0,40 Eurocents auskommen müssen.
Lunise, die haitianische Lebensgefährtin von Richard Morse, stimmt nach ersten rockig klingenden Elektrogitarrentönen "Kite Juda Yo Pale" an, was man etwas frei aus der Landessprache Kreyòl mit "Hör nicht auf den Verräter" übersetzen könnte. Alle wiegen sich im Takt der Musik, ein Bier oder ein Glas Barbancourt-Rum in der Hand. Die ersten beginnen zu tanzen, als die Kornets, die trompetenartigen Blasinstrumente aus Blech, mit ihren typischen gepressten, stoßartigen Tönen einsetzen.
Eine politische Anspielung auf den gestürzten Staatspräsidenten Jean- Bertrand Aristide? Richard Morse lacht. "Ich bin Musiker und kein Propagandist", sagt der 46-Jährige. "Ich singe keine politischen Lieder, aber sie werden so interpretiert." Das breite, ironische Grinsen des hoch gewachsenen Mannes mit dem dichten zum Zopf zusammengebundenen Haar, das von grauen Strähnen durchzogenen ist, reicht als Antwort. Morse trägt ein weites Baumwollhemd, auf dem mit bunten Fäden der Name "Haiti" eingestickt ist. Meist läuft er barfuß durch die Hotelhalle und unterhält sich am liebsten mit seinen Gästen oder Besuchern.
"Ich bin Künstler und kein Politiker." So oder ähnlich formuliert er immer wieder sein Credo bei dem Gespräch auf der Veranda des Hotel Oloffson am folgenden Nachmittag. Morse wirkt echt, wenn er dies wiederholt, wirkt wie der Ängstliche, der sich pfeifend durch den Wald bewegt. Und so dreht sich die Unterhaltung dann doch sehr schnell fast ausschließlich um die politische Situation des Landes.
Aber ist Musik un-politisch? Reflektiert sie nicht gesellschaftliche Realität? Lässt sie nicht im Takt der Noten Träume Realität werden? "Musik", sagt der Sohn einer Haitianerin und eines US-Amerikaners, "ist die Seele der haitianischen Menschen". Freude und Trauer, Glück und Schmerz, Solidarität und Wut gerinnen im "Land der Berge", wie die Ureinwohner die Karibikinsel einst nannten, in stampfende Rhythmen, die den Körper erfassen, jede Muskelfaser mitreißen. Musik für die Seele der Versklavten auf Hispaniola, wie die spanischen Konquistadoren die Insel nannten. Musik für die Rebellen aus Dahomé, die, kaum aus Westafrika verschleppt, sich in die Berge flüchteten, um als "Marrón", als "Wilde", sich der Versklavung zu entziehen. Musik für jene, die in den afrikanischen Naturreligionen Seelenheil suchten, um die Unterdrückung ertragen zu können, und die Haiti den Voodoo gegeben haben.
|
|
|
|
Folker!
- ...und immer noch: über 40% sparen beim
Folker!
-Schnupperabo!
|
Mehr über Richard Morse
|