Boston Folk-Poet

Ellis Paul

Songs für die Ablösung von Bush

www.ellispaul.com  www.ribbonofhighway.com

(Auswahl) "Stories" (Philo, 1995) "A Carnival Of Voices" (Philo, 1996) "Translucent Soul" (Philo, 1998) "Live" (Philo, 2000) "The Speed Of Trees" (Philo, 2002) "Side Of The Road" (mit Vance Gilbert;    Philo, 2004) DVD: "3.000 Miles"    (Moody Street Pictures, 2003)

Seit Anfang der neunziger Jahre gilt der Sänger, Gitarrist und Poet Ellis Paul als wegweisender Begründer der "Boston School of Songwriting". Dahinter verbirgt sich eine stilistische Kategorie, die sowohl musikalisch als auch sprachlich tief in der Folk-Bewegung verwurzelt ist und auf Woody Guthrie und Pete Seeger als prägende Persönlichkeiten ebenso verweist wie auf Bob Dylan.

Von Michael Tiefensee

"Sie ist vor allem durch den treibenden literarischen Anspruch geprägt", antwortet der 38-jährige Singer/Songwriter auf die Frage, was denn nun das Charakteristische dieser Boston-Schule sei. "Ich mag einfach Leute, die, wie Hank Williams oder Woody Guthrie, binnen drei oder vier Minuten gute Geschichten erzählen können." Mit seinen eigenen "Stories" (CD-Titel) ist Paul derzeit bis zu 150 Mal jährlich unterwegs, was künftig wohl etwas weniger werden wird. "Ich möchte nur noch etwa 100 Konzerte geben", nimmt sich Paul vor, denn: er ist gerade zum ersten Mal Vater geworden!

Der Rückbezug auf Traditionalisten wie Guthrie und andere Genre-Pioniere wird jedoch bei Paul und anderen Vertretern der Boston School vor allem musikalisch durch die Orientierung an modernen Song-Strukturen, an bisweilen durchaus poppigen und rockigen Arrangements und Produktionsstilen durchbrochen. "Eigene Songs wie z.B. 'Maria's Beautiful Mess' mag ich auch deshalb besonders, weil sie zum einen etwas von dem haben, was James Taylors Songs auszeichnet; zum anderen gibt es plötzlich einen Teil, der sehr nach den Stones klingt, und das gefällt mir sehr", erklärt Paul seine Vorliebe für gelungene stilistische Integration scheinbar gegensätzlicher Kategorien.Viele seiner Songs gewinnen durch diese Modernismen - und reihen sich nahtlos ein in die Liga derer von Leuten wie Patty Griffin, Jennifer Kimball, Patty Larkin oder Dar Williams. Alles unzweifelhaft Folkies, aber alle mit einem eigenen Profil, das in bestem Sinne Tradition und Moderne in ihren (Folk-? Pop-?) Songs vereint.

Würdevoller Interpret des Guthrie-Erbes

Kaum überraschend, dass fast alle der vorgenannten Musiker und Musikerinnen auch auf den bislang zehn CDs von Ellis Paul auftauchen. Ein anderer Name, der ebenfalls immer wieder im Zusammenhang mit Ellis Paul genannt wird, ist Woody Guthrie. Mit ihm verbindet der Künstler besonders viel, was nicht nur durch ein Tattoo auf Pauls Arm mit dem Namenszug des großen amerikanischen Sängers und politischen Aktivisten ersichtlich wird, "a committment", wie Paul mal schlicht meinte. Ähnlich wie Guthrie seine Gitarre ganz gegenständlich auch als Fläche für die Verbreitung seiner politischen Botschaften nutzte ("This guitar kills fascists"), versteht Paul seine Gitarre als "Werkzeug", als "Anti-Terror-Machine". Mit seinem so beschrifteten Instrument trat Ellis Paul in den vergangenen Jahren mehrmals als Mitglied der sogenannten "Ribbon Of Highway Endless Skyway"-Tour überall in den USA auf. "Das war eine tolle Sache, die zurückgeht auf die Initiative von Jimmy LaFave. Wir sangen Guthrie-Songs, rezitierten seine Texte und hatten ein begeistertes Publikum, das sehr genau zuhörte", erinnert sich Paul an diese für ihn auch künstlerisch besonders wichtige Phase.Auch auf seiner aktuellen Live-DVD "3.000 Miles" ist mit "Way Over Yonder" eine Reminiszenz an Woody Guthrie zu hören und zu sehen. Und allerspätestens, seit Guthries Tochter Nora 1996 Ellis Paul bat, anlässlich einer Tribute-Veranstaltung für Woody Guthrie in der Rock'n'Roll Hall Of Fame zu singen, gilt Paul im Bewusstsein vieler Folk-Fans als würdevoller Interpret des musikalischen und literarischen Guthrie- Erbes. Auch deshalb mag Nora Guthrie an ihn gedacht haben, als sie mit "God's Promise" vor einiger Zeit einen bislang unbekannten Text ihres Vaters entdeckte und ihn Ellis Paul gab, der den Text auf seiner CD "Speed Of Trees" vertonte.