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"Bzdik Zinvor" (Svota Music, 1999)
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unterwegs:
05.11.04: Halle, Neues Theater 06.11.04: Berlin, Jazz Fest, Kulturbrauerei 07.11.04: München tbc 09-13.11.04: A-Wien, Birdland |
Arto Tuncboyaciyan ist ein Wanderer zwischen den musikalischen Welten. Der Sohn armenischer Eltern setzte in seiner Jugend klangliche Maßstäbe in der Türkei und lebte dann lange Zeit in New York, wo er die Größen von Jazz und Pop auf seinen Trommeln begleitete. Irgendwann besann er sich auf seine kulturellen Wurzeln und suchte die Nähe zur Musik Armeniens. Ergebnis seiner musikalischen Odyssee war die Gründung der Armenian Navy Band, eines zwölfköpfigen Ensembles, das seit 1998 armenische und anatolische Traditionen mit Jazz und Rock verbindet.
Von Suzanne Cords
Der Abovian-Boulevard gilt als Prachtstraße Eriwans, der Hauptstadt Armeniens. Doch die prunkvollen Fassaden, allesamt aus den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts, haben schon bessere Tage gesehen. Geld für aufwändige Renovierungsarbeiten ist Mangelware in Armenien - auch im ehemaligen Gebäude der Journalistenunion gleich um die Ecke, wo im Hinterzimmer seit Jahrzehnten ein altes Klavier verstaubt. Doch genau an diesem Ort arbeitet Arto Tuncboyaciyan an der Erfüllung seines Musikerlebens. Seit dem Frühjahr residiert in der Puschkinstraße Nummer drei der "Armenian Navy Band Music Club". Und wenn Arto nicht gerade irgendwo auf der Welt auf Tournee ist, trifft man ihn in dort an. In seiner ungewöhnlichen Armenian Navy Band stoßen die traditionellen Instrumente - die schalmeienähnliche Zurna, die Spießgeige Kemanche, das Duduk, ein Rohrblasinstrument, und die orientalische Zither Kanun - auf Schlagzeug, Keyboard, Piano, Saxophon und Posaune. Percussionist Arto selbst trommelt sich bei jedem Auftritt die Finger wund, wobei zwischendurch Kochtopf und Flaschenhals ebenso zum Instrument mutieren wie ein Aschenbecher. Das Ergebnis der leidenschaftlichen Darbietung klingt mal bombastisch opulent, mal spielerisch, auf alle Fälle aber einzigartig und faszinierend. Diesen Spagat zwischen den verschiedenen Musikstilen hat Arto Tuncboyaciyan Avantgarde Folk getauft; für ihn ist der Sound der Armenian Navy Band die Quintessenz seines musikalischen Schaffens: "Endlich habe ich das gefunden, wonach ich mein ganzes Leben gesucht habe", sagt er im Brustton der Überzeugung. Und wenn man ihn fragt, warum er seine Band ausgerechnet Navy Band genannt hat, obwohl Armenien doch gar nicht am Meer liegt, antwortet er philosophisch: "Wenn man Liebe, Respekt, Wahrheit und Ehrlichkeit im Herzen trägt, dann kann man ein Boot auch ohne Wasser unter'm Kiel voranbringen. Man muss einfach an die wahren Werte glauben."
Im Kosmos des Arto Tuncboyaciyan dreht sich alles um Musik und um die Philosophie, dass der Mensch seine schlechten Seiten überwinden kann, wenn er sich aufs Menschlichsein besinnt. Er spricht mit langsamer, eindringlicher Stimme, und seine Sätze haben immer eine Botschaft. "Ich habe zwei Augen, zwei Ohren und einen Mund wie jeder andere auch. Ich bin ein menschliches Wesen, das ist meine Natur, meine Kultur und meine Religion. Sucht man sich vor seiner Geburt seine Nationalität oder seine Religion aus? Oder sind wir nicht alle einfach nur Menschen?! Meine Basis jedenfalls ist das Menschsein. Und wenn die Menschheit Nationalitäten und Religionen überwindet, dann wird sie ihren inneren Frieden finden." Das ist Arto Tuncboyaciyans Vision und er hat ihr eine Heimat gegeben: Willkommen im Lande Artoistan. Denn genau so hat der Musiker das riesige Stück Land getauft, das er in Armenien erworben hat. "Ich möchte dort ein eigenes Dorf errichten", erzählt Arto Tuncboyaciyan von seinen Traum. "Nicht nur für meine Familie und mich, nicht nur für die Musiker der Armenian Navy Band, sondern für alle guten Menschen, sie sind alle meine Familie. Ich hoffe, eines Tages werden sehr viele Leute an diesem Ort leben, wo Nationalität und Religion keine Rolle spielen."
Die Musik allerdings wird in dieser friedlichen Oase sehr wohl eine wichtige Rolle spielen, so wie sie es immer getan hat in Arto Tuncboyaciyans Leben. 1957 kam er als Sohn anatolischer Eltern in einem kleinen Dorf namens Galateria in der Nähe von Istanbul zur Welt. Die Familie war armenischer Herkunft, und wie so viele Minderheiten in der Türkei wurde auch sie unterdrückt. Die Erfahrung, "anders" zu sein, prägte den kleinen Arto maßgeblich: "Ich konnte nie sagen, die Türkei ist meine Heimat, denn die Türken haben mir meine Kultur weggenommen. In der Schule hieß es, dass wir Feinde der Türken seien und eine niedere Kultur hätten. Andererseits fühlte ich mich auch nicht als Armenier, denn damals gehörte Armenien zur Sowjetunion und lag hinter dem Eisernen Vorhang. Und Armenisch spreche ich nur gebrochen, weil die Sprache in der Türkei verboten war. Irgendwie hing ich in der Luft, aber dieser Zustand hat auch meinen Horizont erweitert, da ich immer auf der Suche nach einer Identität war und immer auf der Suche nach einer Stimme, mit der ich mich ausdrücken konnte."
Arto Tuncboyaciyan erkannte sehr früh, dass Musik zu seinem Sprachrohr werden sollte. Wenn Worte versagen, greift er zu seinen Instrumenten. "Mein älterer Bruder Onno war Musiker", erzählt er. "Eines Tages ging ich mit zu einem seiner Konzerte und spielte hinten in einem Eckchen auf einer kaputten Trommel einfach mit. Dann schubste mich ein Mann nach vorne auf die Bühne. Ich hatte nur Augen für eine große Tommel, die dort stand, und begann auf ihr zu spielen. Alle lachten, aber sie begriffen schnell, dass ich Talent hatte."
Arto war gerade mal elf Jahre alt, als ein Musikproduzent ihn für Probeaufnahmen ins Studio brachte. "Man sagte mir, was ich spielen sollte und ich spielte es", erinnert er sich. "Anfangs dachte ich nur an das Geld, das ich verdienen würde, schließlich waren wir sehr arm, aber dann fing es an, mir richtig Spaß zu machen. Klar, ich bediente den Unterhaltungsmarkt, aber nach und nach sprach sich herum, dass ich sehr gut war, und ich konnte mir aussuchen, wo ich spielen wollte. In der Zeit haben mein Bruder und ich als Sessionmusiker bestimmt um die 1.000 Studioeinspielungen gemacht."
Und sie waren die besten ihrer Zunft. Wann immer Onno Tunc, der seinen Namen der Einfachheit halber verkürzte, einen neuen musikalischen Effekt einbaute, eiferten ihm andere türkische Komponisten nach. Onno war es, der jahrelang die türkischen Beiträge für den Grand Prix komponierte. Da hatte Arto sich schon ins Ausland abgesetzt. Bei aller Liebe und allem Respekt für den neun Jahre älteren Bruder, der 1996 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, wollte er sich irgendwann nicht mehr dem Mainstream-Geschmack unterordnen.
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