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Das Mysterium der argentinischen Seele

Marilí Machado

Kulturbotschafterin Argentiniens

go!  www.marilimachado.com
(im Aufbau)
Discographie
(Auswahl)

"Los Laikas y Marilí Machado"
   (Victor Entertainment
   Tokyo-Japan, 1994)
"Mujeres de Córdoba" (Municipalidad de
   Córdoba/Argentinien, 1995)
"Quimera"(SADAIC M.M. Produciones/
   Argentinien, 1996)
"Alberto Di Paulo y su gran orquesta, en vivo"
   (Alpha Inc. Nagoya/Japan, 1999)
"La canción nuestra"
   (Aton Recordings/Düsseldorf, 2003)

unterwegs:
* mit Musikern
13.11.04: Wuppertal, Cafe Ada*
14.11.04: Bonn, Harmonie*
17.11.04: Düsseldorf, ZAKK
21.11.04: Korschenbroich, Sandbauerhof

Ob Marilí Machado mit glockenreinem Klang folkloristische Lieder Lateinamerikas vorträgt oder mit tiefem Timbre den Tango zum Leben erweckt: Ihre Stimme erzeugt unwillkürlich Gänsehaut. Kein Wunder also, dass das Außenministerium die Gelegenheit beim Schopf ergriff und sie im Jahre 2002 kurzerhand zur Kulturbotschafterin Argentiniens ernannte, als sie die notwendigen Dokumente für eine Europareise beantragte. Die charismatische Sängerin ist der beste Beweis dafür, dass am Rio de la Plata hochkarätige Gesangskunst gepflegt wird.

Von Suzanne Cords

"Wenn ich meiner Heimat den Rücken kehre und nach Asien oder Europa reise, bin ich nicht mehr nur Argentinierin, sondern Lateinamerikanerin. Ich habe einfach das Bedürfnis, dem Publikum da draußen die unermessliche musikalische Vielfalt unseres Kontinents zu zeigen", stellt Marilí Machado klar. "Daher fließen immer Lieder aus Peru, Uruguay, Brasilien oder Chile in mein Repertoire ein. Unsere musikalischen Wurzeln liegen eng beieinander."

Marilí Machado

Deswegen kann die Sängerin es auch nicht leiden, wenn man sie im Ausland automatisch in die Tangoecke stellt, nur weil sie aus Argentinien kommt. Sie selbst konnte dem Tango in jungen Jahren nicht all zuviel abgewinnen, sang lieber Lieder aus dem reichen Fundus südamerikanischer Folklore und trat gemeinsam mit der bolivianischen Band Los Laikas auf.

Auch in Argentinien gibt es weit mehr Musikstile als nur den Tango: die ländlichen Chacareras zum Beispiel, den Chamamé, die Camperas und nicht zu vergessen die Valsecitos Criollos und die Milongas.

"Ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann"

Der Tango selbst ist ein Kind der Metropole: "Großstadtfolklore" nennt ihn Marilí Machado. Und er sollte erst später eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen. "Man lernt den Tango erst zu lieben, wenn man über 30 ist. Denn um ihn zu verstehen, braucht man Lebenserfahrung. Leidenschaft, Sehnsucht, Schmerz, Trauer, Verlust: Es gibt eigentlich kein Thema, keinen Aspekt des Lebens, das der Tango nicht berührt", weiß die Sängerin und zitiert dann einen der ganz Großen dieser Kunst, Enrique Santos Discépolo: "Der Tango ist ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann."

Das liegt sicherlich an seinem Geburtsort La Boca. Das alte Hafenviertel in der Metropole Buenos Aires liegt südlich des Zentrums und war Ende des 19. Jahrhunderts Auffangbecken für Scharen von Einwanderern, allen voran Italienern, Marilí Machado die im gelobten Land Amerika ihr Glück suchten. Der Tango ist ein Geschenk dieser Immigranten an ihre neue Heimat Argentinien. "Die Neu- Portenos (so nennen sich die Einwohner von Buenos Aires) vermischten ihre Musik, ihre Lieder, ihre Instrumente zu einem neuen Klang. Und vor allem verarbeiteten sie ihre Gefühle im Tango. Corazón, amor y sangre - Herz, Liebe und Blut - das war der Dreiklang der Einwandererseele, die nach einem Halt in dieser fremden neuen Welt suchte. Doch die meisten Immigranten landeten in Armenvierteln wie La Boca. Um ihre Träume betrogen flüchteten viele ins kriminelle Milieu, gaben sich dem Suff hin, dem Glücksspiel und der Prostitution. In diesem halbseidenen Milieu entstanden die Tanzschritte des Tango. Von der Hüfte aufwärts zwei miteinander verschmolzene starre Körper, von der Hüfte abwärts ein Gewirr kunstvoll ineinander greifende Beine - dazu das klagende Seufzen des Bandoneons. Im Tango fanden die Enttäuschten und Betrogenen einen Weg, all das zu sein, was ihnen die Wirklichkeit verweigerte: umschwärmte Machos, die keine Gefahr fürchteten und die für die Ehre ihr Leben gaben. Sie waren die Guapos, Müßiggänger und Taugenichtse mit öligen Haaren, elegantem Stutzeranzug und Schlapphut, denen die Frauen zu Füßen lagen, und sie waren die Compadritos, schmierige Gesellen, denen allenfalls die Kumpel vertrauten. Draufgängertum und Machismo einerseits, Wehmut, Empfindsamkeit und Einsamkeit anderseits sind die typischen Eigenschaften, die man dem klassischen Tangotänzer zuschrieb.

Der Charme von La Boca

Doch Tango ist weit mehr als nur ein Tanz: Musik, Poesie und Tanz verschmelzen zu einem Gesamtkunstwerk. Kaum ein Musikgenre ist so komplex: Der Tango ist das Spiegelbild der Menschen, ihres Lebens und ihrer Geschichte. In seiner Anfangszeit schämte sich die argentinische Elite für den "ach so obszönen" Tango aus den Gossen der Stadt. Doch als er in den Goldenen Zwanziger Marilí Machado Jahren von Paris aus die Welt eroberte, wurde er auch in Argentinien gesellschaftsfähig. Und im 21. Jahrhundert ist er immer noch überall präsent, vor allem in San Telmo und La Boca. La Boca ist das Viertel der Künstler und der Bohème und verbreitet einen maroden Charme. Vor 100 Jahren strichen die Menschen hier ihre Häuser mit Farbresten, weil ihnen nichts anderes übrig blieb. Heute sind die bunten Häuser eine Touristenattraktion. Überall findet man kleine Tanzlokale, wo Paare im Tangoschritt übers Parkett gleiten. Und mittendrin in diesem lebendigen Stadtviertel, dem Barrio, lebt Marilí Machado mit ihrer Familie. "Diese städtische Atmosphäre mit Tangoflair gefällt mir sehr", lächelt sie. "Aber irgendwie hat La Boca auch was Ländliches, man kennt sich und hilft sich gegenseitig." So wie zu den Zeiten, als die Immigranten gerade aus ihrer alten Heimat gekommen und aufeinander angewiesen waren. Auch Marilí Machados Großeltern wagten einst die Reise von Europa über den großen Teich, mütterlicherseits hat sie deutsch- holländische Wurzeln, väterlicherseits spanische Vorfahren. Doch die Enkelin ist - wie alle hier in La Boca - mit Leib und Seele Portena. Nicht weit von ihrer Wohnung geht sie mit dem jüngsten ihrer drei Kinder, dem kleinen Lautaro, gerne im Lezama-Park spazieren - vor allen am Wochenende, wenn zahlreiche Künstler ihre Marktstände aufstellen. Gegenüber liegt das "Torcuato Tasso", eine ihrer Lieblingsadressen in Sachen Tango. "Ohne Musik, aber vor allem ohne den Tango kann ich, glaube ich, nicht leben", sagt Marilí Machado. "Ich bin in Balvanera, einem anderen Stadtviertel, aufgewachsen, aber als kleines Mädchen in La Boca zur Schule gegangen. Dieses Viertel hat mich immer magisch angezogen."


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im Folker! 6/2004