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Schwarz und aufmüpfig

Preta Gil

Lieder vom täglichen Überlebenskampf

go!  www.pretagil.com.br
Discographie

CD:
"Prêt-à-Porter" (WEA, 2003)

Preta Gil, Tochter des brasilianischen Kulturministers und berühmten Musikers Gilberto Gil (s. Beitrag in diesem Heft), macht derzeit in dem Tropenland Furore - provoziert mit erfrischend politisch unkorrekten Sprüchen, kritischen Positionen über Politik, Kultur, Rassismus, Sex. Erst seit einem Jahr arbeitet sie als Sängerin und Schauspielerin, Ende 2003 veröffentlichte sie die erste CD. Viele Brasilianer denken anfangs, schon wieder eine, die den Ruf eines berühmten Papas ausnutzt, um sich zu profilieren, Karriere zu machen. Doch völlig zu Unrecht! Preta Gil hat wirklich Talent. Und der Vater rauft sich wegen ihr des öfteren die Haare. Denn die Tochter sagt Sachen, die sich Minister Gil im Amte nimmer wagen dürfte.

Von Klaus Hart

Preta & Gilberto Gil

Auch der Papa studierte zunächst Betriebswirtschaft, Unternehmensführung, war Manager beim Multi Unilever, bevor er zur Musik überwechselte. Preta, die sich immer an der Genialität des Vaters maß, stieg erst mit 29 aus ihrer erfolgreichen, profitablen Film- und Werbefirma in Sao Paulo aus. Sie freut sich jeden Tag aufs Neue, dass einige ihrer Lieder beinahe auf Anhieb zu Ohrwürmern wurden. Gilberto Gil ist aus Bahia, hat dort seine musikalischen Wurzeln - und Pretas erste CD orientiert sich nicht zufällig stark an neuen Bahia-Trends. "Ich nenne das Afoxè-Funk", sagt sie gegenüber Folker!, "eine Mischung aus afrobrasilianischen Rhythmen, die man auch bei Carlinhos Brown und Margareth Menezes findet - und Funk, von den Peripherien der Großstädte wie Rio de Janeiro. Natürlich hat die CD auch viel von der Generation meiner Eltern. Die meisten Musiker meiner Band sind Kinder famoser Gitarristen, Sängerinnen aus Bahia, wir kennen uns von früher. Sogar zwei meiner Schwestern machen mit. Als Kind habe ich immer gerne gesungen, bin aufgetreten - aber dann bekam ich auf einmal Angst, hatte zu hohe Ansprüche an mich selbst, maß mich an meinem Vater. Habe mich deshalb lange verzettelt, beruflich die falsche Richtung eingeschlagen."

In der Megametropole Sao Paulo, der drittgrößten Stadt der Welt mit über tausend deutschen Unternehmen, probt sie für ihre erste Samstagabendshow im Fernsehen, gibt Konzerte, serienweise Interviews. Die Texte der CD entspringen ihrem Alltag, dem einer Großstadt-Brasilianerin - all der Stress, die Hektik von Sao Paulo und Rio de Janeiro, der tägliche Überlebenskampf, Karneval und Euphorie - daneben Armut, Misere. Das komplexe Auf und Ab auch im Beziehungsalltag - da kennt sich Preta Gil bestens aus - sie heiratete bereits mit siebzehn ihren ersten Mann, den deutschstämmigen Schauspieler Otavio Müller, reiste mit ihm viel durch Deutschland. "Ich habe eine große Leidenschaft für dieses Land, war in Berlin, Hamburg, München." Die Liebe währte nicht allzu lange - andere interessante Partner folgten, der Papa hielt es ja ähnlich.

Preta Gil

Nackt auf der ersten CD - Protest gegen westliche Schönheitsstandards

Als der die CD erstmals in die Hand kriegt, sagt er nur: Furchtbar, furchtbar, furchtbar - denn seine nur eins sechzig große mollige Tochter ist im Beiheft mehrfach splitternackt zu sehen. Sie protestiert damit gegen das auch in Brasilien propagierte westliche Schönheitsideal, gegen die gängige Idee, dass nur schlanke, magere Frauen attraktiv, sinnlich, anziehend sind. "Wegen der Fotos gab es in der Öffentlichkeit ein Riesentheater - unmöglich, du als Tochter des Ministers, du bist doch viel zu dick. Das hat mich erst richtig wild gemacht - ich habe die Frauen aufgefordert, diese Diktatur der Magerkeit nicht zu akzeptieren, sich mit ihrem Körper zu identifizieren, diesen ganzen Diätkram, diese Fettabsaugerei nicht mehr mitzumachen. Und spiritueller zu werden, mehr auf die inneren Werte zu achten. Ich finde mich schön - und basta. Das kommt sehr gut an, ich werde deshalb jeden Tag sogar auf der Straße angesprochen. Frauen mit meiner Figur wagen sich erstmals an die Strände, selbstbewusst, im Bikini! Ein Mann sagte, danke Preta, bisher wollte meine Freundin mit mir nur im Dunkeln vögeln, ich konnte nicht mal ihren Körper sehen. Jetzt tut sie es mit mir bei Sonnenlicht, wunderbar! Also habe ich mit diesen Fotos, mit meiner Haltung anderen geholfen. Mein Vater sagt, ich mache Politik für die Dicken. Na und? Ich sehe überall so viel Oberflächliches, Scheinheiliges, Mittelmäßiges, Banales - dümmlichen Starkult - da muss doch jemand auch mal Gegenpositionen vertreten."

Preta Gil

Sex, Rassismus, politische Korrektheit, Religiosität

Preta Gil nennt sich sehr romantisch, aber auch ganz schön verrückt, nahm in ihren Presseinterviews auch beim Thema Sex kein Blatt vor den Mund. "Sexuell gesehen, mag ich es gleichzeitig mit einem Mann und einer Frau, ich habe das auch schon gemacht. Das war eine transzendentale Erfahrung in meinem Leben", meint sie. "Und über die sexuellen Erfahrungen habe ich mich selber, als Frau richtig kennen gelernt, meine Sinnlichkeit entdeckt, meinen Körper. Natürlich hieß es in den Klatsch-TV-Sendern gleich, Preta Gil bekenne sich zu ihrer Homosexualität, die Tochter des Kulturminister sagte, schon Gruppensex gemacht zu haben." Preta Gil lacht sich krank auf dem Sofa: "Das Land ist eben noch nicht vorbereitet für meine Positionen, was ist das für eine Scheinheiligkeit? Wer hat denn noch nie sowas gemacht wie ich? Und wer es nie tat, sollte es endlich tun, weil es einfach gut ist! Und wer nicht will, lässt es eben bleiben. Ich gebe keine Ratschläge, rede nur von mir, meinem Leben, lasst mich in Frieden!"


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Mehr über Preta Gil
im Folker! 6/2004