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"Orgànic" (Galileo, 2001) |
"Die mediterrane Musik hat insgesamt drei Scheitelpunkte: den Rai, die Rembetika und den Flamenco. Valencia ist der Südbahnhof, das Ende der nördlichen Linie und der Beginn des Südens. Wir teilen gleichviel mit der mallorquinischen Kultur wie mit Andalusien, mit den Griechen und der kastilischen Tradition. Je mehr Abschottungen es in der traditionellen Musik gibt, umso schlechter."
Von Klaus Dieter Zeh
Das kann man durchaus als so etwas wie ein musikalisches Credo verstehen.
Miquel Gil hat sich für die kompositorische Arbeit an seiner neuen Scheibe
"Katà"
auf sein Landgut zurückgezogen und all die gesammelten musikalischen
Erfahrungen seiner Reisen und Spurensuche in eine Form gegossen. Gleichsam
wie in einem einzigen Raum dargeboten, oder auf einem kolossalen,
verschwenderisch schönen Gemälde die ganze kulturelle Pracht und
Fülle eines halben Erdkreises nacherzählt. Ein kammermusikalisches
Großereignis ist daraus geworden. Ein Schmelztigel aller Musikstile
diesseits und jenseits des Mittelmeeres. Stets basierend auf der Grundlage
der mündlich überlieferten mediterranen Musik. Und es ist auch
die imaginäre Linie von Valencia bis nach Vorderasien. Doch Miquel Gil
betreibt keine Feldarbeit und Feldforschung, macht sich die Hände nicht
schmutzig beim Graben nach verloren gegangenem musikalischem Erbe.
Das ist nicht sein Ding. Nein, Miquel fängt eben genau dort an, wo andere aufhören. Sind die alten verschollenen Lieder erst einmal geborgen, begnügt er sich nicht damit, die traditionelle, unbearbeitete Version der so genannten Feldforscher stehen zu lassen. Er macht sich daran, seine eigene Version zu erarbeiten.
Wer die traditionelle Musik hinüber retten will in die Moderne, muss diesen Weg gehen. "Gerade die Musik der spanischen Mittelmeerküste ist nicht wie etwa der Tango, der Fado, oder der Rai von der traditionellen Musik zur Konsummusik geworden, also zu einer Musik, die sich auch verkauft, sondern ist noch immer eine Musikart, die wenig kommerziellen Interessen entspricht. Ich sehe meine Aufgabe darin, eine Musik, die bislang diesen Schritt eben noch nicht geschafft hat, mit einer eigenen, modernen Version so weit zu bringen, diesen Schritt auch zu schaffen."
Seine Intention ist die eines Cantautor (eines Liedermachers), seine Handschrift die eines Cantaor (Flamenco-Sängers). Die musikalischen Stile taumeln geradezu in einem Liebesrausch, als wäre das Wesen der Musik ein gemeinsames Ganzes. Miquels Musik ist ein Liebesakt der Tradition mit der Moderne.
Bei seinen Ausflügen nach Nordafrika, Griechenland und in die Türkei
betrachtete er die Nähe und Verwandtschaft von Kulturen, die sich immer
kritisch gegenüber standen. Die verschiedenen Stile wie Granaìnas,
Fandangos,
Gnawa,
Jotas, Rembetika, Picados mallorquines, Boleros, Bergtänze und die ungeraden
türkischen Rhythmen sind für ihn keine Terrains, die man abgrenzen
sollte. Auch weil sie sich naturgemäß gar nicht voneinander abgrenzen
lassen. "Ich glaube nicht an die Undurchlässigkeit der traditionellen
Musik, die Musik wurde schon immer umspült von verschiedenen
Einflüssen. Die Mestizaje ist keine Erfindung von uns, sondern existiert
schon seit vielen Jahrhunderten." Miquel Gil weiß wovon er spricht.
Die Comunidad de Valencia ist wie viele andere Mittelmeerregionen ein Ort,
an dem sich die musikalischen Elemente der südlichen und nördlichen
Mittelmeergebiete vermischen. Es haben sich hier große Teile des so
genannten Romancero Provenzal, der katalanischen Musik, eine große
Anzahl an traditionellen Tanzmelodien sowie viele Gesänge aus
mittelalterlicher Tradition erhalten. Ebenso ist die kulturelle Vermischung
des Islam mit dem Christentum auch heute noch spürbar.
Miquel Gil ist jedoch nicht nur der Jäger dieser verlorenen Schätze oder Erzähler so mancher verschollenen Geschichte, auch nicht nur der große Maler musikalischer Landschaften und Stimmungen, sondern begibt sich während Tourneepausen in Schulen, um Kurse und Workshops zu geben in Sachen valencianischer Kultur und Heimaterbe.
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