backFolker!-Labelporträt (13):

"Volksmusik ist das Maul aufmachen in der eigenen Sprache"

Trikont

Vom linken Buchverlag zum Produzenten audiophiler Schätze

go! www.trikont.de

Was haben Walter Mossmann, Karl Valentin, Funny van Dannen, rappende westafrikanische Ghettokids, finnische Tangosänger und jodelnde Cowboys gemeinsam? Ganz einfach, sie alle (und noch viele, viele andere) erscheinen beim Münchner Label Trikont. Dass sich hier die unterschiedlichsten Musiker tummeln, ist allerdings beileibe kein Ausdruck eines geschmäcklerischen Eklektizismus' oder gar - noch schlimmer - ein Beweis dafür, dass bei Trikont die musikalische Beliebigkeit gepflegt würde. Im Gegenteil: Wenn man eine Generalaussage über alle Musiker treffen kann, die hier in den letzten 34 Jahren veröffentlicht wurden, dann diese: Wo Trikont draufsteht, da ist immer etwas Interessantes drin. Unverkennbar die liebevoll gestalteten Pappschuber der Trikont-CDs, geradezu überbordend die Begleit-Booklets mit Informationen von Fachjournalisten oder anderen exzellenten Kennern der jeweiligen Szene.

Von Carsten Beyer

Begonnen hat Trikont eigentlich als Buchverlag. 1967 war das, in Köln, im Umkreis des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Der Name leitete sich ab von der "Trikontinentale" - einer linken, vor allem bei Studenten sehr beliebten Internationalismus-Zeitschrift aus Kuba. Als eines von vielen Sprachrohren der sich gerade erst formierenden APO verlegte man hier Che Guevara, Ho Chi Minh und das äußerst umstrittene Buch des Ex-RAFlers Bommi Baumann "Wie alles begann". Schon sehr bald erfolgte dann der Umzug nach München, die Gründung des Trikont-Schallplattenverlages "Unsere Stimme" und der Auftritt von Achim Bergmann, dem Mann, der den Verlag in den vergangenen drei Jahrzehnten maßgeblich geprägt hat.

SUBURBAN BUCHAREST
COWBOY KOLLEKTIV
SCHUBER MOSSMANN

Trikont und München, das ist seit jeher eine Art Hassliebe, der ehemalige Agitprop-Verlag und die Schickeria-Metropole. "Eigentlich sitzt Trikont gar nicht wirklich in München, sondern in Giesing", sagt Achim Bergmann - in der Tat passt der traditionelle Arbeiterbezirk im Süden, die Heimat von Bergmanns Lieblingsfußballern 1860 München besser zu Trikont als etwa die Schwabinger Bussi-Gesellschaft. Die 1860er sind am Ende der letzten Saison aus der Bundesliga abgestiegen, unter anderem, weil sie dem ewigen Lokalrivalen Bayern München finanziell nicht das Wasser reichen konnten; Trikont hingegen kann gar nicht aus der ersten Liga absteigen, da sich das Label in kluger Bescheidenheit nie aus den unteren Tabellengefilden hinaus bewegt hat.

Von der Krise im Musikgeschäft nicht verschont

Dreieinhalb Jahrzehnte sind mehr als nur eine halbe Ewigkeit für einen unabhängigen Kleinverlag - noch dazu in Zeiten, in denen in der Unterhaltungsindustrie Kleinen und Großen gleichermaßen die Luft wegbleibt. Wer nun allerdings denkt, ein Mann wie Achim Bergmann bliebe von der Krise völlig unbeeindruckt, der hat sich getäuscht: "Die Vorstellung, die kleinen Label seien verschont geblieben, entspringt lediglich dem Wunschdenken einiger Kulturjournalisten. Natürlich leiden auch wir mit, schon deshalb, weil immer mehr kleine und mittlere Schallplattenläden zumachen und die Leute unsere CDs schlichtweg nicht mehr finden!"

Bergmann macht die Arbeit für Trikont natürlich nicht alleine, sondern gemeinsam mit einem dreiköpfigen Redaktionsteam, Beate Dorsch, Günter Hablik und Eva Mair-Haussmann, die mit ihren zwölf Jahren Betriebszugehörigkeit selbst schon eine Art Urgestein geworden ist. In Bezug auf Eigenproduktionen haben sich die vier für ein Programm entscheiden, das neben Liedermachern alter Schule wie Walter Mossmann, Hans Söllner oder Funny van Dannen auch immer wieder einmal jungen Musikern die Chance gibt, etwas auszuprobieren. Cow beispielsweise, eine junge Country-Band aus Hamburg, durften hier ihr wunderbares Erstlingswerk "Feeding Time" einspielen, eine CD, die klingt, als sei sie aus dem tiefsten Tennessee und die ehemalige "Braut haut ins Auge"-Sängerin Bernadette La Hengst, ebenfalls aus Hamburg, überraschte unlängst mit einem lupenrein Deutsch-Pop Album. Fast so, als sei die Neue Deutsche Welle nie entstanden, verkauft worden und wieder untergegangen.

Keine Festlegung auf musikalische Kategorien

Um musikalische Kategorien hat Trikont sich ohnehin nie geschert. Für Achim Bergmann ist alles, was er in seinem Gemischtwarenladen verkauft, Volksmusik. "In Deutschland ist dieser Begriff ja leider aus den bekannten historischen Gründen sehr negativ besetzt und kaum jemand traut sich, ihn zu gebrauchen. Doch in diesem Fall lohnt sich wirklich einmal der Blick in die USA, wo man sehen kann, wie vielfältig Volksmusik sein kann und dass sie immer dort am interessantesten wird, wo sie gezwungen ist, sich zu vermischen, mit anderen Musiken neue Verbindungen einzugehen. Volksmusik, das ist doch letztlich nichts anderes als in der eigenen Sprache das Maul aufzumachen!". So wie Bergmann das sagt, kommt auch nicht der Schatten eines Verdachts auf, er wolle sich damit zum Vorsprecher der deutschen Phono-Industrie machen. Dort wird ja bekanntlich immer mal wieder gerne die Quote für deutschsprachige Musik gefordert, um zu vertuschen, dass die A&R-Managements der großen Firmen mit ihrer kurzsichtigen Förderpolitik eine ganze Musikergeneration an die Wand gefahren haben.


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im Folker! 5/2004