backNicht auf Sand gebaut

Festival au Désert

Wenn Tuareg tanzen

go! www.festival-au-desert.org
CD-Tipp:
"Le Festival au Désert" (Exil, 2003)



Wer das abgelegenste - und wohl auch abgefahrenste - Festival der Welt besuchen will, sollte schon etwas Kondition mitbringen. Alleine die dreistündige Anfahrt im Allrad-Jeep durch die Wüste ist eine Schaukelei, die so manchen den Magen umdreht. Und als teergewöhnter Europäer bei knapp 40 Grad durch die Dünen zu stolpern hat nichts von der Erhabenheit, mit der sich die Tuareg fortbewegen. Doch die Mühe wird mehr als belohnt: Hier in Essakane, einer alten Oase 70 Kilometer nördlich von Timbuktu, taucht man ein in eine völlig andere Welt.

Von Luigi Lauer

Wenn der erste Blick morgens aus dem Zelt auf vorbeischlendernde Kamelfüße fällt, ist klar, dass dieses Festival anders ist als alle, die man je besucht hat. Aus etwa drei Metern Höhe schaut ein Targi (Plural: Tuareg) herunter, den Kopf eingehüllt bis auf die lächelnden Augen. So werden die meisten der etwa 200 Europäer in den kommenden drei Tagen auch herumlaufen, denn der Turban bietet den besten Schutz gegen die sengende Sonne. Es ist Winter in Mali, was man daran merkt, dass es nachts zehn Grad kalt wird und tagsüber die Temperatur unter 40 Grad bleibt. Durch den Sand läuft man wie durch Tiefschnee, der relativ kurze Weg vom Zelt zur Bühne ist überaus anstrengend. Doch zuerst will der Schnee in Europa zurückgelassen werden.

Drehkreuz Paris

Europäer reisen in der Regel über Paris an, vom Terminal 3 am Flughafen Charles de Gaulle. Wenn Deutschland am Hindukusch verteidigt wird, ist das Terminal 3 das Tor nach Afrika. Gut 1000 Afrikaner und 50 Kalkgesichter befinden sich in der hässlichen Riesen-Baracke. Die Regalhalle bei Ikea ist charmant dagegen. Zwei französische Zollbeamte sind das Nadelöhr, durch das man zu den Kamelen gelangt. 150 Meter misst die Schlange, bei Aldi hätten die Kassiererinnen längst geklingelt. Bei pünktlichem Abflug Richtung Afrika wäre hier Schluss gewesen, trotz reichlich Puffer. Doch die Maschine von Air Mauretanie hat ein technisches Problem, Abflugzeit unbekannt. Früher wurde auch schon mal die Abfertigung verweigert, weil die Kerosin-Rechnung nicht bezahlt war. Bedienstete lächeln milde, als ich fragend auf den Monitor zeige, der pünktlichen Abflug signalisiert. Als es mit gut sechs Stunden Verspätung weitergeht, ist die Anzeige noch immer unverändert. Einige fliegen direkt nach Bamako, andere fliegen über Nouakchot in Mauretanien. Eine Garantie dafür, dass das Gepäck denselben Weg nimmt, ist die Wahl der Route nicht. Die Frisur mag sitzen, in London, in Rom, in New York. Wenn das Gepäck derweil in Melbourne ist, hilft die Frisur auch nicht weiter. Meines habe ich bis heute nicht wieder.

Unterwegs im Dogon-Land

In Bamako am Flughafen erfahren vier einander fremde Deutsche, dass sie ab jetzt eine Reisegruppe bilden. Wir werden abgeholt, es ist früh am Morgen. Gruppendynamik im Schnellkurs: Wir entscheiden, nicht im Bus bis Mopti zu reisen, wo unsere gebuchte Tour beginnt, sondern legen 200 Euro zusammen, um uns ein Taxi zu leisten. Wir sind völlig übermüdet, sparen sechs Stunden ein, und für über 600 Kilometer ist der Preis vertretbar. Die Wahl wird durch eine Sondereinlage belohnt: Der Fahrer weiß von zwei Marabouts, Wanderpredigern mit multipler gesellschaftlicher Funktion, die in der Stadt weilen. Wir dürfen kurz einkehren und sie erteilen uns ihren Segen für die Fahrt. Gläubig oder nicht, wir kommen heil an. Von Mopti aus geht es im Allradfahrzeug über Sandpisten nach Timbuktu, durch das atemberaubend schöne Dogon-Land. Ganze Alleen von Baobab-Bäumen stehen hier, ansonsten sieht es aus wie in einem Canyon. Organisiert werden die verschiedenen Routen von Touareg Tours in Bamako, und das sehr ordentlich. Nur der Manager, Aly Napo, wittert das schnelle Geld und versucht uns an jeder Ecke abzuzocken. Jede Flasche Wasser, jedes Essen ist mit Disputen gewürzt. Als wir uns zu viert eine Orange zum Nachtisch teilen sollen, platzt uns der Kragen. Wir rächen uns mit einem deftigen Drei-Gänge-Menu am Ende der Reise, das Aly natürlich nicht bezahlen wollte. Hat er aber, nach etwas Gebrüll. Nach zwei Übernachtungen im bezaubernden Timbuktu - diesmal nicht unter freiem Himmel - schaukeln wir schließlich durch die Dünen zur Oase von Essakane. Das romantische Bild eines Palmenhains mit kleinem, klarem See stellt sich allerdings nicht ein, nur Sträucher und kleinere Bäume. Aber es gibt Wasser, das dank europäischer Hilfe mit Solarenergie hochgepumpt wird. Auch Toiletten und Duschen sind installiert, wenn auch nicht ganz kulturgerecht: Statt der hier üblichen Hock-Klos wurden die viel weniger hygienischen Sitzschüsseln aufgestellt. Die Rache folgte auf dem Fuße, rechts und links der Schüsseln haben Einheimische Steine aufgetürmt, um das Geschäft wie gewohnt im freien Fall abzuschlagen. Die Schüsseln sehen entsprechend aus.


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im Folker! 2/2004