back"Der Internationale"

Billy Bragg

CD-Retrospektive zum 20-jährigen Bühnenjubiläum

Von Carsten Beyer

go! www.billybragg.co.uk
CD-Tipp:
"Must I Paint You A Picture?:
   The Essential Billy Bragg"
   (Cooking Vinyl, 2003)
Billy Bragg unterwegs:
06.03.04 Hamburg, Große Freiheit
07.03.04 Berlin, ColumbiaFritz
09.03.04 Frankfurt/M., Batschkapp
10.03.04 Stuttgart, Röhre
11.03.04 Köln, Prime Club

Als "nationalen Schatz" bezeichnete ihn die Londoner "Times" vor einiger Zeit, ein eher zweifelhaftes Kompliment für einen Sänger, der seit über 20 Jahren in erster Linie gegen Zeichnung: Imke Staatsdas Establishment kämpft. Dennoch zeigt es, wie wichtig Billy Bragg für Großbritannien, ja für ganz Europa geworden ist: Seit seinem Debüt 1983 mit "Life's A Riot With Spy vs Spy" hat er es immer wieder geschafft, den Menschen seine Sicht der Welt nahe zu bringen; Freunde und Feinde gleichermaßen mit mal wütenden, mal zärtlichen, aber immer hoch-intelligenten Liedern herauszufordern. Carsten Beyer traf sich mit dem Sänger anlässlich der Veröffentlichung einer CD-Retrospektive zum 20-jährigen Bühnenjubiläum zum Folker!-Gespräch.

Du kannst in diesen Tagen auf eine immerhin schon 20 Jahre dauernde Karriere als politischer Liedmacher zurückblicken und es scheint, als sei dieser Berufsstand mittlerweile nahezu vom Aussterben bedroht. Wenn du heute noch einmal eine Karriere beginnen würdest, würdest du dich wieder für das politische Lied entscheiden?

Ich bin sicher, ich würde wieder genau das Gleiche tun wollen, aber es wäre heute sicher schwieriger. In den Achtzigern wurden wir von den damals Regierenden regelrecht in diese ideologischen Kämpfe hineingezwungen: In Deutschland war es Helmut Kohl, hier in England die Regierung Thatcher und in den USA Ronald Reagan. Diese ideologischen Gräben gibt es heute nicht mehr, die Unterschiede zwischen Links und Rechts existieren einfach nicht mehr in dem Maße.

Billy BraggAls du angefangen hast, Lieder zu schreiben Anfang der Achtziger, da richtete sich dein Zorn vor allem gegen Margaret Thatcher, die damalige Premierministerin. Heute lebst du auf dem Land und hast eine Kampagne gegen den dortigen Parlamentsabgeordneten gestartet. Heißt das, dass du jetzt Lokalpolitik betreibst ?

Nein, ich kämpfe immer noch gegen Konservative, gegen Kleingeist und Fremdenfeindlichkeit genauso wie vor 20 Jahren. Auf meinem letzten Album habe ich mich vor allem mit dem Thema "Englishness" auseinander gesetzt, mit einem Thema, das mich schon sehr lange beschäftigt.

"Ich kämpfe immer noch gegen Konservative"

Ich habe als junger Sänger beim Festival "Rock gegen Rassismus" begonnen und wenn ich heute über die englische Nation reflektiere, dann geschieht das natürlich auch als Reaktion auf das Erstarken des Rechtsradikalismus in Europa. Also, meine Themen sind die gleichen geblieben, geändert hat sich nur die Art, wie ich über sie schreibe. Wenn man über Politik schreibt, dann muss man natürlich auch die Veränderungen um einen herum registrieren, und in England hat sich doch einiges verändert seit der Wahl von Tony Blair.

Trotzdem scheint es, als hätten sich die Dimensionen deines Handelns auf eine andere Ebene verlagert ...

Ja, das heißt aber nicht, dass ich meine Ansprüche heruntergeschraubt hätte. Es ist eher so, dass ich mich jetzt stärker in das tatsächliche politische Geschehen einmische Tourplakat 2003 Australienund nicht nur in abstrakten Begriffen darüber singe. In Dorset, im Westen von England, wo ich jetzt wohne, ist die Gesellschaft noch sehr ländlich geprägt. Da kann man tatsächlich durch eine Kampagne auf lokaler Ebene noch etwas erreichen, bis hin zur Abwahl des Parlamentsabgeordneten. Das hat mich überrascht und überzeugt. Was die englische Identität angeht, den derzeitigen Nationalismus, auch da kann jeder einzelne einiges verändern durch die Art, wie er auf Fremde zugeht, auf Menschen, die hier bei uns Arbeit oder ein besseres Leben suchen. Es scheint, als hätten Nationalismus und Rassismus im 21. Jahrhundert die Links-/Rechts- Dichotomie im Zentrum der Politik abgelöst

Und wie sieht es mit dem Sozialismus aus? Wie hat sich da deine Einstellung geändert, von den Tagen, als du als junger Punkmusiker in Ost-Berlin aufgetreten bist, bis heute, wo du einen "Sozialismus des Herzens" propagierst?

Als ich 1986 zum ersten Mal beim Festival des politischen Liedes im Palast der Republik auftrat, da war Sozialismus für die meisten Menschen gleichbedeutend mit Marxismus. Ich selbst war zwar nie ein Marxist, aber ich habe doch auch die Sprache des Marxismus gelernt. Irgendwie war der Marxismus für mich immer ein Sozialismus des Kopfes, im Gegensatz zu einem Sozialismus des Herzens, wie er mir immer vorgeschwebt hat.


zurück


Home


vor


!!!

Folker! - ...und immer noch: über 40% sparen beim Folker!-Schnupperabo!
Also auf zur von-uns-für-euch-Schnupper-Abo-Test-Bestellung!

Mehr über Billy Bragg
im Folker! 2/2004