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Das Schweizer Lied existiert. Das beweist die "Liederbestenliste", die regelmäßig Schweizer Mundartlieder auf Spitzenpositionen führt. Der Grund, dass der größte Teil dieser Lieder aus dem Bernbiet stammt, hat einen Namen: Mani Matter. Der Übervater des Berner Mundartliedes hatte Dialektlieder einst salonfähig gemacht.
Von Martin Steiner
Eines muss ich vorausschicken. Möglicherweise bin ich gar nicht legitimiert, über Berner Liedermacher zu schreiben. Ich bin nämlich Zürcher. Unsere Mundart gilt als breit, großkotzig und vulgär. Abgesehen davon fühlen wir uns eher verwandt mit London oder New York; die Provinz liegt uns zu weit weg. Zürcher Bands singen im Allgemeinen Englisch, denn wer seine Zürcher Mundart im Kulturbereich ernsthaft einsetzen möchte, wird selten ernst genommen. Liedermacher anderer Kantone machen sich überdies noch lustig über uns: wie etwa der Thurgauer Werner Widmer, der seinen Blues Max in breitestem Züri-Slang erzählen lässt. Sein Max bedient exakt das Klischee des Zürchers: Er ist laut, Dauerredner, weiß alles besser und ist nie um eine Antwort verlegen.
Besser haben es da die Berner Kollegen (Kolleginnen sind mir keine bekannt). Die berndeutsche Mundart ist in ihrer Syntax dem Englischen näher verwandt als etwa Zürichdeutsch, die Ostschweizer Dialekte oder auch Hochdeutsch. Ein Beispiel: Schweizerinnen und Schweizer sind in der Liebe vorsichtig. Wenn es im Bauch zu kribbeln beginnt, säuseln wir höchstens: "ich hab dich gern" oder "ich mag dich". Auf Berndeutsch heißt das dann "i ha di gärn" (das "ä" wird etwa so ausgesprochen wie das "a" beim englischen "Jack"). Auf Zürichdeutsch heißt es "ich ha dich gärn" (das "ä" tönt hier wie bei "Diane" in breitem Südstaaten-Amerikanisch. Wo Zürcher das "ch" von "ich" kratzig kehlig aussprechen, lassen Berner diesen Reibelaut einfach weg.
Wie aber konnte in Bern eine breite Mundart-Szene entstehen, wo gleichzeitig junge Musiker in der übrigen Schweiz mehrheitlich mit einem Auge ins Ausland schielten? Martin Hauzenberger, Berner Liedermacher mit aktuellem Zürcher Wohnsitz, verweist auf eine lange Tradition Berner Mundartschaffens: "Schon Jeremias Gotthelf (19. Jh.) dichtete Berndeutsch und schrieb Dialekttheater." Wegbereiter und Übervater des Berndeutschen Chansons ist jedoch Mani Matter, dessen dreißigster Todestag Anlass zu einem Dokumentarfilm und einer Würdigung im Herbst 2002 gab. Matter war für die Berner-Szene vielleicht das, was ein Dylan für die englischsprachigen Songwriter war. Musikalisch von Brassens beeinflusst, waren seine Lieder, die er mit einfachstem Folk-Picking begleitete, etwas gänzlich Neues für die Schweiz und von kaum zu übertreffender textlicher Qualität. Als Hugo Ramseyer, der spätere Gründer des Zytglogge-Verlags, mit den ersten Aufnahmen bei den Zürcher Niederlassungen der großen Plattenfirmen vorsprach, hatte man für ihn und seinen Schützling allerdings nur ein Lächeln übrig. Darauf beschloss Ramseyer, Matters Lieder selbst zu verlegen. Der Erfolg der versponnenen, mit einem feinen, hintergründigen Humor unterlegten Chansons ließ nicht lange auf sich warten. Schon bald kannte jedes Schulkind das Lied vom "Zundhölzli", vom Streichholz, das fast einen dritten Weltkrieg verursachte oder dasjenige vom Cembalo spielenden Eskimo, der von einem Eisbär aufgefressen wurde. Mit Mani Matter als Zugpferd war beim Zytglogge-Verlag der Grundstein für den weitaus wichtigsten Verlag Schweizer Liedschaffens mit Schwerpunkt Bern gelegt. Der Musikwissenschaftler und Musiker Urs Frauchiger bescheinigt dem Chansonnier im Dokumentarfilm "Warum syt dir so truurig", dass dieser mit seinen Liedern die Berner Mundart als Ausdrucksform in der Kunst und im intellektuellen Diskurs salonfähig gemacht habe. In der Folge traten unzählige Liedermacher in Matters Fussstapfen. Mani Matter und seine Musikerfreunde, die " Berner Troubadours", Ruedi Krebs, Bernhard Stirnemann, Jacob Stickelberger, Markus Traber und Fritz Widmer, fanden in Bern gute Auftrittsbedingungen vor. In den sechziger Jahren entstanden dort viele Kleintheater, so genannte Théâtres de Poche.
Mani Matter verunglückte am 24. November 1972 tödlich auf der Fahrt zu einem Konzert. Hätte er den Zug genommen, wäre er vielleicht noch am Leben. Womöglich zog er die Fahrt im eigenen Wagen vor, um der Tristesse zu entfliehen, die er in seinem "Lied vo dä Bahnhöf" beschreibt. Der 36-jährige Liedermacher, hauptberuflich Rechtskonsulent der Stadt Bern, befand sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Neben den Troubadours, die Matters Erbe aufrechterhielten, entdeckten junge Liedermacher neue Ausdrucksformen. Die Berner Tinu Heiniger und Martin Hauzenberger, der Bündner Walter Lietha, der Basler Ernschd Born oder der Zürcher Toni Vescoli orientierten sich weniger an der französischen Chansonkultur als an Bob Dylan und amerikanischen Protestsongs.
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