backFerner liefen...

Als aber der Friedrich Merz vor kurzem seine anwaltfreundlichen Steuerreformpläne in die Diskussion brachte, da begab sich Ministerpräsident Roland Koch an eines der ständig vor ihm fuchtelnden Mikrophone, tat den Mund auf und bezeichnete diesen Vorschlag als "Meilenstein in die richtige Richtung"... Donnerlüttchen. Und nachts ist es kälter als draußen? Dann holen wir eben das Haus rein! Da liegt doch des Pudels Kern begraben.

Wie in den Bocksgesängen der Alten allmorgendlich Aurora mit den Rosenfingern erwacht, ist manchen noch aus dem Schulunterricht (der "Penne") geläufig. Dass Köln spätestens nach der dritten Nennung im Text als "Domstadt" tituliert wird, rings um Berlin ein "Speckgürtel" wulstet und in Aachen die "Print-Medien" das beste Adventsgeschäft machen, weiß jeder Wortmetz. So etwas gehört nun mal zu seinem Handwerkszeug wie die Daumenschrauben und der Notnagel, der Vorschlaghammer und die Kneifzange, mit der man diese und jene heiße Eisen anzufassen sich nicht scheuen sollte. Aber wer kennt "Printen-Eis"? Das hat sich ein findiger italienischer Eisbudenbesitzer in der Bäderresidenz Karls des Großen patentieren lassen - war aber zwecklos: Mit EG-Richtlinien gewappnet, setzten sich die Gewürzkantenbäcker gegen die Konkurrenz mit dem zarten Schmelz durch. Das Printeneis bleibt verboten, damit es unmündige Kinder nicht im Hochsommer versehentlich mit jener dann bereits in der Blechbüchse petrifizierten Weihnachtsknabberei verwechseln.

Als Formulierungshelfer fürs Grobe und Schmierant des niederen Genres bin ich keineswegs gegen Metapheritis gefeit. Im Gegentum, ich hege geradezu eine Immunschwäche für blumige Ausdrucksweisen und harke täglich mein Metaphernbeet. Die Basis ist das Fundament der Grundlage: Mein Volontariat in einem großen deutschen Publikumsverlag hat mir ein solides Repertoire an rhetorischen Flachköppern vermittelt. Bloß keine Bandwurmsätze, schrieb man damals mit ehernem Griffel ins Stammbuch angehender Vielschreiber, und was das Adjektiv betrifft: streich es. Aber zügelloses Herummetaphern, das war erlaubt, vergleichen durften wir bis der Thesaurus platzt. (Für uns Nichtcomputerisierte gab es damals noch "Sag es treffender" von einem gewissen A. M. Textor; meine Auflage des Buchs von 1962 weist die merkwürdigsten Wörter auf... aber davon ein andermal.) Auswendig zitiert wurde Peter Scholl-Latour mit der geflügelten Wendung, die ihn längst unsterblich gemacht hat: "Kabinda, so sagt man in Luanda, ist das Katanga Angolas."

Angesichts deutscher Geschichtsklitterung gerieten Vergleiche zunehmend in Misskredit. Der Grund: sie sind so populär wie Degussa, die Mit-Schöpferin einer bunt-sterilen Plastikwelt. Und die soll eine schmutzabweisende chemische Hülle, das Präservativ über die Endlich-ist-das-mal-erledigt-Stelen eines Mir-doch-sowieso-völlig-wurscht-Denkmals in Berlin hauchen? Und dann die Fernsehdiskussionen darüber: dieses Bedürfnis nach sakraler, dem Erdenrest alles Historischen entkleideter Reinheit, diese Gutmenschen-Allergie gegen widerliche und wirklich empörende Schmuddelgraffiti, das ersehnte versöhnende Einverständnis mit Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, dieser konstruierte Schwindelwahn, es gebe hier oder irgendwo sonst auf der Welt saubere, unverdächtige Chemiekonzerne, die ganz und gar unschuldig sind an der allgemeinen Be- und Vergasung ihrer Mitmenschen. Darf man deshalb alles das mit Zyklon B vergleichen, gleichstellen, ruhigstellen, entsorgen? Lässt nicht die Angst, Schlimmstes könne sich im Namen des Immergleichen wiederholen, vor dem Ver-Gleichen zurückscheuen? Stumpfsinn und Grausamkeit als menschliches Erbteil lassen wenig hoffen. Denn immer wieder geschieht und wird geschehen, was einmal verübt worden ist. Nur eines will sich partout nicht wiederholen (weil es ein Gleichnis ist?): Das - ist das Wunder der unbefleckten Empfängnis. (Zwar gab's im Altertum jede Menge davon, aber seit Weihnachten traut sich keine mehr, dem Erzengel Gabriel die Vaterschaftsklage anzuhängen.)

Hugo von Hofmannsthal meint, alle Poesie sei "durch und durch ein Gebilde aus uneigentlichen Ausdrücken"; das ließe sich auch auf Politik übertragen. Um diesen Sumpf auszutrocknen, wird noch mancher Tropfen den Bach runtergehen, statt das Pulverfass zum Überlaufen zu bringen. Vielleicht hat auch CDU-Hohmann, dieser wahlprognosenfeste Erzcharmeur mit dem gestärkten Nylonhemd, Wahlschwiegersohn mancher fuldaischen Bauernwittib, seine Revolutionstheologie vom 3. Oktober auch nur metaphorisch gemeint? Ein "Tätervolk" seien die Juden ebenso wie "die" Deutschen, die das auch nicht länger sein wollten, obwohl doch auch sie das eine oder andere Revolutiönchen angezettelt haben. "Er habe niemanden verletzen wollen", hat er im TV zugegeben, hat er! aber eine Entschuldigung sei das nicht, neenee, "sondern ein Statement". Nun ist er zur Strafe fraktionslos und darf als Sündenbock den politischen rechten Rand abgrasen. Nur bitte nicht das Gras abknabbern, das über dem Antisemitismus wächst... Und überhaupt: Freimaurer, Syndikalisten, Jesuiten und Hinterbänkler sind auch nicht weit, wenn das Abendland bedroht ist. Letztlich stecken aber die verflixten Deutschen hinter allem. Ist wohl noch niemandem aufgefallen? Schließlich sind Deutsche (und nur sie!) für einige der schlimmsten Erfindungen des zwanzigsten Jahrhunderts mitverantwortlich. Denk doch mal nach: Möllemann, Biermann, Hohmann, Friedman, Martin Walser, Eckard Henscheid, und nicht zu vergessen dieser einstige SPD-Bürgermeister von Korschenbroich: Was, frage ich, haben sie alle gemeinsam, tertium comparationis, kleinster gemeinsamer Nenner? Na bitte: Alles Deutsche! Immer wieder die! Wusst' ich's doch, dass die dahinterstecken! Wir sind umzingelt von Deutschen, und zwar Erz-Deutschen, mit Pass und allem, obendrein mit deutschem Namen und Deutschtumsnachweis bis ins dritte Glied zurück, mancher von ihnen mit dem deutschen Verdienstkreuz versehen... Könnte das nicht tief im Innersten der harte Kern einer Ausschlag gebenden Ursache des Nährbodens der Keimzelle dieser riesengroßen Verschwörung sein???

Nikolaus Gatter
go! www.lesefrucht.de


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