"Is The Actor Happy?" - so lautete die rhetorische Frage auf dem Cover eines früheren Albums des 39-jährigen Songschreibers aus Athens im US-Bundesstaat Georgia und die (negative) Antwort folgte auf dem Fuße: In Songs wie "Gravity Of The Situation" und "Guilty By Association" schüttete Chesnutt seinen ganzen Weltschmerz aus, auch die Verzweiflung über sein privates Schicksal, das ihn nach einem schweren Autounfall bereits mit 18 Jahren an den Rollstuhl fesselte. Vic Chesnutts Songs, das waren bei aller Zweideutigkeit und auch bei allem hintergründigen Humor zwischen den Zeilen in erster Linie schwermütige, melancholische Beobachtungen eines Außenseiters, musikalische Zartbitterschokolade gewissermaßen.
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Vic Chesnutt:
mit Widespread Panic:
mit Madonna, R.E.M, Soul Asylum,
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Von Carsten Beyer
Um so mehr überrascht die persönliche Begegnung: Es ist nicht nur die lustige rote Sonnenbrille über seinen Augen oder das freundliche Grinsen in seinem Gesicht, mit jeder Faser seines Körpers vermittelt Vic Chesnutt eine angenehme Aura der Ruhe und Ausgeglichenheit. Eine Empfindung, die sich auch beim Hören weiter Teile seines neuen Albums "Silver Lake" einstellt, das im Frühjahr erschienen ist. "Ich weiß, das viele Leute Silver Lake' als mein zugänglichstes Album seit Jahren bezeichnet haben, aber darüber habe ich bei den Aufnahmen eigentlich nicht nachgedacht. Bei der Auswahl der Songs, da habe ich allerdings schon darauf geachtet, Titel auszuwählen, die den glücklichen Teil meiner Psyche repräsentieren. Dazu hatten mir viele Freunde geraten und auch meine Frau wollte, dass ich mal diese Seite meiner Persönlichkeit stärker in den Vordergrund stelle."
Überhaupt wirkt der Mann an diesem Nachmittag, kurz vor seinem einzigen Deutschland-Auftritt im Rahmen der Silver-Lake-Tour ausgesprochen mit sich und der Welt zufrieden. Anstelle des früher unvermeidlichen Whisky trinkt Chesnutt schwarzen Kaffee, er scherzt mit befreundeten Musikern und lässt sich auch durch Fragen nach dem Unfall nicht aus der Ruhe bringen, der sein Leben vor mittlerweile 20 Jahren radikal verändern sollte. "Ich habe gelernt, den Rollstuhl als Teil von mir zu akzeptieren. Er bestimmt nun mal die Art und Weise, wie Leute auf mich reagieren und wie ich auf sie reagiere. Nimm zum Beispiel Dolly Parton: Sie hat große Titten, die hatte sie schon immer und das beeinflusst die Art, wie sie von anderen Menschen gesehen und behandelt wird, völlig unabhängig von dem, was sie eigentlich tut, wie gut oder wie schlecht ihre Platten sind.
Auf dem Cover von "Silver Lake" ist der Rollstuhl nur ganz im Bildhintergrund zu sehen, wie eine Art Symbol, während sich im Bildvordergrund ein lächelnder Vic Chesnutt auf einer Wiese räkelt. Eingespielt wurde das Album, Chesnutts mittlerweile neuntes Solowerk, im "Paramour", einem alten Herrenhaus in den Bergen oberhalb von Los Angeles, unter der Leitung von Produzent Mark Howard, der gerade zuvor das neue Lucinda-Williams-Album betreut hatte. Chesnutt wählte aus einem Fundus von 150 neuen Songs seine elf Favoriten aus und machte sich an die Arbeit: Fast alle Songs wurde in einem Take eingespielt, ohne Overdubs und nachträgliche Änderungen. Geholfen hat ihm dabei eine exzellente Crew von Studiomusikern, unter ihnen Gitarrist Doug Pettibone, Bassist Daryl Johnson von den Neville Brothers und Schlagzeuger Don Heffington, geadelt durch seine Teilnahme an mehreren Dylan-Tourneen.
Nach den ersten Aufwärm-Sessions war Chesnutt klar, dass er seine ursprünglichen musikalischen Pläne doch noch einmal ändern würde "T-Bone Burnett hatte sich angeboten mit mir ein Album zu machen ganz in der Art von Van Dyke Parks, mit einem Orchester und so. Doch dann hatte ich plötzlich doch mehr Lust auf Folkrock, denn es machte einfach Riesenspaß, mit diesen kalifornischen Musikern zu arbeiten."
Mit "Americana" oder "alt.country", mittlerweile zu Modewörtern gewordenen Begriffen, mit denen Musikverkäufer und Musikjournalisten seinen Stil gerne belegen, kann Chesnutt wenig anfangen "Wenn schon ein Etikett, dann gefällt mir am besten immer noch Singer/Songwriter' oder Folkrock' - so wie bei Bob Dylan und bei den Byrds."
Textlich unterscheidet Chesnutt seine Songs in "Slogans, Gedichte und Short Storys. Diese Kurzgeschichten sind nicht autobiografisch, sondern es sind richtige kleine Geschichten, die ich mir ausgedacht habe, mit einem Anfang, einem Mittelteil und einem Ende. Die poetischen Texte, die ich geschrieben habe, die haben so etwas nicht, da geht es mehr um emotionale oder um intellektuelle Impressionen, um Ausflüge in mein Innerstes. Als drittes Element wollte ich dann noch diese sehr einfachen, leicht zu verstehenden Songs auf dem Album haben - Slogan songs', wie ich sie genannt habe - Stücke, die nur ein einzelnes Thema haben, keine Story oder so etwas."
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