backDie Wüste lebt

Szenen einer ehemals geteilten Stadt

Lokale Größen in Berlin

Kontakte/Infos:

TFF Rudolstadt, 4.-6. Juli 2003, go! www.tff-rudolstadt.de

Hackesches Hof-Theater, Rosenthaler Str. 40-41, Mitte, Tel: 030-2 83 25 87, go! www.hackesches-hoftheater.de

LabSaal, Alt-Lübars 8, Reinickendorf, Tel: 030-41 10 75 75, go! www.labsaal.de

Iris Weiss, „Jewish Disneyland“, go! www.hagalil.com/golem/diaspora/disneyland-d.htm

Slumberland, Winterfeldplatz, Goltzstraße 24, Schöneberg, Tel: 030- 2 16 53 49

Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten, Tel: 030-39 78 71 75, go! www.hkw.de

Jean-Paul Bourelly Jean-Paul Bourelly, go! www.bourelly.com

Abdourahmane Diop, United-One-Records, go! www.united-one.de

Mahmoud FadlMahmoud Fadl, Piranha Kultur & Medien, go! www.piranha.de

Seeed, go! www.seeed.de

YAAM, Eichenstr. 4, Treptow, Tel. 030-61 51 35 45, go! www.yaam.de

 Danny Diuzk Danny Diuzk, Dziuks Küche, go! www.dziuks-kueche.de

„Songwriters in the Round“ im Rickenbacker's Music, Inn, Bundesallee 194, Berlin-Wilmersdorf, Tel. 030-85 72 67 80, go! www.tomcunningham.de

„Singercircle“ im SODA, Knaackstr. 97, Prenzlauer Berg, Tel. 030-44 04 38 27/44 05 87, go! www.dirk-michaelis.de

„Songreiter“ im BKA, Mehringdamm 32-34, Kreuzberg, Tel. 030-2 02 20 07

IG Blech, go! www.ig-blech.de

The Transsylvanians, go! www.transsylvanians.de

Norland Wind, go! www.norlandwind.de

Cathrin Pfeifer: go! www.cathrin-pfeifer.de

Stephan Gatti und Colinda, go! www.colinda.de

Hans-Eckardt Wenzel, go! www.sansibarkult.de

Berliner Szene

IG Blech: Berliner Mit-Erfinder des abenteuerlich spaßguerillerischen Roots- und Ethno-Crossover, und der stilistisch verwandten Bolschewistischen Kurkapelle schwarz-rot seit Kodderschnauze Kuttner nicht mehr mit ihr auftritt logischerweise auch an Kabarettpotenzial nicht mehr unterlegen

The Transsylvanians: Ostfolklore-Protagonisten mit Pogo-Affinität, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, mit „Speedfolk“, der seine Wurzeln in Transsylvanien, also vormals Ungarn, heute Rumänien hat, vor allem live abzuräumen!

Norland Wind: Clique Berliner „Kelten“ um Thomas Loefke und Kerstin Blodig, der mit Ian Melrose auch ein Original-Schotte angehört, der mit Clannad die Musik seiner Heimat der ganzen Welt beibringen darf.

Cathrin Pfeifer: die Akkordeonistin ist die Virtuosin unter den Berliner Folk/World/Fusion-Musikantinnen. Aufnahmen von E-Musik bis Pop, mit allem was Rang und Namen hat in Berlin und darüber hinaus.

Stephan Gatti: Der Cajun-Apostel unter der Berliner Mitternachtssonne hat im Quartett Colinda endlich ein Ensemble gefunden, das auf Dauer angelegt sein könnte.

Hans-Eckardt Wenzel: Legendärer Ex-Clown und Liedermacher, zuletzt mit dem Guthrie-Projekt „Ticky Tock“ (s. Folker! 01/03)

Und viele andere mehr ...

Die Steilvorlage kam vom „Tanz&Folkfest Rudolstadt“: Im Rahmen der neuen Reihe „Focus regional“ rückte das dreitägige Festival in diesem Jahr Berlin ins Programm – der unter Berliner Musikern naturgemäß für Reaktionen quer durchs Spektrum sorgte. Kein Zweifel kann seit ihrer Gründung im Frühjahr 1995 an der Omnipräsenz der 17 Hippies im Musikleben der Stadt bestehen (s. Folker! 03/03). Der überwiegende Rest des nostalgie-seligen Focus-Line-Ups jedoch rief vor allem immer wieder eine Reaktion hervor: Nie gehört! Notizen zu einer repräsentativen „Szene Berlin“ im Bereich „German Ethno Roots Fusion Dance & Music“ – über die sich das Rudolstädter Festival definiert.

Von Christian Beck*

Die Zeiten homogener Szenen sind vorbei. Auch im Musikleben einer 4-Millionen-Stadt wie Berlin, versteht sich, in den Zeiten der Post-Post-Post-Postmoderne, in denen bekanntlich alles und noch viel mehr geht, sowieso! Nicht einmal Techno und House dominieren, seit sich selbst die „Love Parade“ wieder gesund schrumpft, mehr die Außenwirkung der Stadt; dass sich das Konzertleben einer ganzen Generation – von Hallen füllenden internationalen Superstars abgesehen – in einem einzigen Club abspielen kann, wie zu Folk/Liedermacher-Zeiten im Steve Club oder später dem Go-In, ist nachgerade undenkbar geworden. Nur die Jazzer halten in der ihnen eigenen besonderen Traditionsverhaftung mit Zapfhahnerdung noch an Lokalitäten fest, in denen sie ihren Vorlieben am besten jahrzehntelang frönen: Quasimodo, A-Trane, Badenscher Hof sind im Westen die alteingesessenen Treffpunkte, dazu im hippen Mitte das b-flat für die jüngeren Generationen – klare Anlaufstellen für klare Bedürfnisse.

„Jewish Disneyland“

Nur die boomende Klezmer-Szene hat nach der Wende in Berlin-Mitte eine vergleichbare Fokussierung und Stärke zustande gebracht. Zwischen Oranienburger Straße und Hackescher Markt massieren sich die historischen Städten jiddischen Lebens in Berlin, im Hackeschen Hof-Theater (und seinem Ableger, dem LabSaal) laufen die Fäden zusammen: Karsten Troyke oder Mark Aizikovitch haben hier eine feste musikalische Heimat gefunden, aber auch Kasbek, vor über 30 Jahren die Vorreiter der neuen Hinwendung zum osteuropäisch-jiddischen Liedgut, Di grine Kuzine, auch Rudolstadt-Focus-Künstlerin Jalda Rebling und viele andere Klezmer-Ensembles mehr finden regelmäßig ihren Weg in den Club in der Touristenfalle Hackesche Höfe. Der Wermutstropfen im Treiben der lebendigen Szene ist, was die Publizistin Iris Weiss „Die Aneignung und Enteignung des Jüdischen“ nennt: Zu einem „Jewish Disneyland“ werde die Gegend um die Synagoge zunehmend gemacht, häufig initiiert von Nicht-Juden. Dort könne man bei genauem Hinsehen in Restaurants mit Davidstern, siebenarmigen Leuchtern und Schweinefleischgerichten mit Sahnesauce entdecken – gegen jegliche Vorschrift, versteht sich, alles andere als authentisch, für Weiss' Geschmack gar verwerflich.

„Meat Market“

Ein ganz anderes Problem als die „Disneylandisierung“ des Jüdischen hat die afrikanische Musik, mit deren Entdeckung durch den Jazz die Weltmusik einst ihren Anfang nahm, örtlich in arge Bedrängnis gebracht: Keine zentrale Heimstatt mehr in Berlin – nicht zuletzt wohl aus dem Grund, den ein führender Haus-der-Kulturen-der-Welt-Mitarbeiter im Gespräch mit dem Autor dieser Zeilen einst mit dem Ausdruck „Meat Market“ belegte. Mit dem Café Global im Cafeteria-Bereich hatte das Haus der Kulturen vor allem der afrikanisch-arabischen Szene einst einen festen Anlaufpunkt geboten, den es schließlich aufgeben musste, als gewisse musikfernere Nebenaspekte der Konzertveranstaltungen überhand zu nehmen gedroht hätten. In einem selten bewussten und gekonnten konzeptuellen Schritt verlagerte man die Weltmusik-Aktivitäten des Hauses damals auf eine andere Ebene, die Veranstaltungsreihe „The Back Room“.

Lokal-internationale Begegnungen

Ein beispielhaft gelungener Schritt auf musikalischer Ebene, entpuppt sich die Reihe doch längst als eines der künstlerisch ertragreichsten „Labore“ im gesamten Konzertkalender der Stadt, wenn nicht das ertragreichste überhaupt: Berliner Musiker aller Reifegrade mit internationalen Könnern zusammenzubringen, ist die Grundidee des künstlerischen Leiters der Reihe, Jean-Paul Bourelly, simpler geht's nicht – und idiotensicher ist es dazu! Musiker wie Doudou N'Diaye Rose, Kip Hanrahan, Hassan Hakmoun, David Murray, Jamaladeen Tacuma, Dhafer Youssef, Will Calhoun oder Defunkt trafen bei den bisher zehn Durchläufen in zwei- bis dreitägigen Probephasen auf Berliner Kollegen wie den Jazz-Saxofonisten Ernst-Ludwig „Luten“ Petrowsky, den Elektroniker Jayrope oder den Bassisten B.B. Hammond. Die Ergebnisse der gemeinsamen Sessions, die der Öffentlichkeit schließlich in je zwei Konzerten präsentiert werden, sind nie vorhersehbar, zumeist aber ebenso aufregend wie mitreißend. Und der Nährwert für die beteiligten Berliner ist zumindest potenziell unbezahlbar: Nicht nur erweitern sie per definitionem allesamt ihren musikalischen Horizont – sie bekommen in aller Regel auch gleich noch den Griff einer oder mehrerer Türen zu internationalen Folgeprojekten in die Hand.


* Folker!-Autor Christian Beck beobachtet die Berliner Szene seit 1981, seit 1988 als Redakteur und Autor für Zitty, Radio 4 U, Berliner Morgenpost, Tagesspiegel, Ticket, taz und viele andere mehr auch beruflich.


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im Folker! 4/2003