Von Andel Bollé
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In den letzten Jahren hat die galizische Folkmusik einen bemerkenswerten Aufschwung genommen, der auch außerhalb Spaniens zunehmend wahrgenommen wird. Bei mir selbst ist sie dabei, sich einen fast gleichwertigen Platz neben der Bretagne zu erobern. Das hat mich, neben meinem beruflichen Interesse als Kunsthistoriker, veranlasst, Santiago de Compostela, dem historisch-kulturellen Zentrum dieser Gegend, Anfang April einen Besuch abzustatten. Dorthin zu pilgern ist nämlich schon spätestens seit dem frühen 12. Jahrhundert und bis heute aus Gründen üblich, die mit Musik nichts zu tun haben, befindet sich doch in der dortigen Kathedrale die neben Jerusalem und Rom bedeutendste christliche Wallfahrtsstätte, das angebliche Grab des heiligen Jakobus. Der ursprüngliche Grund für dessen Bedeutung ist die Tatsache, dass im Mittelalter Spanien, außer dem Norden, zum maurischen Reich gehörte. Ein reger Wallfahrtsverkehr im Zeichen der Jakobsmuschel festigte das Bewusstsein über diese Glaubensgrenze und besaß insofern auch eine politische Dimension, die über interne kirchliche Belange hinausging. Kulturhistorisch bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die sich wie ein Spinnennetz über Europa ziehenden Pilgerstraßen nach Santiago, die sich hinter den Pyrenäen zum Königsweg (im Spanischen kurz Camino genannt) bündeln. Entlang dieser Jakobswege entstand eine Kultgeographie, die seit der Spätantike erstmals wieder einen übergreifenden, europäischen Charakter entwickelte und einen wesentlichen Bestandteil der romanischen Epoche ausmacht.
Um diese interkulturellen Bezüge zu erforschen, gibt es schon länger einen bedeutenden interdisziplinären Forschungsbereich, in dem allerdings die Musik, soweit ich sehe, nur eine untergeordnete Rolle spielt und wenn, dann als Sakralmusik. Gleichwohl findet sich am alten, hinter der barocken Fassade befindlichen Westportal der Kathedrale von Santiago eine der ältesten Darstellungen einer Drehleier (das Portal laut Inschrift 1188 vollendet). Präziser gesagt handelt es sich um ein Organistrum, das von zwei Spielern bedient wurde (der Schüler drehte, der Meister spielte). Dass sich diese Darstellung des Instruments im Giebelfeld des Hauptportals und direkt über der zentralen Christusfigur befindet und es von zwei der 24 Kirchenältesten gespielt wird, verweist darauf, dass im Hochmittelalter die Drehleier (ebenso wie der Dudelsack) noch nicht jene negative Charakterisierung als Bettler- und Blindeninstrumente besaßen wie ab der Renaissance, was etwas mit ihrer Nichteignung für die dann aufkommende Mehrstimmigkeit in der höfischen Musik zu tun hat.
Was heute als kulturelle Randlage erscheint, hat also eine doch gänzlich andere historische Dimension. Die Galizier verstehen sich wie die benachbarten Asturier als Kelten. Das und die Randlage haben sie mit den Bretonen, Iren und Schotten gemein, und dass die Folkmusik Nordwestspaniens instrumental und akustisch zur keltischen Musik zählt, wird schon beim ersten Hören einsichtig.
Die galizische Folkmusik hat den Weg zur Keltengemeinde auch über diesen Umweg gefunden. Wenn ich mich recht erinnere, war es die Gruppe Milladoiro, benannt nach einem Vorort Santiagos, die vor gut 20 Jahren auf dem Festival im bretonischen Lorient auftauchte, jedenfalls lange bevor auch in St. Chartier Galizisches zu hören war und der Gaita-Spieler Carlos Núñez zur Kultfigur avancierte. Bei vielen galizischen Musikern gehört Inselkeltisches zum Repertoire, und man findet immer wieder auch bretonische Mitspieler auf den Alben.
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