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Auswahl:
Anu dà vultà (Ricordu, 1980) |
Buchtipp:
Bernadini, Ghjuvan Francescu: Note,
Vertrieb der korsisch/französischen bzw. |
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An ihrem welt(musik)offenen Konzept scheiden sich die Geister: Von puristischen Kritikern wegen vermeintlich allzu großer Popnähe inzwischen mit Liebesentzug bedacht, erfreut sich die mit Abstand populärste und (kommerziell) erfolgreichste Gruppe Korsikas gleichwohl auch international wachsender Beliebtheit. Fest steht: I Muvrini machten den oft sperrigen, disharmonisch anmutenden mehrstimmigen Gesang ihrer Heimat auch für Nichtkorsen goutierbar, weckten maßgeblich das Interesse an der verkannten, von Frankreich geächteten (Musik)Kultur und Sprache der kleinen Mittelmeerinsel.
Von Roland Schmitt
Wie viele andere Vokal- und Musikensembles formierten sich I Muvrini (zu dt.: die Mufflons) im Rahmen der Regionalismusbewegung Mitte der 1970er Jahre. Kern der Gruppe ist bis heute das Brüderpaar Alain und Jean-François (alias Ghjuvan Francescu) Bernadini, das einer sangesfreudigen Familie aus der Casinca (einem mit Oliven- und Edelkastanien bedeckten Hügelland im Nordosten Korsikas) entstammt. Der Großvater, der in Tagliu-Isulaccia als Schreiner lebte, hatte seine Kenntnisse und seine Lieder an den Sohn, Ghjuliu Bernadini, weitergegeben, der seinerseits die Söhne die komplexe Technik der korsischen Vokalkunst lehrte. Als wir damals anfingen, Polyphonien zu singen, kamen vielleicht 30 Leute zu einem Abend. Ich wagte es nicht, meinen Schulkameraden davon zu erzählen, weil ich mich schämte. Die Korsen hörten damals die Musik der Touristen, z.B. Tino Rossi. Unsere Lieder waren dagegen als Gesang von Bauerntölpeln verpönt.
Nach anfänglicher Zusammenarbeit mit Canta u Populu Corsu, der dienstältesten korsischen Gruppe, veröffentlichten die Brüder Bernadini 1976 eine erste Single, die sie mit ihrem Vater aufgenommen hatten. Der verstarb wenige Monate später. Ihm widmeten sie ihre erste Langspielplatte, ...ti ringrazianu, die auch ihr persönliches Abschiedslied Addiu a Ghjuliu enthält. Sie erschien 1979 auf dem einheimischen Kleinlabel Ricordu, wie auch die sechs Folgealben. Diese frühen Aufnahmen sind, wie auch bei den anderen korsischen Revival-Bands, eher akustisch ausgerichtet. Im Vordergrund steht die Pflege der überlieferten polyphonen Gesänge.
Jean-François Bernadini im
Gespräch
Frage: Ihr tretet seit rund zehn Jahren
regelmäßig in Deutschland auf;
Antwort: Wie viele Leute in unsere Konzerte
kommen, spielt für die
Frage: Manche Musikkritiker tun sich
auch hierzulande -
Antwort: Wir haben überhaupt nicht den
Anspruch, rein traditionelle
Frage: Und wie reagieren die Landsleute
und vor allem die
Antwort: Unser Verhältnis ist von
gegenseitigem Respekt geprägt. |
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre kam es im Gefolge des Weltmusikbooms zu beachtlichen Veränderungen in der noch überschaubaren korsischen Musikszene. Gerade I Muvrini wandten sich nun ganz konsequent dem Worldmusic-Crossover zu. Mit ihrem Album A l'encre rouge (1986) betraten sie Neuland, denn erstmals setzten sie auch elektrische bzw. elektrisch-verstärkte Instrumente ein wie Keyboards. Auf ihrer Insel hatten I Muvrini derweil längst den Nimbus von Stars erreicht. Dank ihrer patriotisch-freiheitsliebenden Gesinnung, die auch in eigenen Liedern zum Ausdruck kam (u.a. Demucrazia, Cresce la voce), gewannen sie bei ihren korsischen Landsleuten größtes Ansehen. I Muvrini gründeten Gesangsschulen für Kinder, in denen seither die korsische Vokaltradition gepflegt wird. Aus diesem Engagement resultierten zunächst zwei Alben mit Kinderliedern.
Unterdessen war man auch auf dem französischen Festland und im ganzen Mittelmeerraum hellhörig geworden. Ein Auftritt beim renommierten Festival Printemps de Bourges 1985 hatte I Muvrini weitere Türen zum Ruhm aufgestoßen. Es folgten Konzertreisen nach Spanien, in die Bretagne und andere Regionen Frankreichs. Eine eigene Produktionsfirma, AGFB, hatte die Gruppe inzwischen auch ins Leben gerufen, für die zwei hochgelobte Studioalben und ein erstes Live-Album eingespielt wurden.
1991 unterschrieben I Muvrini einen Plattenvertrag mit Island, doch endete diese Zusammenarbeit bereits nach einem Album (A voce rivolta). Aus dem ehemaligen Vokalduo, das über viele Jahre mit wechselnden Gastsängern und Sessionmusikern agiert hatte, war durch den großen nationalen Erfolg derweil eine Gruppe mit fünf festen Sängern und etlichen Begleitmusikern (u. a. Akkordeonist Régis Gisavo, Gitarrist und Ceteraspieler Jean Bernard Rongiconi, Drehleier-As Gilles Chabenat, Bruno Lerouzic am Dudelsack) erwachsen. Die Konzertnachfrage wuchs, analog zur Größe der Hallen. Im April 1992 begeisterten I Muvrini erstmals 15 Abende lang das Publikum im bekannten Zénith in Paris. In jener Zeit entschieden sie sich auch für einen neuen Plattendeal mit dem Major-Label Columbia, das ihre AGFB-Alben fortan in sein Programm übernahm.
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