backHecht im Karpfenteich

Piranha„Swimming among Sharks since 1987“

Piranha schnappt den Großen immer wieder einen Treffer vor der Nase weg

Christoph BorkowskyEs ist wie bei den Tierchen, die der Firma den Namen gaben, mit Piranha: Die Faszination ist manch einem eine definitv gebrochene! Sogar regelrechte Angst vorm unnahbaren Obermufti Christoph Borkowsky soll schon vorgekommen sein. Jedenfalls aber beschleicht einen doch immer mal wieder der Eindruck, dass man nix Genaues überhaupt nicht weiß über sein Unternehmen – weder über die Menschen im Hintergrund noch über die Firmenpolitik, noch über Erfolg oder Misserfolg des zähnefletschenden Kleinräubers im Haifischbecken Weltmusik.

Von Christian Beck

Infos zu Programm und Belegschaft / Bestellungen / Newsletter / Messe-Akkreditierungen: go! www.piranha.de
Der Piranha-Katalog umfasst folgende Künstlerinnen:
Anastácia Azevedo / Eddie Bobè / Bonga / Brasil Allstars / Carte de Séjour / Cascabulho / Cello Trio / Stella Chiweshe / Ethio Stars & Tukul Band / Mahmoud Fadl / Fanfare Ciocarlia / Ghorwane / Jalilah / Os Jovens do Prenda / Klezmatics / Boris Kovac / Ali Hassan Kuban / Frank London / Boban Markovic / Molluccan Moods Orchestra / Oliver Mtukutzi / Fermin Muguruza / Virginia Mukwesha / Mzwakhe / Nasida Ria / Orchestra Marrabenta Star de Moçambique / Oswaldinho do Acordeon / Nikos Papazoglou/ Olavo Alen Rodriguez / Sabah Habas Mustapha / Sabri Brothers / Salamat / Daniele Sepe / Simentera / Sin Palabras / Gino Sitson / Wazimbo / Ruth Yaakov / Le Zagazougou / Emil Zrihan

Die Rätselhaftigkeit, welche die Firma umgibt, ist den beiden maßgeblichen Piranha-Compagnons aber ganz recht, die da wären: Brigitte Bieg, zuständig für Controlling und Bodenhaftung, und besagter Borkowsky, genannt „Akbar“, der Große, der sich traditionsgemäß vor allem um die Inhalte der Firmenaktivitäten kümmert und dabei schon qua eigenem Spaßguerilla-, um nicht zu sagen Hallodri- oder gar Windhund-Persönlichkeitsprofil mehr als gewillt ist, auch immer mal wieder in möglichst dünne Luft vorzustoßen. Borkowskys heiligstes Selbstdarstellungs-Motto, wie er da sitzt in seinem wohnlich-gemütlichen Altbau-Büro im luxuriösen Berliner Charlottenburg: Was er nicht weiß, der Medienmitarbeiter und Endverbraucher, macht ihn nicht heiß. Und so kommt er vielleicht auch nicht auf jeden unerwünschten dummen Gedanken – weder vor Lachen noch vor Weinen, weder vor Zorn noch Verzweiflung noch Verwunderung noch Häme.

Duales System

Dabei ist doch alles ganz einfach im Piranha-Kosmos, haben Bieg und Borkowsky ihre Herrschaft über elf feste Mitarbeiter (Borkowsky: „Ich hab' sicher wieder einen vergessen …“), drei Firmenbereiche (Kultur/Events, Label/Verlag, Multimedia/Internet), 41 Labelacts (mindestens), zahlreiche Veranstaltungsprofile, eine Expo (WOMEX) und so weiter auf ein Zwei-Säulen-Fundament wie aus dem Bilderbuch gebaut: Nüchternheit und Flausen, Privates und Politisches, Frau und Mann. In einer West-Berliner Wohngemeinschaft in den Siebzigern ineinander gelaufen, waren die beiden in Biegs Nachtclubs, Bars und Kneipen über verschiedene Konzertveranstaltungen ins Geschäft gekommen, meist politischen Inhalts: Ethnologe Borkowsky hatte Afghanistan-Benefize veranstaltet, „SOS Racisme“-Agitation für die Gewerkschaft, schließlich Dub-Poetry- und Reggae-Abende und erste „Weltmusik“-Tourneen, etwa mit 3Mustapha3 bis hinüber nach Ost-Berlin.

Bis kam, was kommen musste: Äußere (Steuer!) wie innere Zwänge verlangten immer dringender nach effektiven Strukturen, das Ergebnis war die Gründung von Piranha The TranssylvaniansKultur & Medien, seinerzeit noch mit den längst ausgeschiedenen Teilhabern Florian Hetze (damals taz-Journalist, später Plattenhändler, heute Inhaber von Shava Musik Produktion & Verlag), Pit Reich (erst Slumberland-Kneipier, später Gatte Stella Chiweshes, heute noch immer beides) und einer heutzutage diskret ungenannten FU-Professorin mit einem ausgeprägten Interesse, so sagt die Legende, für die Karibik und deren Männerwelt. Erstes Piranha-Konzert: „Funky Chicken“ Rufus Thomas im Berliner Metropol (Borkowsky: „Wären genug Leute gekommen, wären wir heute vielleicht ein Soul-Label …“). Erste Platten-Veröffentlichung: „Beat Apartheid“, bei der sie die Pausen zwischen den Stücken vergaßen, was vor allem für Radio-DJs eine Katastrophe war und die Platte erledigte, bevor sie abgehen konnte. Erste Piranha-Vertragskünstlerin: Zimbabwes Mbira-Königin Stella Chiweshe.


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im Folker! 6/2002