backFerner liefen...

Vermögensminderungsabgabe, Nikotinbildungsgroschen, Ökohaushaltsausgleichssteuer, Ende des Ehegatten-Splitting: das sind alles peanuts. Nicht der Koalitionspartner hat die Liste der Grausamkeiten eröffnet. Die Schreckensnachricht kam vielmehr schon 14 Tage vor dem Wahltag. Wo? Ganz hinten versteckt in der F.A.Z. - Wer liest schon die F.A.Z., und dann auch noch den Wirtschaftsteil? Dabei gibt es doch Broschüren: So liest man den Wirtschaftsteil der F.A.Z., und wir tun es. Haben sogar schon ein bisschen Übung. Seit wir von der Schadenfreude-Sonderausschüttung, dem steuerfreien Bonus für Nichtaktionäre profitiert haben (weil wir schon vor Jahren keine Rücklagen hatten, um sie über Nacht in fette Brokergebühren und umweltfreundliche, weil voll recyclefähige Telekom-Papiere zu verwandeln), schmökern wir gern in den New-Economy-Nachrichten, wo sich Bulle und Bär tummeln, wo der Dax dem Eichel gute Nacht sagt und der Hundt seine arbeitnehmerfeindlichen Sprüche knurrt.

Und nun die Meldung: Schluss mit lustig! Anlass war eine unscheinbare Hausmitteilung aus den Vorstandsetagen der Deutschen Bank. Auf der höheren und mittleren Management-Ebene werde, hieß es, im Zuge des "zero budgeting"-Programms die Konferenzbewirtung abgeschafft. Kein Kaffee, wahlweise Tee, keine Donuts mehr. Keine gummiartigen, margarinebeschmierten und an den Rändern herablappenden Schinken- und Käsebrötchen mit Salatblatt oder nassen Tomaten- und Gurkenscheiben drauf. Keine Kühlkörbchen mehr mit der klassischen Softdrink-Auswahl, Kronkorkenöffner und einem Büschel Trinkhalme. Beim Endverbraucher im Filialbereich war das längst passé, da gibt's ja auch, wenn überhaupt Filialen, keine Schalterreihen mit sich stapelnden Hochglanzbroschüren mehr, sondern Selbstbedienungs-Terminals, summende Kontoauszugsdrucker oder, wenn's hoch kommt, ein free-flow-Großraumbüro mit unzuständig-abweisend dreinblickenden Bankangestellten. Da also fehlt schon seit längerem die Tass-Kaff-Gefälligkeit für den Sparbuch-Störenfried mit seinen Mickerzinsen, den schwitzenden Kreditnehmer, den Bitt- und Antragsteller, der womöglich außer einem Girokonto auch noch ein Lutschbonbon eröffnet haben will, aber wo kämen wir hin, wollten wir die Erträge unseres 24 Stunden täglich rund um den Globus gejagten Cashflows in Lutschbonbons und ähnlichen Sozialklimbim investieren!

Ab sofort ist auch in der Hochfinanz Schmalhans Küchenmeister bzw. Chairman of the Kitchen Board. Als sie die Kundenberatung einsparten, habe ich geschwiegen, denn ich war ja nicht beratungsbedürftig. Als sie die Geldautomaten einführten, habe ich mein vom vielen Abheben ganz ausgedünntes Plastikkärtchen immer wieder in den Schlitz genötigt, denn ich war ja kein Kassierer. Und jetzt das! Geschieht ihm recht, dem allzeit-einsparbereiten Management, selber auf Sparflamme zu schmoren, oder? (Apropos Geldautomaten, ich liebe sie, besonders in der Weihnachtszeit, wenn sie die begehrten Papierlappen leicht angewärmt ausspucken; überhaupt das ganze Mensch-Maschine-Interface mit bunt illustrierten Dialogen: Geheimzahl eingeben, bei mir ganz leicht zu merken, die Quersumme vom Jahr, als der Andromedanebel entdeckt wurde, plus Che Guevaras Todestag - achten Sie um Himmelswillen darauf, daß Ihnen kein Finsterling mit Baseballschläger über die Schulter guckt - tipp, tipp, tipp / "bitte Geduld" / "bestätigen" / "Abbruch" / "Korrektur" etc. pp. und endlich, seufz, "Ihr Auftrag wird bearbeitet". - Ich warte auf die Münzautomaten, in die man nur noch einen Euro zu werfen braucht, um einen Vielen Dank!-Zettel zurückzukriegen. Wer die aufstellt, dürfte im Handumdrehen Millionen verdienen.)

Zurück zum Thema: Wer öfters Konferenzen beiwohnt - Journalisten und Juroren aufgemerkt - , kennt das Szenario: Da gibt's die Technologiefreaks, die den komplizierten Melk-Mechanismus der Thermoskanne kennen und sich zuerst einschenken, pulvrige Weißmacher draufstreuen (war das Verschwinden der Büchsenmilch ein erstes Warnzeichen, der Schuss vor den Bug?). Oder die ehrenamtlich und/oder freiberuflich Tätigen, die sich als mageren Ersatz für BAT-Gehalt, Sitzungsgeld oder Verdienstausfallzahlung die Schale mit dem Knabberzeugs telemagnetisch quer über die Tafel heranholen und mit Rollgriff zulangen, schlingend wie Hungerstreikbrecher. Ich rede nicht von Hauptabteilungsleitern oder Chefredakteuren, bewahre, die müssen ihre Cholesterindiät einhalten und nähren sich womöglich wochenlang von fettarmem Yoghurt, während sie ihren Laden downsizen und zwei Drittel der Belegschaft feuern. Unter ihren verbitterten Angestellten aber gelten noch kleine, subtile Statusmerkmale, die Hierarchie bei der Selbstbedienung: Macadamia - Cashew - Fischli - Erdnuss; der letzte kriegt nur Salzstangen ab. Bei den Süßen sind am schnellsten die weichen, pralinenähnlichen Kekse mit Füllung weg, die Waffeln erst mit, dann ohne Schokoguss, hinterher müssen Plätzchen mit Marmeladenklecks und schließlich Mehlplätzchen dran glauben. Und bei der Getränke-Menagerie sind die schlanken Cola-light-Pullen rasch geleert. Dem zu spät eingetrudelten Bereichsleiter Süd bleiben noch der zuckrige Orangen-, respektive Apfelsaft. Am Ende stehen meist ein paar stille Sprudelflaschen herum, an die sich keiner 'rantraut, es sei denn, Kollege XY hält einen seiner berüchtigten Vorträge. Was wollen wir trinken, sieben Tage lang? Und Sekt? Kannste ganz vergessen, höchstens einer hat mal Geburtstag und bringt was mit, das muss aber seit dem Feldzug gegen Büroalkoholismus auch schon diskret in der Aktenmappe am Pförtner vorbeigeschmuggelt werden.

Was nun? Soll man wieder Frühstücksmilch, Vesperbrote, Müsliriegel und Henkelmann zur Konferenz mitbringen? Oder, für ganz Hartgekochte, sich vom Pizza-Service ein warmes Tellergericht bringen lassen? Frei nach Wilhelm Busch: "Das Hendl hier ist für den Dicken, der Dünne hat nur Magendrücken"? Zweifellos würde dies ein weites Spielfeld individueller Profilierungschancen eröffnen. Man könnte sein eigenes Christofle-Silberbesteck diskret aus dem Lederetui ziehen, die Damastserviette umbinden und den konkurrierenden Bewerber aus dem Feld schlagen, der z. B. nur ein plastikfarbenes Picknick-Set südostasiatischer Fertigung sein eigen nennt. Aber Spass beiseite: Der Dichter Wystan Hugh Auden hat mal sehr schön reflektiert, wie die Macht schmeckt heutzutage, verglichen mit einst, als feudale Fürsten ihrem Luxus frönten und schwelgerische Orgien feierten - während heute zwischen zwei Konferenzen die Sekretärin ein paar Brötchen schmiert (und die dann bald auch nicht mehr). Was die Machthaber vom gewöhnlichen Pöbel unterscheidet, so Auden weiter, sei minimal, wenn auch im Zeitalter der Angst entscheidend: die Platzreservierung im Bunker, der Freiflug auf die einsame Insel, ein Ruheplatz fernab vom Kriegsschauplatz, wenn die Welt untergeht und wir anderen verderben.

Nikolaus Gatter
go! www.lesefrucht.de


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