Mexikanische Musik besteht nicht nur aus La Bamba, tequilagetränkten Trompetensignalen oder Mariachi-Musik. Musikalische Größen wie Maná, die jüngst ihr erstes Deutschlandkonzert in Berlin gaben, Café Tacuba, Control Machete, Molotov oder El Gran Silencio eroberten die Playlisten europäischer Radiostationen und TV-Musikkanäle mit ganz anderen Klängen. Aber auch diese Bands sind längst nicht alles, was die Palette moderner mexikanischer Klänge zu bieten hat. Vor allem im Underground von Mexiko-Stadt scheint die Ideen-Küche stetig weiter zu köcheln. Ein aktuelles Produkt dieser musikalischen Kochkünste sind derzeit auch Los de Abajo (span. = Die von unten). Sie waren bereits mehrfach in Deutschland zu erleben und zählen zu einer der vielseitigsten Bands Mexikos.
Von Claudia Frenzel
www.losdeabajo.com www.soulfood-booking.de |
Los de Abajo (Luaka Bop/Virgin,
1998) |
Beim 12. Tanz- und Folkfest in Rudolstadt gehörte die zehnköpfige Truppe aus Mexiko-Stadt zweifelsohne zu einem der Highlights. Locker schafften es die Chilangos (Slang-Bezeichnung für die Einwohner von Mexiko-Stadt), spät nachts noch Bewegung in die müden Knochen der Folkies zu bringen. Ihr Cocktail aus Funk, Ska, Punk, Latino-Rhythmen, Salsa und HipHop kam sicher für viele unerwartet, war er doch so gar nicht das, was man unter dem Label Mexiko üblicherweise erwartet hätte. Mexiko ist für viele Europäer nicht nur geographisch, sondern auch musikalisch immer noch weit weg und mit allerlei Klischee behaftet.
Viele Leute haben das Vorurteil, Mexikaner bestehen nur aus Sombreros, Schnurrbärten und trinken jede Menge Tequila. Das ist natürlich ein Teil unserer Kultur, aber nicht der einzige, stellt Canek Cabrera, Rapper und Trompeter der Band, amüsiert fest. Zwar spielen auch Los de Abajo in ihren Titeln immer wieder mit folkloristischen Elementen, aber man wird sie bei dieser Band kaum in Reinform finden. Schon gar nicht werden sie eingesetzt, um Klischees zu bedienen und sich gut zu vermarkten: "Wir sind nicht sehr populär in Mexiko, dort sind eher die kommerziellen Sachen gefragt wie Maná. Wir kommen aus einer alternativen Szene und versuchen nicht, das zu sein, was man als Mainstream bezeichnen würde. Obwohl sie inzwischen auch außerhalb Mexikos auf Tour waren, sind sie daheim, jenseits des mexikanischen Undergrounds, noch unbekannt. In Mexiko haben es massentaugliche Klänge à la Maná, HipHop à la Molotov oder Folklore allemal leichter in Radio und Fernsehen zu gelangen als eine wilde Mischung, die sich in keine Schublade packen lässt. So sind Los de Abajo bisher kaum über den Kult-Status in Underground-Kreisen herausgekommen.
Lange mussten die Musiker daher suchen, ehe sie in Ex-Talking-Head-Chef David Byrne jemanden fanden, der sie international bzw. überhaupt vermarktete. Byrne, der in New York sein eigenes Label Luaka Bop betreibt, war für die Mexikaner ein Glücksgriff. Wir sind sehr froh, ihn getroffen zu haben, erzählen sie. Er veröffentlichte nicht nur ihr Debüt Los de Abajo (1998), sondern nahm sie auch musikalisch unter seine Fittiche. Und das recht erfolgreich, denn ihr aktuelles Album Cybertropic Chilango Power schaffte es nicht nur auf Platz Eins der Worldmusic Charts Europe, sondern wurde auch für den BBC Worldmusic Award nominiert. Selbst in der Zwischenwertung des Preises der deutschen Schallplattenkritik tauchen die Mexikaner auf den vorderen Plätzen auf. Wir sind zwar nicht sehr populär, aber mit unserem neuen Album scheinen wir in Europa doch gut anzukommen, bemerkt Canek nicht ohne Stolz. Inzwischen wurden sie zu Konzerten nach Japan und in die Türkei geholt. Der allgemeine Boom in Sachen lateinamerikanischer Musik hilft letztlich sicher auch Bands wie Los de Abajo. Das ist, neben den vielen schlechten Dingen, eine der guten Auswirkungen der Globalisierung, dass sich Türen öffnen auch für Bands wie uns, selbst wenn wir mit Maná oder Ricky Martin nichts zu tun haben und auch wenn lateinamerikanische Musik eigentlich nicht so neu ist. Ärgerlich ist nur, dass Streitigkeiten im Vertrieb dazu geführt haben, dass die CDs von Los de Abajo ins eigene Land, also nach Mexiko, importiert werden müssen. Das macht sie teurer und ärgert Fans und Band gleichermaßen. Wir hoffen, das ändert sich, aber es liegt nicht in unserer Hand, stellt Canek fest.
LOS DE ABAJO Cybertropic Chilango Power
(Luaka Bop/ Virgin) Während das Debüt der Mexikaner in erster Linie ein Kracher war und mit kräftigem Ska, Salsa und einer swingenden Bläsersektion loslegte, ist sein Nachfolger wesentlich gestylter, experimenteller und auf stimmige Arrangements bedacht. Was nicht heißt, dass er schlechter ist er ist musikalisch vielfälter, reicher. Aufgenommen in Mexiko-Stadt, durchlief das Werk in Spanien die Produzentenmühle von Mastermind Macaco. Bereits der erste Track Que Mala Suerte wirft einen mitten in den mexikanischen Schmelztiegel der Klänge, Kulturen und sozialen Schichten. Das Intro ist eine Stimmungsaufnahme (und solche durchziehen die gesamte Platte) vom Plaza del Zócalo, dem Platz in Mexico-Stadt, von dem immer wieder politische Demonstrationen ausgehen, wo Konzerte stattfinden und wo sich all jene Menschen versammeln, die Arbeit suchen. Ein Platz, an den auch die Band in regelmäßigen Abständen zurückkehrt (wenn auch nicht unbedingt, um Arbeit zu suchen ...). Im Folgenden lösen sich Cumbia, die seit den 30er Jahren auch in Mexiko sehr populär ist, Salsa, Cha Cha Cha (in einer exzellenten Mischung mit groovigen und verspielten Bläsersätzen), Reggae-Klänge, kräftige Ska-Rhythmen, HipHop, Rock und Polka ab. Die Kollegen Sergent Garcia, Manu Chao und Co. lassen grüßen, aber Los de Abajo sind keineswegs ein Abklatsch ihrer Idole. Dass so gut in die Beine gehende Titel wie SR. Judas sich ausgerechnet mit korrupten Politikern befassen, oder der druckvolle Ska-Polka-Punk-Titel Joder mit der Allianz von Politik und Drogenhandel abrechnet, lässt sich erst beim genauen Hinhören (für die des Spanischen mächtigen) oder Lesen des Booklets feststellen. Zu leicht fällt es bei dieser Musik, das Gehirn auszuschalten, denn dieser musikalische Cocktail tut hundertprozentig seine Wirkung. Allerdings lohnt sich ein Blick auf die Texte dieser Truppe in jedem Fall, denn sie sind das, was sich hinter dem Namen der Band verbirgt, nämlich "von unten", und lassen eine bisschen erahnen, was es heißt, ein Chilango zu sein. Claudia Frenzel |
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