back"Über die Mauer"

Deutsch-deutsche Musikkontakte in den 80er Jahren

Das Folker!-Gespräch beim Festival Musik und Politik 2002

"Klopfzeichen, Kunst und Kultur in den 80er Jahren in Deutschland". So heißt ein Projekt, an dem das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig, ein Teil des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, u.a. mit der Bundeszentrale für politische Bildung, arbeitet. Mit dem Projekt soll gezeigt werden, wie Künstler aus Ost und West in diesem Jahrzehnt miteinander in Kontakt standen und was damals, als die Mauer noch stand, auf der künstlerischen Ebene möglich war. Vor diesem Hintergrund diskutierten die TeilnehmerInnen beim Folker!-Gespräch in Berlin auch über die großen Eklats in der Geschichte des deutsch-deutschen Kulturaustauschs. "Wir wollen die magere Kulturlandschaft der Bundesrepublik nicht durch unsere (also DDR-) Künstler aufwerten." Mit diesem Satz begründete der für Wissenschaft und Kultur zuständige ZK-Sekretär Kurt Hager 1980 ein Westreiseverbot für DDR-Künstler. Davon war auch Barbara Thalheim betroffen, die im November des Jahres eine längere Tournee geplant hatte. Zwar durfte sie schließlich doch fahren, allerdings brachte u.a. der Medienrummel um die Tournee ihr den Rausschmiss aus der SED ein.

Barbara Thalheim: Dieser Eklat hat dazu geführt, dass sich die Inhalte meiner Lieder veränderten. Bis dahin hatte ich mich mehr so als poetische Chansonette geriert, und von da ab, also 1980, entstanden auch grundsätzlich andere Lieder. Ich habe angefangen, in Kirchen zu spielen, nicht, weil ich Kirchen so toll fand, sondern weil das eben die Möglichkeit war, weiterhin auf der Bühne zu stehen. Damals hab ich gedacht, mein Leben ist zu Ende. Heute muss ich unheimlich drüber lachen, und die engsten Freunde, die mir in der DDR geblieben sind und die mich auch so nehmen mit meiner widersprüchlichen Biografie, mit Ecken und Kanten, sind die Pfarrer, die ich in dieser Zeit in der DDR kennen gelernt habe.

Im GesprächLutz Kirchenwitz: Dieser Eklat ist ja vielleicht recht typisch für die kulturpolitische Situation in der DDR, dass es da auch immer ein Tauziehen gab, unterschiedliche Kräfte: die einen, die immer wieder versuchten, einen etwas härteren Kurs durchzusetzen, die anderen, die dann versuchten, ihn wieder etwas aufzulockern. Ich denke, eine der härtesten Varianten hat Bettina zu spüren bekommen, indem sie schließlich aus dem Lande gedrängt wurde.

Bettina Wegner: Es gab Kulturleute der Partei, die es gar nicht so schlimm mit mir meinten, aber dann kamen andere eben und gesagt haben: ‚Ja, das geht aber nicht, der Mann soll gefördert werden, und die Frau soll ganz weg von der Bühne.' Dann ist der Mann mit einem Dauervisum 1980 übergesiedelt, und da ich in der DDR nicht mehr arbeiten durfte, bin ich dann zu einem gewissen Herrn Wagner vorgeladen worden, der auch ein bisschen innere Macht dargestellt hat, der war mal Zirkusdirektor, und dann war er Kulturminister für Unterhaltungskünstler. Und der sagte mir: ‚Frau Wegner, sie könn' mit uns nicht und wir könn' mit Ihnen nicht, nun haben wir Ihnen einen Pass gegeben, nu ziehn Se doch nach Westberlin. Sie werden hier nie wieder arbeiten dürfen.' Und dann hab ich gesagt: ‚Ach, ich hab ganz viel liebe Leute hier, die ernähren mich mit.' Nicht mal in meinem erlernten Beruf als Bibliotheksfacharbeiterin hätte ich mehr Arbeit gefunden. Und dann kam ein Ermittlungsverfahren wegen Zoll- und Devisengesetzverletzung, und nachdem ich 1968 gesessen hatte, hab ich gedacht, das halte ich nicht noch mal aus. Viermal in der Woche zur Vernehmung, ich war dann doch bereit zu gehen, wenn meine Kinder ihr Schuljahr zu Ende machen dürfen und wenn ich wie jeder Westberliner jederzeit in die DDR einreisen kann. Sie haben mir das Versprechen gegeben. So war mir die Wurzel entfernt worden. Ich bin1947 geboren, für mich war die DDR mein Land, ohne daran zu denken, dass das unbedingt meine Regierung wäre, aber es war mein Land, es waren die Menschen, mit denen ich groß und erwachsen geworden bin, und das war plötzlich weg. Und für mich ist da was zerbrochen, was sich auch nie wieder aufgebaut hat.

Kirchenwitz: Wir hatten jetzt also zwei Leute mit Ostbiografien. Fragen wir doch mal einen, der das von der anderen Seite erlebt hat: Manfred Maurenbrecher.

Manfred Maurenbrecher: 1989 war es das erste Mal, dass ich offiziell zum Arbeiten, also zum Musizieren, in die DDR eingereist bin. Ich war relativ vertraut mit der DDR, kannte so das normale Leben der Mittelschicht in Weimar oder dann in Ostberlin. Ich war es gewohnt, vor 80, 150 Leuten, manchmal auch nur vor 20 Leuten zu spielen Was wir dann 1989 bei diesen Veranstaltungen erlebt haben, war was ganz Irres. Veranstaltungen, die eigentlich in Sälen stattfinden sollten, wurden in Stadien verlegt, weil so 'ne große Nachfrage war. Und es war unglaublich für mich, dass so viele Menschen diesen relativ dunklen und überhaupt nicht besonders einladenden Liedern und Texten so aufmerksam zugehört haben. Das hatte ich vorher nicht erlebt und nachher eigentlich auch nicht. Das war was ganz Tolles, fand ich. So ein bisschen polemisch hab ich das mal ‚Vorzüge einer Erziehungsdiktatur' genannt.


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im Folker! 4/2002